Da ich in der letzten Runde herumkritisiert habe, steuere ich diesmal der Fairness halber auch einen Text bei. Es ist allerdings ein Schuss aus der Hüfte, und über 2 Seiten sind es auch geworden, mea maxima culpa...
"Geht es noch, Jacques?"
"Aber ja doch, junger Herr – es ist nur das rostige Knie. Sie wissen ja: Im Alter werden die Glieder rostig, und man quietscht ab und an ein wenig..."Mit einer gewissen Besorgnis sehe ich in die Dunkelheit hinauf, aus der Jacques' knarrende Stimme ertönt. Nur das rostige Knie... das sagt er immer, wenn ich ihn auf dieses hässliche Knirschen und Quietschen anspreche, das ich in letzter Zeit öfter und öfter höre.
"Na gut. Aber sowie du eine Pause brauchst, sagst du mir bescheid, nicht wahr?"
"Natürlich, junger Herr. Bitte sorgen Sie sich nicht so sehr um mich. Es geht mir gut! Sie machen sich immer zu viele Sorgen. Sie haben eben eine Schmierölpumpe aus Gold, ganz wie Ihr seliger Herr Vater!"Wir nehmen unseren Spaziergang wieder auf, zwei einsame Gestalten auf der nächtlichen Straße:
Ich, der sich staatlich geprüfter Robotikingenieur schimpft und doch nicht mehr ist als ein verkrachter Erfinder. Ein erfolgloser kleiner Schrauber und Tüftler, der von Gelegenheitsarbeiten lebt, von den mageren Einkünften aus seinem einzigen jemals erfolgreich angemeldeten Patent. Handtellergroße Fegeroboter: 'Kommt garantiert in jedes Eck – der perfekte Wollmausschreck!' – Himmel, habe ich diesen saublöden Werbespruch wirklich selbst getextet..?
Und Jacques, mein treuer Begleiter, seit ich denken kann. Für den ich mir nicht einmal die nötigen Ersatzteile leisten kann!
Es gibt mir jedes Mal einen Stich, wenn ich ihn so sehe und zurückdenke. Ursprünglich war er ein Industrieroboter. Eines von diesen riesengroßen Modellen, die man auf Baustellen einsetzt, um alte Gebäude abzureißen und schwerste Lasten zu bewegen. Oder jedenfalls gehörten Großteile von Jacques einmal zu solch einem Roboter. Doch Vater hat ihn mit Teilen vom Schrott umgebaut.
Immer wenn eines seinen Dienst versagte, wurde es durch ein anderes ersetzt. Eine Greifklaue hier, eine Antenne dort, Lüfter für Jacques' Kühlmittelkreislauf (auf seine alten Tage hat er Probleme mit Hitzestaus am Reaktor entwickelt – ein typisches robogeriatrisches Phänomen, meinten die Servicetechniker bei der letzten Inspektion. Da könne man nichts machen, am besten verschrotten. Diese Stümper!), Flutlichtscheinwerfer und sogar eine alte Winde aus einem Bergekran. Für sie hatten wir noch nie Verwendung, aber Jacques trägt sie mit Stolz und poliert sie jeden Morgen, seitdem ich ihm gesagt habe, dass sie ihm gut steht.
"Reichlich kalt heute, was, Jacques?" meine ich, während wir so nebeneinander her schlendern, wobei jeder von seinen Schritten so lang ist wie zehn von meinen. Aber gleicht sich aus, denn er hat seit einiger Zeit Sorgen mit einem Scharnier an der Hüfte und zieht das Bein etwas nach.
"Ja, junger Herr, wirklich ungemütlich. Ist Ihr Mantel auch warm genug, junger Herr? Nicht dass Sie sich erkälten!"
"Danke, Jacques, es ist schon in Ordnung."Ich lege den Kopf in den Nacken, starre in den bewölkten Himmel, und irgendwo über mir gibt es ein Kreischen, das meine Zähne wackeln lässt, als Jacques meinem Blick folgt.
"Es wird wohl bald Regen geben, junger Herr."Seufzend nicke ich und stoße die Hände tief in die Manteltaschen.
"Ja, sieht so aus..."An der Ecke, kurz nach der Venusburger-Bude, begegnet uns ein Polizeiroboter. Ein Koloss aus blitzendem, fabrikneuem Stahl, der sich mit gleichmäßigen, perfekt abgezirkelten Schritten bewegt. Wie ein Uhrwerk. Kein Kratzer verunziert seine Oberfläche, sogar die Seriennummer – mit fluoreszierender Farbe aufgetragen – ist ohne jeden Makel. An der Hüfte, für den Kennerblick leicht zu finden, prangt das Siegel der kürzlich durchgeführten Inspektion. Ach verdammt, wann ist eigentlich Jacques wieder dran..?
Mein Blick wandert zu seinem verbeulten Kopf hinauf. Aus trübe flackernden Scheinwerfern starrt er den funkelnden, sichtlich fabrikneuen Kollegen an, der uns kurz mit grellweißen Neonscheinwerfern begutachtet, bevor er seinen Weg unbeirrt fortsetzt. Etwas schillert auf der Oberfläche von Jacques' linker Optik, und ich rieche Öl. Schon wieder eine undichte Stelle..?
