Autor Thema: Smalltalk zu "Glaubwürdigkeit oder Realismus im Rollenspiel"  (Gelesen 10243 mal)

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Offline Merlin Emrys

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"unser Wissen ist sowieso eine arbiträre Vereinfachung auf die wir uns kulturell (zumindest in der westlichen Welt) geeinigt haben, damit wir ungefähr wissen, was der andere meint".
Hm. Aber dann müssen wir ja auch schon wieder was wissen, nämlich, "was der andere meint". D.h. es muß schon wieder einen Raum geben, in dem es "unsere" - gemeinsam so verstandene - Welt gibt. Es muß also eine Plausibilität dafür geben, warum manches Anzunehmen zugleich erlaubt anzunehmen, daß der andere diese Annahme teilt, während anderes es nicht erlaubt, und man muß für gelingende Kommunikation wissen, was von beidem jeweils zutrifft. Das geht aber nur, wenn man die zugrundeliegenden Mechanismen kennt, und zwar der Wirklichkeit adäquat kennt, sonst kann das Vorgehen ja nicht funktionieren. Sprachliche Kommunikation über außenliegende Sachverhalte erfordert ein Wissen bezüglich dieser, das nicht der Beschränkung auf den eigenen Wahrnehmungsbereich unterliegt - das ist allein schon der Sprache inhärent.

Aber im Grunde hat The Man Who Laughs eh recht, wenn er sagt, daß man die Frage gar nicht klären muß, solange man ein wie-auch-immer-geartetes Konstrukt akzeptiert, das Leerstellen zu füllen erlaubt. Ich halte "Realität" und "Realismus" für adäqate Bezeichnungen (und bin als Wirklichkeitspositivist von einem inneren Zwang getrieben, das zu verkünden und zu verteidigen). Wer das nicht tut, mag andere nehmen, zumal er ja - angesichts der Tatsache, daß das ohnehin niemals mehr und niemals etwas Besseres als "eine arbiträre Vereinfachung auf die wir uns ... geeinigt haben" sein kann - eigentlich keine besondere Notwendigkeit haben sollte, eine spezielle andere Einigung zu fordern. Wir könnten doch also "Realismus" als genau diejenige "arbiträre Vereinfachung auf die wir uns ... geeinigt haben" nehmen, die der Titel dieses Fadens (durch Verwendung des Begriffs "Realismus") impliziert, und mit dem eigentlich Thema weitermachen?
« Letzte Änderung: 8.12.2010 | 00:26 von Merlin Emrys »

Eulenspiegel

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]Glaubwürdig genug, dass die Inquisition selbst von Zeit zu Zeit die Position vertrat, es gäbe überhaupt keine Hexen.
Sagen wir es so: Manchmal waren die Beschuldigungen unglaubwürdig und "Sie ist keine Hexe" war glaubwürdig.
Das waren die Fälle, in denen die Glaubwürdigkeit mit der Realität übereingestimmt hat.

Und dann gab es die Fälle, wo die Beschuldigungen glaubwürdig waren und "Sie ist keine Hexe" war unglaubwürdig. Das waren die Fälle, in denen die Glaubwürdigkeit nicht mit der Realität übereingestimmt hat.

Es geht auch gar nicht darum, welche der beiden Fälle nun häufiger eingetreten sind. Mir geht es nur darum, dass beide Fälle eingetreten sind. (In welchem Verhältnis ist vollkommen unwichtig.)

Offline Falcon

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ja, aber diese (falschen) Annahmen beruhten nunmal auf Unwissenheit. Aber das wurde ja schon vor ein paar Seiten geschrieben. Auch auf Seite 4 hat sich an der Aussage, daß wenn man alle Rahmenbedingungen ausser Acht lässt, die Realität unglaubwürdig sein kann, nichts geändert.
Mit genügend Einsicht ist die Realität immer glaubwürdig, sonst würden wir, wie andere so schön einwarfen, vermutlich gar nicht hier sitzen. Wir haben keine Alternative, als die an die Realität zu glauben.

« Letzte Änderung: 8.12.2010 | 00:54 von Falcon »
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Eulenspiegel

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Natürlich beruht die Unglaubwürdigkeit auf Unwissenheit. Es geht mir ja auch gar nicht darum, die Gründe für die Unglaubwürdigkeit zu analysieren. Es geht mir erstmal nur darum, die Existenz der Unglaubwürdigkeit festzustellen.

Und wenn jemand die Realität kennen würde, diese Person die Realität auch glaubwürdig finden würde, ist ja trivial. Es geht aber eben darum, dass die wenigsten Leute die Realität kennen (vor allem in den Bereichen, die nicht zum eigenen Fachgebiet gehören).

