Jeder der mich kennt weiß das die RPG mich schon seit längeren Beschäftigen, insbesondere die scheinbar unlösbare Frage nach 'guten' Rollenspielen. Die gängigen Meinungen lauten hier zu das es a.)Geschmackssache b.)die Regelqualität oder c.)die Präsentation ist, die ausschlaggebend sind. Eine der stärksten Fraktionen vertritt die Auffassung, das bei Rollenspiel das Spiel der ausschlaggebende Teil ist. Dabei wird das Spiel durch die Regeln definiert. Der große Kampf der Indie Rollenspiele setzte auch genau an dieser Stelle mit dem Kampfruf:“System does matter“ an.
Was wäre wenn das der vollkommen falsche Ansatz wäre?
Wenn tatsächlich die Spielregeln der relevante Teil von Rollenspielen wären, warum sind dann Systeme wie Das Schwarze Auge, D&D, Warhammer oder Pathfinder so beliebt? Was unterscheidet diese System so sehr von qualitativ besseren Spielen? Die Antwort lautet Werbung. Alle diese Systeme fahren massiv Werbung durch eine Masse von Produkten und Öffentlichkeitsarbeit. D&D ist Teil der Popkultur geworden. Und was verkauft uns die Werbung?
In einem TedTalk über die Frage warum der Mensch erfolgreich ist und nicht etwa die Schimpansen, führte der Redner als Gründe die flexible Sozialstruktur in der Masse und die Teilbarkeit von Ideen an. Wie in der Zigarettenwerbung verkaufen uns die Rollenspiele nicht die Realität die am Spieltisch stattfindet. Es werden die Ideen der Selbstverwirklichung, der Entscheidungsfreiheit und des Heroismus verkauft. Genau wie bei Zigaretten kann man daher stundenlang über den Geschmack und das Aussehen streiten, ohne jemals ein Mal die wirklichen Hintergründe anzusprechen. Vergleichbar ist auch der Verleugnungsfaktor der tatsächlichen Ereignisse. Kein Raucher, es sei denn er möchte aufhören, führt sich ständig die Folgen, die ausschließlich negativ sind, vor Augen. RPG haben in der Regel, zum Glück, keine tödlichen Folgen. Aber wie viele verbringen Stunden, Tage, Wochen, Monate und sogar Jahre damit zu auf einen Moment zu warten ihren Spieltraum zu erleben, ohne das etwas passiert? Das ist fast so wie die Heilsversprechen der Religionen. Und mit ähnlichen Fanatismus wird die eigene Position verteidigt.
Vorsichtig ausgedrückt macht das eine Diskussion schwierig, da über die völlig falschen Punkte gestritten wird. Was ist die Lösung? Brauche ich einfach ein RPG das seine Werbeversprechen am besten einhält? Oder schließe ich mich der Masse an? Herdentrieb hat auch seine Vorteile. Oder einfach dagegen, je Obskurer und Indie, desto besser?
Leider gibt es keine so einfache Lösung. Während Menschen zwar großartig Ideen teilen können, gibt es keine zwei Menschen die eine identische Meinung hätten. Sehr großartig zu beobachten in Religionen (oder bei Fussballfans) die Dogmen haben. Ideen können stabil sein, die Meinungen über sie nicht. Sie verändern sich ständig und sind tausenden von Faktoren unterworfen. Ob es Kultur, Zeitgeist, das Wetter oder die Bildzeitung ist, Meinungen über Ideen werden immer aufs neue geformt. Daher kann das hippe Spiel aus denn 90' heute keinen hinter den Ofen mehr hervorlocken. Außer man bringt dasselbe Spiel in einer neuen Verpackung heraus und macht Werbung das alles anders und doch alles wie immer ist. Sind die 1000+ Bücher von D&D 3ed wirklich schlechter als die 300+ von Pathfinder? Selbst Fans sagen das sich außer dem Anstrich nichts geändert hat. Trotzdem ist D&D 3ed tot und Pathfinder erfreut sich großer Beliebtheit. Paizo (Pathfinder) verkauft auch keine innovativen Regelsysteme, sie verkaufen Kundenservice. Wer Pathfinder kauft, dem wird suggeriert er kann jeder Zeit den Chef sprechen wenn ihm ein Furz quer sitzt. Die Zusatzprodukte die die Bequemlichkeit im Spiel erhöhen sollen sind Bestseller. Wie bei Apple bezahlt man gerne mehr für die Exklusivität des gehobenen Spiels. Paizo waren die ersten mit einem Abonnentenmodell für Abenteuer, Regeln und Zusatzprodukte. Die anderen Großen haben sofort nachgezogen. Die ganzen öffentlichen Betatest von D&D, DSA, Pathfinder und Warhammer sind ausschließlich auf dem Gedanken des Wir-kümmern-uns-um-euch entstanden. Das ist PR, nichts Anderes. Aber die Spieler fühlten und fühlen sich abgeholt und jauchzen vor Glück. Das im Schlussendlichen sie genauso wenig sagen über den Inhalt haben wie die Jahre zuvor ist noch nicht durchgesickert.
