Autor Thema: [Suche] System geeignet für Drama-, In-Character- und Barbiespiel  (Gelesen 1632 mal)

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Offline Ara

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Hallo an Alle,  :)

in unserer kleinen Shadowrun 4 Runde (nur der SL und ich) haben wir das Problem, dass die offiziellen Regeln öfter mal unserem Spielstil im Weg stehen. Während der SL damit recht gut klar kommt (ich glaube er ist davon überzeugt, dass es einfach keine bessere Alternative gibt und fügt sich in sein Schicksal), verdirbt es mir immer wieder gründlich den Spaß. Daher habe ich beschlossen mich nach einem anderen Regelsystem umzusehen und der SL hat (vermutlich hauptsächlich mir zu Liebe ;)) seine Bereitschaft bekundet Alternativen auszuprobieren. Ich habe auch schon einige Regelwerke gelesen und Fate Core sowie Cortex Plus haben wir jeweils einmal Probe gespielt, aber bisher ist nirgendwo der Funke übergesprungen. Vielleicht könnt ihr mich ja auf die Spur des richtigen Systems bringen? :)

Anforderungen:
  • Das System sollte Charakterspiel, Charakterdrama und vor allem das "In-Character"-Bleiben unterstützen oder zumindest nicht behindern. OOC-Aktionen wie Regelanwendung oder Metaentscheidungen sollten also sehr schnell abzuhandeln sein.
  • Das System sollte es speziell ermöglichen auch in einem Kampf weitgehend "In-Character" zu bleiben und in dem Bereich nicht zu einem 30-60 Minütigen Tabletop / Brettspiel mutieren, das u.U. auch noch den SL mit seiner Regelkompliziertheit überfordert.
  • "Barbiespiel" = ausführliche Charaktererschaffung (darf gerne länger dauern), detaillierte Charakterwerte (inklusive größerer Auswahl bei der Ausrüstung) und langfristige Charakterentwicklung sollten möglich sein
Gute Englischkenntnisse sind vorhanden, ein englisches System wäre also kein Problem.

Wenn ihr mehr Informationen braucht, um eine Empfehlung geben zu können: Gerne Fragen stellen! :)
Im nächsten Post werde ich für diejenigen, denen es nichts ausmacht einen längeren Text zu lesen, unseren Spielstil schonmal genauer beschreiben.

Offline Ara

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Unser Spielstil

Wird sind wohl "Method Actors" mit einem kleinen Schuss "Storyteller", denn im Mittelpunkt stehen bei uns klar die Charaktere, ihre Empfindungen, Erlebnisse, Ziele und Entwicklung. Jeder Charakter hat eine (mehr oder weniger ausführliche) Vorgeschichte, eigene Probleme und reichlich Aufhänger für Plots, die sich um ihn drehen. Es findet also viel Rollenspiel rund um das "normale Leben" der Charaktere, und um die Folgen ihrer Vergangenheit bzw. um ihren Weg in eine bessere Zukunft statt.

Auch bei den Runs (es werden teilweise auch angepasste Kaufabenteuer gespielt) geht es eigentlich weniger um die taktische und intellektuelle Herausforderung für den Spieler, als vielmehr darum, wie die Charaktere mit dem umgehen, was sie auf einem Run erleben. Taucht ein Schatten aus der Vergangenheit wieder auf? Werden sie mit einer ihrer Schwächen konfrontiert? Was tun und fühlen sie im Angesicht einer schwierigen moralischen Entscheidung oder akuter Todesgefahr? Und: Wie verändert sie das alles, wenn sie wieder Zuhause sind?

Und hier liegt das Problem begraben, das wir mit Shadowrun 4 haben: Denn beim Spielen auf diese Art kann zumindest ich es überhaupt nicht leiden, wenn ich aus dem Charakterspiel und der Geschichte herausgerissen werde und mich länger (!) OOC um Regel- und Metaangelegenheiten kümmern muss. Ich würde gerne so spielen, als wäre es ein Film, den der SL und ich da zusammen "ansehen" und gemeinsam gestalten. Damit meine ich jetzt nicht unbedingt Metatechniken wie Scene-Framing, sondern einfach, dass in einem Film auch nicht plötzlich die Perspektive von den angespannten Charakteren in der düsteren Umgebung eines verlassenen Forschungslabors zu 60 Minuten Würfelorgie und langweiligem taktischem Rumgeschiebe von Pöppeln auf einem Bodenplan wechselt, nur weil gerade einige alte Sicherheitsdrohnen reaktiviert wurden...

