Ich wollte mal für alle Interessierten ein Update geben: Mittlerweile habe ich MAGUN gelesen und ein Oneshot geleitet, sodass ich jetzt eine detailliertere Meinung dazu abgegeben kann. Ich hoffe, dass das auf Interesse stößt
Setting
Das Setting nimmt ungefähr 146 Seiten in Anspruch und hat mich restlos überzeugt. Es gibt zwar eine ganze Menge Klischees, aber diese werden stets kunstvoll gebrochen. Dadurch unterscheidet sich die Welt von Magun deutlich vom üblichen Fantasy-Angebot, obwohl zugestanden wird, dass man eine feudale, an das Mittelalter angelehnte Welt anbieten möchte.
Es gibt eine sehr reichhaltige, liebevolle Entstehungsgeschichte, die knappgehalten ist, und in meinen Augen sehr spannende Kosmologie bildet. Diese wird auch noch einmal alleinstehend aufgearbeitet.
Mich begeistert besonders die Aufarbeitung von Geistern, Dämonen und das, was vielleicht am besten „Seele“ genannt wird. Dabei sind Geister und Dämonen zunächst neutral – es gibt zwar böse Dämonen, ebenso wie gute, aber das ist individuell und unter den mächtigsten Dämonen sind manche sogar den Göttern gleichgestellt.
Die Geister sind eng verzahnt mit der Magie in Magun, die darauf basiert, Geister anzulocken und zu befehlen. Ich finde, dass sich da auf jeden Fall ein Blick drauf lohnt, weil Magie dadurch erklärt wird und sich in meinen Augen stark von anderen Rollenspielen unterscheidet. In meinen Augen ist dieser Unterschied sehr spannend und positiv.
Auch die Völker von Magun stecken voller Highlights. Zugegeben sind die Menschen natürlich Menschen, aber die anderen sechs spielbaren Völker gefallen mir unheimlich gut. Bei zwei Völkern hatte ich Hochelfen und Orks im Hinterkopf, als ich deren Beschreibung gelesen habe. Allerdings wäre es in meinen Augen sehr danebengegriffen, sie einfach gleichzusetzen. Sie unterscheiden sich letztlich dann doch sehr von klassischen Hochelfen bzw. Orks.
So haben mich die Szarithan'en anfänglich etwas an Orks erinnert: ein kriegerischer, fast barbarisches Volk, die das Kampfgeschick ihrer Mitglieder ehren. Allerdings ist das Volk im Unterschied zu den klassischen Orks auf seine Art hochgradig zivilisiert und deutlich sozialverträglicher, als ich es von Orks gewohnt bin. Letztlich bin ich von dem Vergleich auch sehr schnell wieder abgekommen.
Sehr gut finde ich auch den Umfang des Settings. 146 Seiten sind zwar recht viel Input, aber was darinsteht, ist auch für die Gegenwart von Magun relevant und hat mir viele Abenteuerideen geboten.
Regeln
Die Regeln waren beim ersten Lesen etwas verwirrend und bei der Charaktererschaffung war ich ein paar Mal verwirrt, weil die Ordnung im Regelwerk von gewohnten Schemata abweichen. Gerade bei den Kampfregeln, die ja traditionell noch einmal viel Komplexität mit sich bringen, haben mir anfänglich Sorgen bereitet.
Nach meiner Testrunde und vier gebauten Charakteren bin ich aber zur Entwarnung gekommen. Die Regeln sind in der Praxis ziemlich eingängig. Ein paar Details muss ich noch nachschlagen, ob ich sie nicht falsch gehandhabt habe, aber war für mich bei jedem anderen System ebenso. (Selbst bei Savage Worlds muss ich nach über zwei Jahren Spielleitererfahrung regelmäßig etwas kampfrelevantes nachschlagen.)
Im Grunde würfelt man einfach unter seinen Wert. Dabei sind gewürfelte 1er immer erfolgreich, während gewürfelte 20er immer fehlschlagen. Dazu kommen Modifikatoren, die den Zielwert verändern. Die größte Sorge hier waren ja die IEP. Das sind Punkte in Höhe der Differenz zwischen Zielwert und Würfelergebnis, die man bei einem erfolgreichen Wurf sammelt. Es gibt dann Tabellen für die Fertigkeiten, die IEP-Kosten bestimmen, mit denen man sein Ergebnis individualisieren kann.
