Hier mal ein knappes Diary einer schönen kleinen Wuxia-Runde featuring Nocturama, Bad Horse, Haukrinn und meine Wenigkeit. Die Runde war in mehrerer Hinsicht eine Premiere:
- Erstens war es der erste Feldversuch für Nocturamas eigene Umarbeitung des „PDQ #“-Regelwerkes zur Benutzung bei Wuxia-Settings (Link). Ob das Experiment gelungen ist... darum geht es später.
- Zum zweiten war es die für den ein oder anderen von uns erste, kontinenteüberspannende Spielrunde, denn während die Spieler sich im vormittäglichen Deutschland vor die Bildschirme drückten, saß Nocturama, unsere Spielleiterin im fernen China.
- Schließlich war es für mich persönlich ein Novum, denn es war die erste Rollenspielrunde, die ich per Teamspeak gespielt habe, also ohne, dass meine Mitspieler körperlich präsent sind. Hierzu schreibe ich am Schluss noch mal mehr. Aber zunächst zum Spielablauf selbst.
Der Hintergrund (Setting the dials...)Nach Einigung auf ein Setting (wen genauer interessiert, wie wir die Ausgangssituation aufgebaut haben, schaue
hier) – wir entschieden uns für ein weitgehend historisches China zur Zeit der Tang-Dynastie, ohne Geister, ohne Drachen, ohne spezialeffektgeladene Superkräfte, wobei Dinge wie von Häuserdächern auf den Boden schweben oder auf Baumspitzen stehen durchaus noch im Rahmen des möglichen waren. Die Szene war zunächst irgendwo in den Bergen im Hinterland, später in der wichtigen Militärstadt Shuofang.
Hintergrund des Abenteuers war, dass der örtliche Militärgouverneur Wei Chaofeng, der auch allgemein als ein ziemlicher Mistkerl verschrien ist (zumindest bei denen, die ihm im Weg stehen) eine Schriftrolle mit einer geheimen, verbotenen Kampftechnik in seinen Besitz gebracht hat. Diese Schriftrolle stand unter dem Schutz eines Klosters und die Leute, die dort
in charge sind, wollten die natürlich wieder haben. Also machte sich die beste Schülerin des Klosters, eine junge Frau namens Sheng Di, auf den Weg, um sie aus dem Palast des Militärgouverneurs zurückzuholen. Dort schlich sie sich als Malerin und Kalligraphin ein (ein Hintergrunddetail, das wir erst während des Spiels hinzugefügt haben), um dann heimlich die Rolle zu entwenden. Dabei verliebte sie sich in den Bruder des Militärgouverneurs (Tieci)und er sich in sie. Um ihr zu helfen, inszenierten er ein falsches Duell mit ihr, damit es für Chaofeng so aussehen sollte, als sei sein Bruder von Sheng Di überwunden worden und habe so die Schriftrolle stehlen können. Aber Wei Chaofeng wusste von dem Plan der beiden und hatte die Waffe seines Bruders vergiftet, sodass für Sheng Di auch die kleine Schaukampf-Wunde kritisch war. Auch Tieci war vergiftet und schlug sich, in dem Glauben, dass Sheng Di tot sei, aus dem Palast ins Hinterland.
Die CastAb hier betraten die Spielercharaktere die Bühne:
Tieci (dt. Eisendorn): Der eben schon genannte Bruder des Militärgouverneurs. Geliebter von Sheng Di und schweigsamer Schwertkämpfer. Besitzt ein besonderes Schwert, von dem sein Chaofeng das Gegenstück führt. Kennt sich mit Giften aus, sodass er sein Foible (die Vergiftung durch seinen Bruder) bekämpfen konnte. Trotzdem war der gute sehr schwach (visualisiert durch bleiche Lippen und sich langsam grau färbendes Haar – sehr wuxiaesque). Seine Motivation: Rache nehmen für die tote Sheng Di.
Péngjŭ (dt. Der Roc erhebt sich): Der alte, weise Kampfkunstmeister, der die Schüler in dem Kloster unterrichtet, aus dem die Schriftrolle gestohlen wurde. Nicht nur will er die Rolle zurück, auch will er seine zahlreichen Schüler, die bei dem Versuch, die Rolle zurückzuholen gescheitert sind, rächen – damit auch Sheng Di, die seine beste Schülerin geworden war, nachdem ihre Mutter sie im zarten Kindesalter im Kloster abgeladen hat. Da der Gute schon ein bisschen tattrig ist, machen seine Knochen nicht immer so richtig mit (Foible: Alt).