Mal eine einzelne Probe (z.B. Wahrnehmung oder Verhandlung oder einen Zauber) zu würfeln ist in Ordnung. Das sind nur ein paar Sekunden OOC und danach kann man sofort den Charakter weiterspielen. Das macht mir die Stimmung nicht kaputt. Aber wenn es in Shadowrun 4 z.B. zum Kampf kommt, dann wird aus der netten immersiven (Charakter)Geschichte, die gerade erzählt wird, ganz schnell eine endlose OOC-Würfelorgie mit Dutzenden von Modifikatoren, Pöppel-Geschiebe und Taktiküberlegungen. Was die Charaktere denken und fühlen passt dann nicht mehr rein, da der SL vollauf mit der regeltechnischen Abwicklung der Szene beschäftigt und teilweise auch einfach überfordert ist. Es ist als würde man ein anderes Spiel spielen. Eines, das mir keinen Spaß macht.

Trotz unseres Fokusses auf In-Character-Spiel sind wir beide Freunde von ausführlicher Charaktererstellung und entsprechend detaillierten Charakterbögen. Es macht uns Spaß einen Charakter auch in Werten mit hohem Detailgrad abzubilden und zu überlegen, wie sich welcher Wert im Laufe der Zeit durch die Erlebnisse und Training etc. verändert. In der Hinsicht passte Shadowrun 4 dann ganz gut, auch wenn wir die vergebene Karmamenge deutlich erhöht haben. Der SL hat dabei auch seine Freude am riesigen Ausrüstungskatalog des offiziellen Systems. Mich lässt das eher kalt, was vermutlich daran liegt, dass ich primär magische Charaktere spiele. Kurz gesagt bedeutet das aber, dass wir wohl mit einem System, bei dem ein Charakter nur aus 10 Werten besteht, auch nicht glücklich werden würden.

Optimal wäre also wohl ein Regelwerk, das komplexe, detaillierte Charaktererschaffung und -entwicklung mit so einfacher Anwendung der Werte im eigentlichen Spiel kombiniert, dass die Immersion selbst bei einem Kampf nicht (oder nur wenig) gestört wird. Die Frage ist: Gibt es das überhaupt bzw. ist es überhaupt möglich so etwas zu designen? Wenn nicht werden wir wohl einen Tod sterben und bei einer unserer Prioritäten Abstriche machen müssen.

Achamanian

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Klingt für mich so, als könnte The Burning Wheel zu euch passen. Komplexe Charaktererstellung, viel Gewicht auf den Überzeugungen der Charaktere, Regeln, die angeblich recht flott sind, wenn man sich erst mal eingewohnt hat. Ich muss aber zugeben, dass ich das Regelwerk nicht zu Ende gelesen habe, weil mir persönlich die vielen Werte und die aufwändige Charaktererschaffung nicht gefallen haben ...

Pyromancer

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Ich empfehle einen Blick auf "Corporation"; das ist in meinen Augen das bessere Shadowrun.
Die Regeln sind recht simpel; in Kämpfen muss man zwar immer noch ein paar Mal würfeln, aber im Vergleich zu Shadowrun ist das gefühlt der Faktor 10, Pöppel-Geschiebe gibt es nicht, und Taktik-Überlegungen kann man zu 100% in-character anstellen.

Und was für euch wie die Faust auf's Auge passt: Es unterstützt Barbie-Spiel, und zwar massiv. Es gibt eine lange Skill-Liste, einen Katalog mit Ausrüstung und Cyberware, in dem man schmökern kann, Regeln für Training und Lizenzen, Charaktere können in ihrer Freizeit personalisierte Ausrüstung bauen, Kontakte knüpfen, Geschäfte aufbauen (von der Mode-Kette bis zum Organschieber-Ring) etc. Da könnt ihr euch also wirklich austoben.

Online Teylen

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Da wäre die neue World of Darkness.
Die Charakter-Erschaffung ist nicht übermäßig komplex, jedoch hat man sehr viele Werte mit welchem man den Charakter beschreiben kann. Es sind jedoch nicht soviele das man mehr als ein oder zwei Seiten braucht.
Dem hinzu kommen nach belieben recht viele Ergänzungsbücher, teilweise nicht nur solche welche das Arsenal vergrößeren (Armory) sondern auch solche die neue Optionen bieten.
Das Kampfsystem ist wohl aufgrund der entfallenen Parade schneller als das der klassischen World of Darkness.
Außerdem gibt es Werte für Moral, Laster und Tugenden und so,..

