Autor Thema: Matching Hearts (und Spielbericht)  (Gelesen 803 mal)

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Ucalegon

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Matching Hearts (und Spielbericht)
« am: 17.08.2017 | 00:18 »
Matching Hearts von Damien «Rahyll» C. hat 2016 den französischen Teil des Game Chef-Wettbewerbs gewonnen. Englisches pdf. Französisches pdf.

Kurz: Matching Hearts ist Mirror's Edge - das Rollenspiel. Die zwei Hauptfiguren Jess und Sam leben in neo-paradize, einer dystopischen Megacity. Durch einen Sonnenstrahl, der im Zentrum der Stadt durch die Wolken bricht, werden sie aus ihrer Lethargie gerissen und machen sich auf den Weg zu dem mysteriösen Licht und zueinander.

Jede der beiden Hauptfiguren bewegt sich in fünf Szenen ins Zentrum von neo-paradize. Die SL-Rolle wechselt hin- und her, d.h. Matching Hearts wird zu zweit gespielt. In gefährlichen Situationen würfelt man für Jess bzw. Sam. Bei mehr gewürfelten Erfolgen entscheidet die Spielerin, was passiert; bei Gleichstand verschlimmert sich die Situation; bei mehr Misserfolgen beschreibt die SL die katastrophalen Folgen. Sobald fünf Erfolge oder 3 Misserfolge zusammengekommen sind, endet die jeweilige Szene.

Dazu kommen zwei Besonderheiten:
Nach jeder ihrer Szenen verfasst man für die eigene Hauptfigur eine Kurznachricht (Tweet/SMS) an die jeweils andere Figur. Damit wird nach und nach die persönliche Beziehung der beiden und der Hintergrund klarer.

Die zweite Besonderheit sind die speziellen Fähigkeiten von Jess und Sam. Jess ist Tänzerin und man darf jederzeit einen von fünf (vor Spielbeginn ausgesuchten) Musiktracks abspielen, um die Szene zu ihren Gunsten zu drehen. Sam macht street art und für sie kann man jederzeit eins von fünf (vor Spielbeginn ausgesuchten) Bildern aussuchen und Elemente daraus ins Spiel einbringen, um ihr zu helfen. Der Clou: Die SL muss dann kurz angeben, welche Stimmung das Lied/Bild bei ihr erzeugt und der so gesetzte Ton dominiert die nächste Szene (in der sie ihre Hauptfigur spielt).

Am Ende treffen sich die beiden in einer finalen Szene.

Zitat
The game experiments with the use of music and drawing during a roleplaying game and tries to explore long distance relationship between two people bound by their passion, affected by the experiences they will live throughout their journey.

Mechanisch clever und macht viel Spaß. Negativ ist mir beim Spielen aufgefallen, dass die Würfelmechanik irgendwie schief ist. Wir hatten quasi keine Misserfolge und oft erschien es fast unnötig die Spezialfähigkeiten einzusetzen, obwohl gerade die das Spiel bereichern.

Ansonsten halten die kurzen Stimmungsvorgaben das Spiel schön in Bewegung, weil man daraus jeweils die nächste Szene generiert, zumal die dann eben wirklich aus Musik oder einem visuellen Eindruck entsteht. Meistens ist es im Rollenspiel ja umgekehrt so, dass ein Musikstück oder Bild einen vorhandenen und vorgeplanten Eindruck verstärken und untermalen soll. Auf der mitgelieferten Karte kann man die Bewegung durch die Stadt tracken und die Kurznachrichten ergeben nachher ein kleines emotionales Protokoll.

Dass die Hauptfiguren ständig in Bewegung sind und (in unserem Fall wenigstens) lediglich ein paar kurze Sätze mit Nebenfiguren wechseln, gibt dem Ende, wo sie sich nach Stunden Spielzeit endlich treffen, ein besonderes Gewicht, finde ich. Das trifft  (meiner Erinnerung an das - hervorragende! - Spiel nach) Mirror's Edge sehr gut. 

Durch die vorher zusammenzustellende Playlist/Bilderliste sollte Matching Hearts auch einen Wiederspielwert haben. Ich zumindest hätte durchaus Lust, es mit anderen auditiven/visuellen cues nochmal zu spielen. Und auch die Beziehung zwischen Jess und Sam wird sich von Mal zu Mal ändern, wenn man die zu den Kurznachrichten vorgegebenen Fragen anders beantwortet.