Zhūxīng (dt. Zinnoberstern): Kämpferin und Sheng Dis Mutter. War früher die Anführerin der Rebellengruppe „Der verhüllte Nachthimmel“ und erklärte Feindin des früheren Militärgouverneurs (Wei Chaofengs Vater). Nachdem sie mit Sheng Di schwanger wurde, hat sie ihr Rebellenleben hinter sich gelassen und unter neuer Identität in einem Dorf in den Bergen als Kampftrainerin Kindern das Kämpfen beigebracht (welche dann später von Wie Chaofeng zwangsrekrutiert wurden). Sie fühlt, dass ihre Tochter in Schwierigkeiten ist und möchte sie retten.
Der weitere VerlaufWir begannen mit einer Szene im einsamen Kloster auf dem Berg. Tieci war da, um Pengju dazu zu bewegen, mit ihm etwas gegen Chaofeng zu unternehmen – und um ihn zu warnen, dass sein Bruder auch vorhabe, die noch fehlende zweite Schriftrolle in seinen Besitz zu bringen. Schließlich kommt auch Zhuxing dazu, um vom weisen Meister ihre Waffe (Yue zhi huan niang, die schimmernde Braut des Mondes – eine massive Laterne an einer Kette) zurückzuvordern, die sie ihm früher zur Aufbewahrung anvertraut - sie hatte damals geschworen, sie nie wieder anzurühren. Zhuxing und Meister Pengju haben also eine Konfrontation, aber die skrupellose Zhuxing gewinnt die Auseinandersetzung und holt sich ihre Waffe zurück. Die drei beschließen schließlich, gemeinsam die Schriftrolle zurückzuholen. Tieci erzählt Zhuxing, Sheng Di sei tot, aber schweigt über seine Verbindung zu seinem Bruder – Zhuxing glaubt das nicht, denn „eine Mutter würde sowas spüren“.
Schnitt in ein Gasthaus unweit von Shuofang. Tieci informiert uns, er habe mal für Chaofeng „gearbeitet“ und breitet einen Plan des Palastes aus. Wir sitzen in einer dunklen Ecke und brüten darüber können aber nicht so recht einen Plan fassen, wie wir reinkommen – auf jeden Fall werden wir uns verkleiden müssen. Ein mit Styledice gekaufter Fakt schafft Abhilfe: Wir erfinden Festtagsstimmung in Shuofang herbei und die vom SL rein als Hintergrundflair eingebaute Schauspielertruppe im Gasthaus ist nun bei Chaofeng persönlich geladen. Ein paar spendierte Flaschen Pflaumenschnaps sorgen für die nötige Verbindung zu den Schauspielern – man befreundet sich und beschließt, dem fahrenden Volk ein wenig die Stadt zu zeigen.
Tieci, Zhuxing und Pengju fahren also mit den Schauspielern zusammen mit dem Wagen in die Stadt. Dort hält die Stadtwache den Tross aber auf und will den Wagen durchsuchen Tieci gibt sich der Stadtwache kurz als Bruder des Militärgouverneurs zu erkennen und schüchtert sie so ein, dass man ungehindert weiterfahren kann – und die Wächter nicht Zhuxings verräterische Waffe hinten im Wagen entdecken.
Als nächstes führt Zhuxing die Gruppe in ein zwielichtiges Spielhaus irgendwo in Shuofang – die Schauspieler nehmen das dankend auf, während Tieci und der weise Meister, schockiert von der Liederlichkeit des Etablissements, lieber draußen warten – bei dieser Gelegenheit schüttet Tieci dem Alten auch ein wenig sein Herz aus. Während die Schauspieler Glücksspiel betreiben setzt Zhuxing sich ab und trifft den Besitzer des Hauses, einen Mitkriminellen aus ihrer Rebellenzeit (Die Ratte). Die beiden einigen sich darauf, dass er die Schauspieler verschwinden lässt, wenn sie sich dafür um seinen Rivalen im Spielhausgeschäft kümmere.
Draußen sammelt Zhuxing Tieci und Pengju ein, die sie unter dem Vorwand, Informationen über Sheng Di ausfindig gemacht zu haben, ins Spielhaus des Rivalen der Ratte führt. Dort will Tieci die Infos aus dem Spielhausbesitzer rausprügeln, klappt aber wegen seiner Vergiftung zusammen, sodass Zhuxing dem Besitzer ungestört den Garaus machen kann – und dafür sträflich von Pengju und Tieci verachtet wird (ihre Versicherung "Es war nur ein Versehen!" bringt da auch nichts mehr). Pengju nimmt Zhuxing ihre Waffe wieder ab – sie sei erst würdig, sie zu tragen, wenn sie Gutes getan habe. Jedenfalls geht es zurück zur Ratte – die direkt mal von Zhuxing bedrängt wird, den Schauspielern ja nichts anzutun, egal was vorher ausgemacht wurde. Tieci gibt bei dieser Gelegenheit ebenso seine Identität als Bruder des Militärgouverneurs preis, wie rauskommt, dass Zhuxing die seit Jahren untergetauchte Rebellenführerin des "Verhüllten Nachthimmels" ist.