Vielleicht Pendragon?
Die Charaktere sind ausführlich beschrieben. Inklusive Ethik-Kompass. Allerdings kenne ich das System noch nicht.
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Auch im RL gebe ich mich nicht mit Axxxxxxxxxx ab #RealLifeFilterBlase

Offline Ara

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Danke schön an euch drei für die Empfehlungen. :)

@Rumspielstilziel: Ich hatte auch schon mal die Gelegenheit in Burning Wheel hinein zu schauen. Allerdings hatte mich da die Charaktergenerierung und der Charakterentwicklungs-Mechanismus abgeschreckt. Ersteres ist ja ein Lifepath-System und meiner Erfahrung nach ist so ein System ungeeignet, wenn man schon eine konkrete Vorstellung von seinem Charakter hat. Man bekommt nie wirklich, was man möchte. Und letzterer basiert darauf Proben in verschiedenen Schwierigkeitsgraden anzusammeln, was erstens erfordert, dass man wirklich regelmäßig die Würfel rollt (und nicht manchmal einfach verzichtet und selbst entscheidet, wie wir es tun) und außerdem einige krampfige Situationen verspricht, wenn einem z.B. noch genau ein schwerer oder ein mittlerer Test fehlt und man versucht diesen irgendwie in der Geschichte herbei zu konstruieren. So zumindest stelle ich mir das aus meiner theoretischen Sicht vor.

Allerdings habe ich ebenfalls gelesen, dass die anderen Regeln zum Teil sehr gut sein sollen, variablen Detailgrad nach Wahl (z.B. im Kampf) bieten und auch ein funktionierendes System für soziale Konflikte haben. Ich werde es mir also doch mal noch genauer zu Gemüte führen - es verpflichtet einen ja keiner die Charaktergenerierung und - entwicklung so zu verwenden.

@Pyromancer: Von Corporation habe ich noch nie gehört, aber das klingt sehr gut und wäre vermutlich auch leicht zu konvertieren, da es sich ja schon um ein Cyberpunk-Setting handelt. Ich schaue mir das definitiv genauer an. Ist das zugehörige Webseite: http://www.corpgame.com/ ?

@Teylen: Als jemand, der mit Vampiren, Werwölfen usw. noch nie etwas anfangen konnte, hätte ich selbst wohl nie in die Richtung gedacht. ;) In der Tat habe ich aber schon von Freunden (Vampir-Fans...  :ctlu:) vor Jahren Gutes über die Storyteller-Regeln gehört. (So heißt doch der in der WoD verwendete Regelkern?) Aus oben genanntem Grund habe mich jedoch noch nie genauer damit beschäftigt. Das werde ich nun nachholen. Wenn das  Regelsystem passt tut es ja letztlich nichts zur Sache aus welchem Hintergrund es stammt.

Pendragon kenne ich nicht, Ethik-Kompass klingt aber gut, da wird also auch mal reingeschaut. Ich habe allerdings keine eigene Homepage gefunden - nur das PDF (bzw. Buch) auf DriveThruRPG und damit auch keine Einsteiger-/Proberegeln. Hab ich da etwas übersehen?

« Letzte Änderung: 26.05.2014 | 22:44 von Ara »

Pyromancer

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@Pyromancer: Von Corporation habe ich noch nie gehört, aber das klingt sehr gut und wäre vermutlich auch leicht zu konvertieren, da es sich ja schon um ein Cyberpunk-Setting handelt. Ich schaue mir das definitiv genauer an. Ist das zugehörige Webseite: http://www.corpgame.com/ ?

Ja, das ist die Seite, und da gibt es auch ein Demo-Booklet zum runterladen.

Offline Ara

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Ah, sehr gut. Hab es gefunden.  :)

Offline Ara

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Ich habe mir die vorgeschlagenen Systeme angesehen. Disclaimer ;): Die Kommentare im Folgenden sind meine durch den Ersteindruck entstandende Meinung, die nur auf dem Lesen des Regelwerks (bzw. teilweise einer kostenfreien Schnupperversion) basiert.

