Ich könnte mehr dazu sagen, wenn du ein konkretes Beispiel nennen würdest.
Klar: Eingespielte Piratentruppe, die vieles entweder durch Intrigen und Erpressung oder Entermesser, Pistolen und Kanonen löst.
In der Runde saß das Verhandlungsgenie im Gefängnis und hat von dort aus Fäden gesponnen, während das eher martialisch fokussierte Duo losgegangen ist, Informanten suchen wollte und in Villen eingebrochen ist. (Das waren die Piraten, von denen ich in
diesem Beitrag erzählte, nur so für den Eindruck...)
Kurz zum System: Wir spielen Savage Worlds, d.h. sowas kann man einfach trotzdem versuchen, auch wenn's nicht auf dem Charakterbogen steht, nur die Erfolgschancen sind eben geringer.
Auf der anderen Seite ist es für den Spielleiter natürlich auch ein bisschen Gewöhnungssache. War das Spielverhalten der Spieler dysfunktional oder warst du einfach ein bisschen überfordert?
Ne, eigentlich nicht. Die kamen gut klar und für mich war's eigentlich recht entspannt.
Was haben deine Spieler denn gesagt, warum sie es so gemacht haben?
Es schien ihnen halt sinnvoll und machbar. Das Risiko bei einem Fehlschlag war ja auch deutlich geringer als bei brutaleren Vorgehensweisen.
Die Idee war ja auch überhaupt nicht doof.
Für mich klingt das so, als hättest du das mit einer eingespielten Truppe ausprobiert, die gesagt bekommen hat: "Heute machen wir das mal ganz anders"... und dann haben sie es eben ganz anders gemacht.
Hm, glaub ich eigentlich nicht. Die Spielerin vom Verhandlungsgenie war drauf wie immer, einer der Spieler von den beiden garstigeren Piraten war überrascht, was ich denn bitte verändert hätte, weil er davon ausgegangen ist, dass
jede Runde "ich schmeiße meine Vorbereitung weg, weil die Spieler eh was anderes machen, und improvisiere von da an" angesagt sei (ich hatte mal erwähnt, dass ich in der Runde oft meine Vorbereitung ignoriere und das trotzdem wunderbar läuft, weil die Spieler so gut drauf sind – daher kam ja auch die Idee, erst gar nichts für die Tonne vorzubereiten
)
Wenn du dir selbst eine Lösung überlegt hast, dann nutzt die Gruppe die eigenen Stärken? Und wenn du dir keine überlegt hast, dann gurken sie plötzlich rum?
Das kommt mir seltsam vor, und ich frage mich unwillkürlich, ob du die Gruppe bisher sehr stark geführt hast auf der Suche nach einer Lösung. Kann es sein, dass sie an "Musterlösungen" gewöhnt sind und daher jetzt erst einmal in einer Lernphase sind?
Hm, das würd ich so nicht sagen. Die überraschen mich netterweise schon gern und setzen ihre Stärken anderweitig ein, ich nutze an vielen Abenden recht wenig von der Vorbereitung, die ich als Sicherheitsnetz dabeiliegen habe. Aber normalerweise schaue ich eben danach, dass die Stärken der einzelnen Gruppenmitglieder auch mal zur Geltung kommen
können.
Einfach mal zwei Beispiele aus der Gruppe:
- Ein langjähriger Kamerad des charismatischen Kapitäns* hat für die Gruppe interessante Informationen. Erwartet: Kapitän verhandelt mit seinen Kollegen. Passiert: Faustkampf, der mich eher an die Donnerkuppel denken ließ.
- Ein anderes Piratenschiff transportiert etwas Wichtiges. Erwartet: Verfolgungsjagd auf See + Enterkampf. Passiert: Verfolgung bis zum Piratenhafen mit heimlicher, nächtlicher Aktion. Der Großteil der Gruppe ist weder gut im Schleichen noch toll im Schwimmen, war dann also doch ein ziemliches Feuerwerk mit ordentlich NSC-Verlusten auf der Spielerseite.
*anderer Spieler und SC als jetzt
Hatten die Spieler Spaß? Dann war es wohl nicht dysfunktional.
Spaßig war's! Ich eiere nur herum, ob sie nun
trotz oder
wegen meiner Leitung Spaß hatten.