Eine Szene später sind die Charaktere als Opernsänger verkleidet im Palast des Militärgouverneurs angekommen und bereiten ihren „Auftritt“ vor, bei dem sie planen, Wei Chaofeng zu ermorden – Pengju kommt verkleidet auf die Bühne und schmettert ein paar traurige Balladen, da entdecken die SCs neben dem jungen Prinzen (hier weiß ich nicht mehr genau, ob das jetzt Wei Chaofengs Sohn war oder Staatsbesuch), naja, neben dem jungen Prinzen jedenfalls sitzt, sanft lächelnd und keusch ob seiner Avancen errötend: Sheng Di!
Sie ist also nicht tot! Und so brechen wir die Vorstellung ab, besorgen uns die Uniform von Wachleuten und konfrontieren Sheng Di allein in ihren Gemächern. Sie erinnert sich allerdings an niemanden von uns mehr, weder an ihren Geliebten, noch ihren Meister, noch ihre Mutter. Mit ein bisschen Therapiearbeit schaffen wir es allerdings ihr auf die Sprünge zu helfen (sie macht Zhuxing große Vorwürfe, dass sie sie als Kind ins Kloster geschickt habe, während sie Tieci immer noch Zuneigung gegenüber zu empfinden scheint). Wir erfahren, dass sie den Prinzen heiraten soll – und ihm auch durchaus zugeneigt ist. Wir überlassen ihr die Entscheidung und wollen sie am selben Abend wieder treffen, aber zuerst die Schriftrolle holen und ein Gegengift für Tieci finden. Ein Tieci loyaler Wächter hilft uns.
Wir bringen die Schriftrolle an uns, auch wenn Tieci durch die Giftfalle an der Kiste noch eine gute Spur schwächer wird.Inzwischen schickt Chaofeng uns seine Kindersoldaten auf den Hals (die Kinder, die von Zhuxing im Dorf unterrichtet worden sind). Zhuxing stellt sich ihnen und kämpft mit ihrer Waffe, die sie inzwischen von Pengju wieder bekommen hat (sie war sehr reumütig beim Treffen mit Sheng Di) gegen die Kinder, achtet dabei aber darauf niemanden ernsthaft zu verletzen. Tieci und Pengju besorgen währenddessen das Gegengift. Danach treffen wir uns wieder an Sheng Dis Gemächern, nur um zu sehen, dass sie augenscheinlich gewaltsam verschleppt wurde – und zwar von Chaofeng.
Dies führt uns direkt zum Showdown in der großen Halle des Palastes, die bestimmt wird durch ein stylisches Duell der beiden Brüder (sehr cool, das Ganze wird eröffnet von der Ahnentafel des Vaters der beiden, die von Chaofeng gegen seinen Bruder geschleudert wird und dann von diesem zurückgeschleudert wird) – während Zhuxing ihre Tochter in Sicherheit bringen und Pengju es gleich mit zwei kampfkräftigen Schergen des Oberbösewichts aufnimmt. Als Chaofeng jedoch zum tödlichen Schlag gegen seinen Bruder ausholt, schmeißt sich Sheng Di dazwischen und sinkt tot zu Boden – Pengju gibt dem Militärgouverneur mit einem letzten Schlag den Rest, während wir schockiert Sheng Dis Leiche bergen und uns mit Schriftrolle davonmachen.
Im Nachklapp sieht man nur noch Zhuxing, die vor dem Grab ihrer Tochter auf einem Hügel steht – es ist ein Jahr später. Pengju kommt den Hügel hoch und holt Zhuxing, da ihre Rebellen ihre Befehle erwarten würden. Die beiden steigen den Hügel hinab und unten wartet Tieci mit den anderen Rebellen.
Das SystemDas folgende sind Eindrücke von mir... meine Mitspieler haben vielleicht andere Erfahrungen gemacht. Meiner Empfindung nach ging die Sache mit den
„PDQ#“-Regeln sehr flüssig von der Hand. In den Challenges hatten wir schnell die Ergebnisse und die Techniken sorgten für das nötige Kung-Fu-Feeling, weil wir über den
„Idiom“-Tag auch Kampfstile und Special Moves benennen und einbringen konnten. Ich persönlich finde, dass die Regeln mit dem Genre gut harmonieren, auch wenn noch etwas Feinschliff nötig ist. Ein paar Sachen sind mir aber doch aufgefallen...