The Burning Wheel: Bei genauerer Betrachtung stellt sich das als ein "Monstrum" von Regelwerk heraus. Teilweise sehr sehr hoher Detailgrad, der zumindest in der Theorie den Eindruck macht nur schwer flüssig und schnell abhandelbar zu sein. Es gibt z.B. alleine drei Arten von Gummipunkten. Außerdem werden manche Spielelemente als so eine Art Stein-Schere-Papier Minispiel durchgeführt, was nicht zu unserem Spielstil, der mehr auf in character ausgelegt ist, passt.

Pendragon: Sehr interessant. :) Hat mir echt Lust gemacht mal eine Ritter der Tafelrunde Kampagne zu leiten oder zu spielen. Allerdings ist das Regelwerk auch sehr spezifisch auf genau dieses Setting ausgerichtet. Es für Shadowrun zu adaptieren wäre vermutlich so, als wolle man den Pluto zur Sonne bringen.

Corporation: Ist dem SL und mir von seiner Art her (Setting, Charaktere, Tonfall) unsympathisch. Die Regeln bieten allerdings tatsächlich jede Menge Möglichkeiten einen Charakter zu individualisieren und zu entwickeln und sind dabei speziell im Kampfbereich deutlich einfacher, als Shadowrun 4/5. Außerdem ist es so nahe an Shadowrun, dass eine Konvertierung gut machbar scheint. Kommt also auf die Liste, da es uns ja um die Regeln geht, nicht um das Setting und man den Abschnitt zum Körperteile-Abtrennen auch einfach weglassen kann...

New World of Darkness: Gut verständliches, überschaubares Regelwerk, das mit Attributen, Skills, Spezialisierungen, Virtues, Vices und Merits die detaillierte Ausgestaltung eines Charakters erlaubt und auch moderne Elemente (Schusswaffen, Hacking, Fahrzeuge) und Magie (bei Mage: The Awakening) beinhaltet. Außerdem hat es so einige Konzepte, die mir gut gefallen, z.B. Willpower, soziale Attribute und das Magiesystem. Das könnte passen. Kommt also auf die Liste.

Allerdings haben wir am Wochenende beschlossen, erst einmal FATE noch eine gründliche zweite Chance zu geben (siehe mein anderes Topic), bevor wir ein weiteres System antesten. Ich war halt doch damals beim Lesen von Fate Core sehr angetan: Frei gestaltbare Aspekte, Stress und wählbare Konsequenzen statt Hitpoints, die Möglichkeit mit Fatepunkten und "Sucess at a cost" dem Zufall ein Schnippchen zu schlagen, wenn es wichtig ist und eine überschaubare Anzahl an Mechaniken, die aber trotzdem in der Lage sind alle Spielsituationen abzubilden.
Sollte sich FATE endgültig (dieses Mal nach einem mehrfachen Test und FATE-erfahrener Beratung  :)) als nicht für uns geeignet herausstellen, ist der Plan Corporation und New World of Darkness auszuprobieren.
« Letzte Änderung: 2.06.2014 | 16:30 von Ara »

Offline scrandy

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Ich habe damals bei Haukrinn eine sehr gute FATE-Shadowrun  conversion gespielt. Er dürfte hier im Forum dazu auch infos geposted haben. Schau dir das einfach mal an.

Sollte dir Fate zu Meta sein, kann ich dir auch meine Eigenentwicklung Mystix empfehlen. Es ist etwas klassischer als FATE besitzt aber einen hohen Immersionsfokus. So sind Verletzungen zum Beispiel Drama erzeugende Elemente. Es gibt Konsequenzen für Machtmissbrauch und ich würde sagen dass es das Kampfsystem mit dem größten ingame-Feeling hat weil deine Beschreibung und nicht nur die Werte direkte Auswirkung haben. Das System ist allerdings ein Steampunk System besitzt aber einen ähnlichen Missionsstil wie Cyberpunk Systeme. Wenn dich also der Steamfantasy Aspekt nicht stört wäre es ein Blick wert. Ach ja und über 80 Skills, eine Drama Sektion und in der Langfassung 4Seiten Charakterbogen dürften fürs Barbiespiel reichen. Und es gibt übrigens noch ein sehr cooles Moddingsystem zum personalisieren von Gegenständen.
Der Waldfürst gibt, der Waldfürst nimmt.

Mystix: Ranken, Glyphen, Kreiselschiffe - Story-orientiertes Steamfantasy-Rollenspiel. (Homepage / Diskussion)

Mystix - Das große Erwachen: Always Hope - Never Fall!