Für einen Wettbewerbsbeitrag einfach sehr gut!

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Sam ist bei uns zu Beginn über neonleuchtende Dächer einem Polizeiheli entkommen, hat dabei ein kleines Kind aus der Schusslinie gebracht, ist am Spider's Net, einem gigantischen Autobahnkreuz auf einen Lastzug aufgesprungen, hat sich im in dessen Containern installierten Club versteckt und in die Stadt geschmuggelt, hat da ihren Stalker Rilke dazu gezwungen, sie zu einem VR-Gaming-Zirkel zu fahren, der sie schließlich mit einer gefälschten Monorail-Karte ins Stadtzentrum gebracht hat.

Jess ist vor einem finsteren Verfolger aus ihrer Wohnung geflohen, von ihrem Freund auf seinem Motorrad auf einen Industriepark gefahren worden, hat dort in einem Schlachthof menschliche Arbeitsdrohnen von ihrer spinnenartigen, kybernetischen Aufseherin befreit, hat sich in einem lebendigen Teil der Stadt mit gefährlichen Nanorobotern infiziert, ist für eine Untersuchung in ein Krankenhaus eingebrochen und schließlich sterbend ins Stadtzentrum entkommen.

Die finale Szene fand auf einem Platz inmitten einer riesigen Aufführung statt und offenbarte, dass die beiden Klone sind. Es folgte eine Art Himmelsaufstieg.

[Wir hatten nur 3h und mussten aus Zeitgründen die letzte reguläre Szene überspringen.]



Jess' Tracks waren:
Stratis - Herzlos
Imminent Starvation - Even Stars
Slagsmålsklubben - Kasta Sten
Bakterielle infektion - Komputerherz
The Normal - T.V.O.D.

Sams Bilder waren:

Offline Conan der Barbier

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Re: Matching Hearts (und Spielbericht)
« Antwort #1 am: 17.08.2017 | 10:57 »
Das Teil werde ich mir auf jeden Fall näher ansehen, klingt interessant. Danke für den schönen Bericht! :d
Furztrocken!

Mein neuer Favorit der Reihe "Freud im Rollenspiel": "Nur ein toter Zombie ist ein guter Zombie!" - "...wart mal. ALLE Zombies sind tot..."

Offline Deltacow

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Re: Matching Hearts (und Spielbericht)
« Antwort #2 am: 17.08.2017 | 11:26 »
Wow, Danke, super interessant.
Wirkt ein bisschen nach Kunstprojekt, aber gerade das macht es spannend.

Offline Gion

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Re: Matching Hearts (und Spielbericht)
« Antwort #3 am: 17.08.2017 | 23:30 »
Ich war der andere Spieler.

Ich kann Ucalegon nur zustimmen. Sehr schöne Umsetzung des Themas.

Der Einsatz der Musik und der Bilder ist sehr evokativ und findet einen sehr guten Platz in der Erzählung. Den künstlerischen Input als Inspiration für die nächste Szene zu nutzen sorgt dafür, dass man sich mit der Musik / dem Bild auseinandersetzt, ohne dabei den Fluss der Erzählung zu unterbrechen.

Ich würde allerdings auch die Mechanik gerne so geändert sehen, dass zu jedem Szenen-Ende eines der Kunstwerke eingegeben wird. Das Instrument ist einfach zu wirkungsvoll, um es hinten runter fallen zu lassen.

Die Kurznachrichten sind ein wunderbares Mittel, um Figuren, die nicht unmittelbar in Beziehung treten können, zu einer gemeinsamen Geschichte zu verweben. Die Prompts, die man dabei erfüllen muss ("Über mich", "Über Neo-Paradise", "Über unsere Vergangenheit",...) bringen eine gute Struktur in die Konversation. Könnte man sich auch für andere Spiele abschauen.

Von der Zeit her hätten 3 Stunden reine Spielzeit gereicht. Auf jeden Fall wäre das genug gewesen, wenn wir bereits die Kunstwerke im Vorhinein ausgesucht hätten. Wir hatten außerdem auch noch die Regeln zu studieren.