Davon abgesehen muss man sich auch die Frage stellen, ob es überhaupt vornehmlich darum gehen soll, dass die Spieler Herausforderungen überwinden, oder ob der Fokus vielmehr darauf liegt, was für Folgen der Umgang der Spieler mit den Herausforderungen überhaupt hat. Liegt der Fokus auf letzterem, ist es sowieso kein Problem mehr, wenn die Spieler suboptimale Vorgehensweisen an den Tag legen. Das macht die Sache im Endeffekt nur interessanter. Wichtig ist hierfür aber, dass man das Fail forward-Prinzip verstanden hat, dass also auch der Misserfolg zu interessanten Ergebnissen führt und die Geschichte weiter treibt, anstatt einfach im TPK zu enden.
Das ist natürlich ein interessanter Gedanke, der wunderbar den Ansatz, die Spieler einfach mal machen zu lassen, unterstützt.
Ich denke auch, für deine Gruppe ist das vermutlich einfach noch ungewohnt.
Für meine wäre es tatsächlich auch andersherum ungewohnt.
Da gibt es idR. ein Problem, und die Spieler lösen es selbst.
Es geht da weniger um" findet meine Lösung", sondern um "findet eine Lösung".
Und jetzt kommts: das Ergebnis kann ein anderes sein, als ich erwartet habe.
Oder es kann zwar das sein, das ich erwartet habe, aber auf völlig anderem Weg erreicht werden.
Lass dich überraschen.
Erfolg ist auch nicht garantiert. Scheitern ist auch eine Möglichkeit. Und manchmal eine wichtige Erfahrung.
A la... Ok, das hat nicht funktioniert, probieren wir was Neues aus, bzw. versuchen wir es anders.
Nimm dein Abenteuer, oder den Verlauf, wie du ihn dir gedacht hast nicht so wichtig, dann funktionierts.
Oh, so leite ich eigentlich immer. Normalerweise mache ich mir nur vorher darüber Gedanken, ob es für diese Gruppenzusammensetzung einen sinnvollen Weg gibt, das Problem überhaupt zu lösen und wie das Abenteuer weitergehen würde, wenn sie bei diesem Lösungsansatz scheitern. Ob sie nun diesen Lösungsansatz nehmen oder einen völlig anderen, ist mir dann im Spiel sehr egal. Dass die Gruppe irgendetwas völlig anderes macht, als ich dachte, ist in meinen Runden standard und auch so gewollt, einen Abenteuerverlauf bereite ich gar nicht erst vor. Die Hauptpersonen spielen aus meiner Sicht die Spieler, die entscheiden daher auch, wo das ganze langgehen soll.
Einer Gruppe, die auf Kämpfen, Schießen und Seefahrt fokussiert ist, würde ich dementsprechend kein Detektivabenteuer in der Wüste vorsetzen, wenn sie nicht explizit sagen, dass sie trotz ihrer Charaktere auf so etwas Lust haben. Da die Gruppe aus dem Beispiel aus Piraten besteht und die mir z.B. sagen "wir wollen Schätze, Schiffskämpfe und Intrigen" gibt's etwas aus dem Menü.
Ich verstehe gar nicht so recht wie das normal bei dir aussieht? Du hast dir doch eine Problemstellung überlegt und dann darauf aufbauend selbst überlegt wie es laufen kann.
Nein, ich habe mir nur eine Problemstellung überlegt. "Der Kapitän sitzt wegen Mordes im Gefängnis, aber er war es nicht." (...also, es steckt natürlich mehr dahinter und geht auf die Hintergrundgeschichte und die Motivation des Kapitäns ein etc. blabla, aber darum geht's bei der Problemstellung ja nicht, weil die anderen SCs davon sowieso nichts wissen)
Wie die den da jetzt rauskriegen, hab ich mir absichtlich
nicht überlegt. Und wenn die's nicht geschafft hätten, wär mir danach schon was eingefallen, wie's weitergehen würde. Aber ich hab den Gedankengang da genau nicht weitergeführt. Vorbereitet war nur: Wer war es, wie hat er's gemacht und warum hat er's getan? Und selbst das hätte ich fröhlich ignoriert, wenn's die Spieler nicht interessiert hätte und die SCs das Gefängnis aufsprengen, um ihren Kapitän zu befreien und abzuhauen.
Helfen dir meine Ausführungen im Eingangspost und meine Antwort an Issi? Sonst kann ich später auch mal ein Beispiel fabrizieren.
Hm, jetzt reden wir doch die ganze Zeit über meine Gruppe statt über Vorbereitungstheorie. Hätte wohl die Zeile im Eingangspost nicht in Klammern setzen sollen