Kein Mensch kann sich gegen Werbung wehren. Wer was Anderes behauptet lügt. Das ist wirklich so einfach. Aber was wir können ist uns dessen bewusst zu sein. Nur Bewusstsein kann zu bewussten Entscheidungen führen. Macht das die Sache einfacher? Meine Rollenspiel Sammlung spricht dagegen. Gerade beim Thema Star Wars kaufe ich eine Idee von der ich weiß das sie dem Jungen vor 30 Jahren gehört und nicht mir, hier und heute. Gegen besseres Wissen versuche ich erneut dahin zu gelangen. Zum Glück habe ich nicht mit dem Rauchen angefangen.
Dennoch plädiere ich an dieser Stelle der Idee zu folgen und nicht den Spielregeln. Wenn sich eine Gruppe sich auf die Idee verständigen kann, kann sie beginnen diese umzusetzen. Es ist richtig das die bestimmte Spielregeln das positiv unterstützen, aber sie sind zweitrangig. Viele glückliche D&D und DSA Gruppen beweisen das. Was aber tödlich ist für den gemeinsamen Spielspaß ist die Annahme das die Werbung ihre Versprechen einhält. Oder ist jemand durch das Rauchen von Zigaretten attraktiver, lässiger oder freier geworden?
Die Frage lautet also: Was will ich?
Und: Wie kann ich meine Idee mit anderen Teilen?
So einfach sich das anhört, so schwierig ist die Beantwortung dieser Frage. Denn meistens glaube ich nur zu wissen was ich will. In dem Rollenspielratgeber Odyssee wird einfach gesagt, frage deine Spieler nach dem was sie wollen – gehe davon aus das sie dich anlügen, bewusst oder unterbewusst. Hart, aber aus meiner Erfahrung zutreffend. Ich persönlich erzähle gerne das es mir um die Story geht, aber wenn nach 20 Minuten nicht der erste Kampf ansteht, werde ich hibbelig. Das verlangt von dem Gastgeber und/oder Spielleiter dann auch noch ein Studium in Psychologie. Alternativ kann man auch Jahre damit verbringen ständig neue Spieler zu suchen.
In der Praxis tritt dann das Trial & Error, oder Versuch macht Kluch, ein. Man geht solange die Systeme durch, bis die Majorität der anwesenden Spieler freudestrahlend die eigene Runde für legendär erklärt. Da das nur mit System X eintritt, lautet die Schlussfolgerung das System X das Beste der Welt sein muss. Tatsächlich wäre es einfacher nach den Gemeinsamkeiten der Ideen der Spieler zu schauen. Es ist kein Zufall das Vampire the Masquerade viele Frauen angesprochen hat. Das zum ersten Mal in einem amerikanischen Regelwerk nackte Brüste zu sehen waren, hat nicht zur Ablehnung der männlichen Spielergemeinschaft geführt. Uups, da war sie wieder die Werbung. In der Tat war später einer der größten Kritikpunkte von der WoD das sie ihre Versprechen aka Fluff vs. Crunch, nicht eingehalten hätte. Wie hätte sie auch? Vampire spielen ersetzt keine Diät. Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen das die Ideen die in dieser Zeit an dem Spieltisch geteilt wurden, maßgeblich für mein Leben waren. Aber sie sind heute nicht mehr. Je älter man wird desto besser erscheint einen die Vergangenheit, die Gegenwart enthält immer weniger positive Änderung und die Zukunft bringt Schrecken. Solche Ansichten sind in den Papyri der Ägypter vor 5000 Jahren und in den Reden der Philosophen vor 2000 Jahren festgehalten. Jede Generation die älter wird wiederholt wie ein Mantra diese Gedanken. Jede nachfolgende Generation beweist das Gegenteil, bis sie die Älteren werden. Die vorherrschende Generation der Rollenspieler sind jetzt die Älteren. Wie bereit ist man selbst, liebgewonnene Ideen zu überdenken und neue Ideen anzunehmen? Wie hoch ist Bereitschaft heraus zu finden welche Gemeinsamkeiten die Ideen der 'neuen' Generation mit den Eigenen hat?
Es mag dem Leser so erscheinen das ich über die Dinge jammere. Das wäre aber ein Missverständnis. Es gibt universelle Ideen, wie der Held/die Heldin, wo sich alle treffen, die RPG spielen. Die meisten Spieler sind willig und interessiert daran, das ein Spielabend zum Erfolg wird. Dennoch gibt es kein Rezept das einen Spielabend zum Erfolg macht. Nur macht es meiner Meinung nach wenig Sinn über Qualität und Finesse des Gemüse Zubereitens und der Kochgeräte zu sinnieren, wenn die Gäste Fleisch haben wollen. Jeder kann also helfen wenn er klar und deutlich seine Idee vom Spiel vermittelt. Je mehr Einigkeit durch Kompromissbereitschaft bei der gemeinsamen Idee besteht, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit das der Spielabend erfolgreich wird. Die Regeln werden zweitrangig.