Als wir die Straßeneinmündung ein Stück hinter uns gelassen haben und der Polizeiroboter sich immer weiter entfernt, schnarrt es über mir übergangslos:
"Sie sollten endlich daran denken, sich einen neuen Diener zu kaufen, junger Herr."
"Unsinn! Aus welchem Grund? Du erledigst alles zu meiner vollen Zufriedenheit!"Mein Protest kam wohl etwas zu hastig, denn Jacques bleibt stehen – ein Zischen, als ein kleines Dampfwölkchen aus einer defekten Hydraulikleitung an seinem Rücken schießt – und hebt den rostigen, wie von Gicht gekrümmten Zeigefinger seiner Greifhand in einer Geste, die er sich von Vater abgeschaut haben muss.
"Junger Herr," kratzt es aus seinem Lautsprecher, und irgendwie höre ich ganz deutlich diesen geduldig mahnenden Unterton heraus,
"einem Mann in Ihrem Alter ist ein modernes Modell angemessen, das Ihren Bedürfnissen besser entspricht. Die neuesten Baureihen sind sehr energiesparend und vielseitig einsetzbar! Außerdem haben sie größere Wartungsintervalle und-"
"Hör auf mit den blödsinnigen Werbesprüchen – davon will ich nichts mehr hören, Jacques! Und außerdem: Wovon sollte ich denn einen neuen Roboter bezahlen, hm?! Weißt du eigentlich, was eines von diesen sandgestrahlten, hochglanzlackierten Protzmodellen kostet?"
"Das weiß ich, junger Herr. Ich habe mir erlaubt, in meiner Garage Kataloge zu studieren, wenn Sie außer Haus waren."Ich schnappe nach Luft.
"Hinter meinem Rücken..?!""Sehen Sie, junger Herr: Es ist doch nur vernünftig. Jeder Roboter muss irgendwann auf den Ewigen Schrottplatz, wo ihn der Große Mechaniker erwartet. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich einen Reaktoranfall bekomme oder der Rostfraß mich holt. Und ich habe es genau durchkalkuliert: Wenn Sie meine Teile verkaufen, junger Herr, dann würde es für ein hübsches kleines Allzweckmodell reichen..."
"Niemals! Ich gebe dich nicht her! Vater hat dich mit seinen eigenen Händen umgebaut, und... und... ich brauche keinen neuen Roboter!"Ich muss heftig blinzeln, weil meine Augen plötzlich so brennen.
"Aber, aber, junger Herr, weinen Sie nicht!" Es wird dunkel um mich, als Jacques sich knarrend und quietschend über mich beugt und mir seine riesige Hand – eigentlich nur die Spitze seines Zeigefingers (des rostigen) – auf die Schulter legt.
"Das ist nun einmal der Weg der Dinge. Ich bin alt und schadhaft. Bald schon werde ich Ihnen nicht mehr nützlich sein können, und was soll ein Roboter in der Welt, wenn er niemandem nützt? Das ist sein Daseinszweck!"Er klopft mit blechernem Dröhnen gegen seine Brust.
"Überlegen Sie doch einmal, junger Herr: Er und ich", dabei deutet er zu dem Verkehrswächter zurück, den man nun nur noch schemenhaft sieht,
"bestehen aus den gleichen Teilen, nur dass er neu und frei von Schäden ist. Seine Systeme sind moderner, zuverlässiger und leistungsfähiger als meine. Was kann ich Ihnen bieten, das ein neuer Roboter nicht viel besser und schneller könnte?"Ich starre ihn an, suche krampfhaft nach einer Antwort und finde keine. Es schnürt mir die Kehle zu, als er sich mit einem metallischen Ächzen wieder aufrichtet. Schweigend gehen wir wieder eine ganze Weile nebeneinander her. Nur das rhythmische Knirschen in Jacques' Scharniergelenken durchbricht die Stille.
Als es zu nieseln anfängt, bleibt er zischend und knarrend stehen, und ich werfe einen besorgten Blick an ihm hoch. Sicherlich wird ihm das Regenwasser wieder Probleme bereiten, das nun in seine undichten Gliedmaßen sickert...
Doch er ist nur stehengeblieben, um aus dem Staufach an seiner rechten Brustseite einen alten Regenschirm zu holen, den er mir vorsichtig reicht.
"Damit Sie nicht nass werden, junger Herr. Sie erkälten sich doch so leicht..." erklärt er, und ich höre nichts außer ehrlicher Besorgnis in seiner blechernen Stimme.
Das trübe Licht aus seinen Scheinwerfern umfängt mich gelblichwarm. Es erhellt die Umgebung nicht halb so viel wie der weiße Neonschein des Polizeiroboters.
Aber als er mich so anschaut und sein rechter Scheinwerfer für einen Moment flackert, da fange ich an zu lächeln. Denn plötzlich weiß ich eine Antwort.