Insbesondere die Wissenschaft beruht ja auf der Tatsache, dass man nicht alles weiß. (Wenn man alles wüsste, müsste man nicht forschen. Forschung macht man ja nur, damit man etwas neues erfährt, was man vorher nicht wusste.)
Aber auch in der Justiz ist es Gang und gebe, dass die Richter und Schöffen nicht alles wissen (nicht alles wissen können) und trotzdem werden sie aufgefordert, die Glaubwürdigkeit der Beweise zu überprüfen.

Die Forderung, auf das Unwissen zu verzichten, ist also völlig utopisch. Man kann das Unwissen verringern, aber niemals völlig beseitigen. (Und selbst, wenn eine Person 24 Stunden täglich nur lernen würde, könnte er nicht alles Wissen der Menschheit in sich aufsaugen. - Von dem Wissen der Menschheit, das erst noch erforscht werden muss, ganz zu schweigen.)

Zitat
Mit genügend Einsicht ist die Realität immer glaubwürdig, sonst würden wir, wie andere so schön einwarfen, vermutlich gar nicht hier sitzen, weil wir keine Alternative haben, als es zu glauben.
Das verstehe ich nicht:
Was hat die Glaubwürdigkeit der Relativitätstheorie oder der Quantentheorie mit dem "hier sitzen" zu tun?

Ansonsten verweise ich einfach mal auf die drei Clarkeschen Gesetze. Gerade das dritte Gesetz spiegelt meine Position ziemlich gut wieder:
„Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“

Offline Merlin Emrys

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Und wenn jemand die Realität kennen würde, diese Person die Realität auch glaubwürdig finden würde, ist ja trivial.
Nein, im Grunde ist es sogar selbstwidersprüchlich - denn "glauben" drückt eine prinzipielle Unsicherheit oder die Notwendigkeit von Vertrauen aus. "Ich glaube, daß da ein Fehler ist" ist entweder Höflichkeit oder ein Ausdruck davon, daß man sich nicht sicher ist. Wenn man weiß, daß da ein Fehler ist, glaubt man es nicht länger.
Darum halte ich es auch für unangemessen, Leute zu zählen, um Glaubwürdigkeit zu bestimmen. Glaubwürdigkeit ist eine Aussage darüber, ob etwas es wert ist, geglaubt zu werden, ggfs. auch völlig unabhängig davon, wieviele Leute das aktuell auch tun. Glaubwürdigkeit bemißt sich daran, wie gut es sich in das eingliedert, was ich schon weiß oder fest annehme (= schon glaube). Ob es also für mich glaubwürdig ist, daß ich nächstes Wochenende Besuch bekomme, ist völlig unabhängig davon, wieviele Leute annehmen, daß oder daß nicht. Leute, denen man erzählt hat, ich wäre der Partyheld und hätte Mühe, alle Termine mit Freunden und Freundinnen zu koordinieren, werden es für glaubwürdig halten, daß - denn das stimmt mit dem überein, was sie annehmen. Leute, denen man erzählt hat, ich wäre total der Nerd und würde mich im Keller verstecken, wenn es an der Tür klingelt, werden es für glaubwürdig halten, daß nicht - denn das stimmt mit dem überein, was sie annehmen. Keiner von denen wird erst hingehen und zählen, wieviele andere das auch annehmen oder nicht. Und ich? Ich weiß mehr, ich habe mehr Annahmen über mich und meine Beziehungen zur Umwelt, und ich bestimme die Glaubwürdigkeit der Annahme eben demgemäß. Ob sich nun mehr Leute in der einen oder in der anderen Weise irren, ist dafür irrelevant.
Aber wenn sich jemand zu Besuch angemeldet hat, der zuverlässig ist und dann auch kommt, dann verläßt das Ganze für mich und jeden, der es weiß, den Bereich der Glaubwürdigkeit und wird zu Gewißheit: Ich werde nächstes Wochenende Besuch bekommen. Das ist nicht "glaubwürdig anzunehmen", das ist so vereinbart - ich weiß es.

ErikErikson

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Setzt ihr grade Glaubwürdigkeit im normalen Spreachgebrauch und im Kontext RPG gleich? Das kann nicht klappen. Glaubwürdigkeit ist normalerweise eine Aussage über eine Person, inwiefern ihre Angaben als wahr angenommen werden können. Glaubhaft müsste man eigentlich sagen, wenn man über eine Einzelaussage spricht. Und geht es im Rollenspiel ja nicht über wahr oder falsch, weil ja alles erfunden ist. Man müsste also eher von Plausibelität sprechen. Also, wie nachvollziehbar etwas ist.

Offline Teylen

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Setzt ihr grade Glaubwürdigkeit im normalen Spreachgebrauch und im Kontext RPG gleich? Das kann nicht klappen. Glaubwürdigkeit ist normalerweise eine Aussage über eine Person, inwiefern ihre Angaben als wahr angenommen werden können.
Eigentlich koennen im normalen Sprachgebrauch auch Informationen, Dokumente oder auch Youtube [und anderes] mehr oder weniger glaubwuerdig sein.
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