Oh, ich weiß, ich sollte mich da raus halten, aber es juckt einfach in den Fingern...
Nur mal so viel: Es gibt sicherlich in dem Bereich keine absoluten Wahrheiten, sondern ist oft eine Frage der Perspektive, bei der auch viel davon abhängt, wie man sich Rollenspiel vorstellt und was man von einem Rollenspielsystem erwartet.
Aus meiner Perspektive - und dieser ganze Beitrag ist nur meine Perspektive - war die oWoD, speziell V:tM, ein fürchterliches Regelwerk. Streicht man die ganze Settingbeschreibung weg und konzentriert sich auf die Regelmechanik, kommt ein ziemlich hässliches Entlein heraus. Wäre das zu einem beliebigen Fantasysetting veröffentlicht worden, wäre es den Weg 1000 anderer unterirdischer bis maximal mittelmäßiger D&D-Klone gegangen.
Entsprechend bin ich der Überzeugung, dass V:tM und die gesamte oWoD eine (nicht die einzige, aber eine wichtige) Ursache für die Entwicklung der Rollenspiele weg vom Gesellschaftsspiel nach mehr oder weniger verbindlichen Regeln war. Regeln, und insbesondere Zufallsgeneratoren, wurden immer der Story gegenüber gestellt, als wäre es eine entweder-oder Alternative. Die Entscheidung fiel dann natürlich zuungunsten der Regeln aus.
Die nWoD entstand unter anderem unter dem Einfluss der 3. Edition von D&D, die einen Schritt zurück zum Rollenspiel nach Regeln und Mechaniken bedeutet hat. So gern ich mich über 3E auch aufrege, zumindest in diesem Punkt hat es eine interessante Entwicklung angestoßen, die auch in anderen RSP-Systemen ihre Spuren hinterlassen hat (wie z.B. Regeln für Verwendung der Battlemap in Earthdawn 3). NWoD wollte meiner Ansicht nach diesen Schritt zum spielregelgestützten, spielbaren Rollenspiel auch gehen, ohne gleichzeitig komplett den Regelrumpf zu überarbeiten, der als oWoD bekannt war. Das führte dann auch zu den kleinteiligen Verregelungen jeder einzelnen, popeligen Superkraft.
Zudem gab es noch keine so verbreitete Indie-Szene, die alle möglichen Anregungen aufgenommen hat, wie Erzählen bzw. storyorientiertes Spiel mit Würfelmechaniken, Gesellschaftsspielregeln und Zufallsgeneratoren verbunden werden kann. Aus der Überarbeitung heraus kam insofern eine Korrektur, die einerseits die gröbsten Schnitzer korrigiert hat, aber keine Meilensteine der Entwicklung gezeigt hat.
Insofern stimmt es schon, dass die Unterschiede zwischen den WoDs marginal (vor God Machine) sind, wenn man andere, modernere Rollenspiele um eines der Monsterthemen (Monsterjäger, Monster-Liebesdrama, Monster und Moral, Intrigen zwischen verborgenen Monstern usw.) anschaut. Klar sind die Unterschiede zwischen den WoDs im Vergleich zu FATE (Dresden Files) oder einem World System (Monster Heart, Monster of the Week) nicht sonderlich ausgeprägt.
Trotzdem darf man aber nicht vergessen, dass auch kleine Unterschiede enorme Auswirkungen auf die Spielbarkeit haben können. Wer sein Monsterspiel mit konventionellen Regeln bespielen will, die tatsächlich zur Anwendung kommen - insbesondere im Bereich der Kampfregeln - wird da schon einen Unterschied spüren.
Was die Diskussion V:tM vs. V:tR zu ihrer Zeit angeht, bin ich übrigens der Überzeugung, dass die Regelebene vernachlässigt werden kann. Wer es gewohnt war, die Regeln zu ignorieren, hätte das auch mit den neuen Regeln gekonnt, wenn die Gruppe mitmacht. Was wirklich störte, war die Überarbeitung der Spielwelt.