Die Sorge war ja, dass man da in ziemliches Kleinklein verfällt und das die Abwicklung eines Wurfs unheimlich lange dauert. Mit meiner Erfahrung kann ich das nicht bestätigen. Im Gegenteil. Beispielsweise erfährt man beim Spurenlesen für 0 IEP, von welchem Tier/Wesen eine Spur ist. Für jeweils 2 IEP steht eine Auswahl an Fragen zur Verfügung, aus denen man auswählen kann, welche der Spielleiter beantworten soll (und muss).
Spurenlesen kam mehrmals vor und konnte immer recht zügig abgehandelt werden. Bei anderen Fertigkeiten usw. ebenso. Mit zunehmender Erfahrung sollte sich das weiter beschleunigen und selbst bei komplexen Fertigkeiten und magischen Ritualen zügig abzuhandeln sein.
Magie
Magie fand ich etwas gewöhnungsbedürftig. Es gibt fast keine Zauber, wie man sie normalerweise gewohnt ist. Im Grunde gibt es „Grundfertigkeiten“, „Rituale“, „Zauber“ und besondere Formen wie die Magie der „Barden“ oder die „Tattoos“ der „Streiter“. (Streiter sind vielleicht am ehesten mit Paladinen zu vergleichen, obwohl der Vergleich zwischen Magun und „üblichem“ Fantasy auch hier – wie meistens – hinkt.)
Die Zauber sind wenige und im Verhältnis zum klassischen Zauber eher Kleinigkeiten. Die Grundfertigkeiten sind am eher mit klassischen Zaubern zu vergleichen. Vielleicht erklärt sich das am besten an einem Beispiel:
Die Grundfertigkeit ist so eine Art einfachster Umgang mit Geistern, den der Magi beherrscht. So lockt der Luftmagi Luftgeister an, die er an ein Objekt bindet (das Objekt kann auch gewechselt werden, solange der Geist gerufen ist). Dieses Objekt bewegt der Geist auf Kommando des Luftmagis. Dabei ist es auch möglich, Luftmagie zum Kämpfen einzusetzen indem man quasi Dinge auf Gegner wirft oder den Geist entfesselt, sodass er eine Bresche schlägt und dem Feind alles entgegenschleudert, was sich in dieser Bresche befindet.
Die Grundfertigkeit eines Feuermagi bzw. eines Gleris (im entferntesten Sinne mit einem Kleriker zu vergleichen – sehr hinkender Vergleich) erlaubt hingegen Geister und Dämonen zu kontrollieren, die man selbst nicht gerufen hat und sie zu bannen, also auf ihre Ebene zurückzuwerfen.
Das stärkste Standbein der Magie sind allerdings Rituale und die besondere Magie von Barden usw. Allerdings dauern viele davon länger als man es gewohnt ist. Es gibt zwar auch eine Reihe von Ritualen, die direkt im Kampf verwendbar ist, viele Rituale dauern aber länger, sodass Magie zu mehr wird als eine Kampfform. Mir gefällt das ziemlich gut.
Ich bin bei der Vorbereitung etwas auf die Nase gefallen, weil ich noch großspurig zu einem Spieler meinte, ich würde im so etwas wie einen Priester bauen und dem anderen dann einen Kampfmagier. Das, was Magun bietet, unterscheidet sich dann doch etwas, wenn man sich an den gewohnten, sozialen Rollen orientiert. In meinen Augen machen diese Brüche mit den Klischees Magun aber spielenswert.
Trennung von Magie und Krieger - Klassen
Vielleicht, weil das im Vorfeld kritisiert wurde, dass Magier keine Kampfspezialisierungen und Krieger keine Magie lernen können noch ein Wort dazu:
In meinen Augen ist das weder schlimm, noch mit einem Klassensystem zu vergleichen. Es stimmt zwar, dass man sich bei der Charaktererschaffung entscheidet, ob man Zaubern möchte oder nicht, aber durch das Setting gibt es in meinen Augen auch wenig Anreiz dafür diese Entscheidung später zu korrigieren.
Wenn man ein magisch begabter Krieger sein möchte, gibt es im Setting und den Regeln sogar eine eigene Option, um die man seinen Charakter aufbauen kann. Ansonsten kann man im Grunde auch einfach die Magie-Option bei der Charaktererschaffung kaufen, seine sonstigen Erschaffungspunkte aber in profanere Fähigkeiten stecken und seine Magiewahl später ausbauen. Das, was Magiern verboten ist, nämlich Kampfspezialisierungen, ist im Grunde auch nichts, was man benötigen würde, um einen hervorragenden Krieger zu spielen.
Abschluss
Ich hoffe, dass das hilfreich war. Bei Fragen kann ich gerne noch etwas ins Detail gehen.
Beste Grüße
Sal