Der direkte +1 Bonus durch einen ausgegebenen Stilwürfel ist meiner Meinung nach zu unattraktiv, um ihn zu nutzen, denn ich kann den Würfel ja auch würfeln und bekomme da auch immer eben mindestens eine 1 raus, also warum nicht direkt würfeln. Interessanterweise haben wir Techniken eigentlich in so gut wie allen Fällen einfach als +1 interpretiert, während wir Stilwürfel eigentlich immer zusätzlich gewürfelt haben. Techniken und Stilwürfeleinsatz funktioniert ja gleich.
Teilweise fand ich aber auch genau den Technikeinsatz mitunter etwas krampfig. Damit man ein einigermaßen vernünftiges Ergebnis hinkriegt (der Master Chart ist da gnadenlos), muss man ständig kreativ sein: Und hier noch eine Technik reingeschmuggelt und da noch das +2 für die Named Weapon dazu und noch eine Technik, etc. „PDQ“ zwingt den Spieler dazu Situationen zu erzeugen, in denen seine Werte überhaupt greifen – und damit klarzukommen war für mich erstmal eine Umstellung. Und das kann auch schon mal sehr anstrengend sein. Tatsächlich kann ich mir die Sache im Kampagnenrahmen tatsächlich besser vorstellen, da da vom SL auch mal Situationen konstruiert werden können, wo das Einbringen der eigenen Techniken nicht so wahnsinnig einfach ist. So ist das Ganze etwas knackiger.
Auch mit dem Schaden habe ich immer noch so meine Probleme. Besonders das mit dem Plothook beim ersten Schadensabstreichen erschließt sich mir immer noch nicht so, weil ich glaube, dass die Plothookreaktion mit besonders geringer Verzögerung zum Geschehen stattfinden sollte und der Spieler den entsprechenden Hook auch direkt mit dem SL zusammen ausarbeitet. Wenn es nur ein „SL, du darfst diese Eigenschaft jetzt plottechnisch anspielen“ ist, dann wäre mir das zu schwammig, denn einen Plothook zu einer Eigenschaft eines SCs kann der SL ja auch einbringen, wenn der Spieler keine Wound Ranks oder Failure Ranks auf der Eigenschaft hat. Die Beispiele, die ich bislang in die Richtung geliefert bekam, haben mich noch nicht überzeugt. Auch ist der Schaden sehr abstrakt und da muss man sich erst dran gewöhnen.
Ich (und ich glaube auch die anderen) habe übrigens regelmäßig vergessen, die Regeneration nach Ablauf einer Szene zu würfeln – so standen da Failure Ranks, die ich schon längst regeneriert hatte. Und auch die Wahl der Fortes, auf die ich die Failure Ranks verteile, ist erstmal wenig intuitiv, da sie reine Metabedeutung hat und vom Geschehen im Spiel komplett unabhängig ist.
Der Styledice-Kreislauf lief eigentlich schon ganz gut, am Anfang etwas zögerlich, aber sobald wir dazu übergegangen waren, per Chateintrag Buch zu führen wie viele jeder hat, wurde eigentlich recht viel verteilt. Ich hoffe, dass niemand sich übergangen gefühlt hat.
Exkurs: Rollenspiel im TeamspeakAls meine erste TS-Runde war das Spielen auch etwas komplett Neues für mich... und es hat sich schon anders angefühlt, als im heimischen Wohnzimmer. Gut fand ich die Sache mit dem „Push-to-Talk“, wobei mich ein wenig die manchmal auftretende komplette Stille gestört hat, wenn keiner etwas sagte und nur Schweigen aus den Lautsprechern kam – aber nicht aus Dramatikgründen. Am Spieltisch kenne ich so lange Schweigephasen nicht. Auch hatte unsere Spielleiterin ab und an Probleme mit der Verbindung und musste deshalb regelmäßig aus- und wieder einchecken. War aber nicht tragisch... hatte was von „Der SL holt sich einen Kaffee – die Spieler hecken indes finstere Pläne aus“. Was glaube ich im Teamspeak sehr gut gehen könnte, ist das multimediale Spiel mit Bildern und Karten und Sounds und Musik... aber darauf müsste man sich wohl individuell sehr stark vorbereiten. Auch ein Manko ist das Fehlen von Mimik. Ich glaube, dass TS schon anders ist als Tischrollenspiel, ich würde es sogar als schlechtere Notlösung empfinden, aber ich habe ja aus dem Medium noch nicht alles herausgekitzelt, was da geht.
Das FazitAlles in Allem war das wirklich eine ganz tolle Runde! Vielen Dank an dieser Stelle an unsere grandiose SL und meine famosen Mitspieler! Ich denke das PDQ#-Wuxia-Experiment darf als gelungen betrachtet werden.
Ich hoffe noch, dass niemand tatsächlich das Gefühl hatte, dass sein Charakter außen vor gelassen wurde. Mein Charakter (Zhuxing) kam mir im Nachhinein doch sehr dominant vor – ich hoffe das hat niemanden gestört.