Nachdem ich vor einer Weile das Glück hatte, Spherechild auf dem Kurpfälzer Rollenspieltreffen (KURT) auszuprobieren, und sofort vom System und der Idee begeistert war, habe ich vor kurzem selbst ein Spherechild-Abenteuer geleitet. Dabei habe ich das System dann nochmal »richtig intensiv« kennen gelernt -- sofern das im Rahmen eines 30-seitigen Introheftes geht. Hier ein kleiner Erfahrungsbericht:
Zunächst einmal zum Spiel selbst. In Spherechild geht es darum, Abenteuer zu erleben, die nicht nur auf einer, sondern auf mehreren Welten (Sphären) spielen. Die Charaktere müssen auf mehreren Welten Dinge erledigen, können die Welt jedoch nicht wechseln, und so brauchen sie die Hilfe der Menschen auf der anderen Welt. Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen: Frodo soll den einen Ring vernichten, braucht dabei aber die Hilfe von Luke Skywalker, der in seiner Welt vom Imperator erfahren muss, wo der Schicksalberg liegt, damit Frodo sein Altmetall dort loswerden und somit die Welt retten kann. Die Spielercharaktere, die sogenannten Sphärenkinder haben je einen Bruder auf der anderen Welt, zu dem sie so etwas wie eine telepathische Verbindung besitzen, und so sphärenübergreifende Missionen koordinieren können. Im Beispiel sind das Luke und Frodo.
Für die Spieler heißt das, sie haben einen Charakter für die eine Welt und einen zweiten Charakter für die anderen Welt. Der erste wird in seiner Welt solange gespielt, bis auf der anderen Sphäre, also außerhalb des Einflussbereiches dieses Charakters, etwas erledigt werden muss. Dann spielt man den zweiten Charakter in dessen Welt. Und sobald man die zu erledigende Sache auf der zweiten Sphäre erledigt hat, geht es wieder auf der ersten weiter. Und so weiter und sofort. Simpel gesagt: Wo die Action ist, da wird gespielt. Das kann zum einen viel Spannung erzeugen. Beispielsweise befinden sich die Charaktere in einem Raum, der mit Wasser geflutet wird, und werden ertrinken, wenn ihre Kameraden auf der anderen Sphäre nicht rechtzeitig das Passwort für die Tür finden und ihnen mitteilen. Zum Anderen bringt der Wechsel auch viel Abwechslung mit sich. Im Introheft spielt man beispielsweise auf einer Mittelalter-Fantasy-Sphäre und auf einer Sci-Fi-Sphäre. Andere Szenerie, andere Geschichte, andere Welt, aber auch andere Charaktere. Man könnte einen Zauberer auf der einen und einen Schmuggler auf der anderen Sphäre spielen. Das lockert das Abenteuer auf.
Die Regeln sind dabei sehr einfach und intuitiv gehalten. (Jedenfalls die Grundregeln. Das Grundregelwerk, in das ich einen Blick werfen durfte, enthält noch jede Menge kompliziertere Regeln, aber die sehe ich eher optional.) Gewürfelt wird mit W20 (für Fertigkeitsproben) und W6 (für Schaden und sonstiges). Bei den Fertigkeitsproben wird einfach der Gesamtwert der Fertigkeit zum Wurf gezählt. Angriffe sind ein bisschen komplizierter, aber auch nicht viel. Im Grunde laufen sie ab wie in D&D, mit dem Unterschied, dass man (als Ziel) auch bei der Abwehr würfeln darf, und dass man die Punkte, die man beim Angriffs- oder Abwehrwurf addiert, zwischeneinander hin- und herschieben, und somit etwas taktischer vorgehen darf. Man könnte ganz auf Angriff gehen, wird aber leichter getroffen. Andersherum sich besonders auf die Abwehr konzentrieren. Oder die Punkte moderat verteilen.
Diese Freiheit gilt auch für die Charaktererschaffung. Es gibt Völker und Hintergründe, die die Höhe der Eigenschaften (Stärke, Intelligenz, et cetera) beeinflussen und einige Fertigkeiten zu Beginn geben. Aber abgesehen davon, wird alles selbst gewählt und verteilt. Wie gewichte ich meine Attribute? Was für Fertigkeiten will ich noch, oder will ich welche, die ich schon habe, verbessern?
Und diese Freiheit gilt insbesondere für die Magie. Es gibt nämlich keine fertigen Zauber wie sonst, sondern man baut diese selbst. Spontan und individuell. Mithilfe zweier Tabellen können Stärke, Reichweite, zusätzliche Effekte, et cetera et cetera kombiniert werden. Je nachdem, wie man das anstellt, kommt ein höherer oder niedrigerer Wert heraus, den man dann mit einem Würfelwurf erreichen muss. Schafft man das, hat man erfolgreich gezaubert. Zum Beispiel kann mein Zauberer einen Zauber sprechen, der sehr viel Schaden macht, aber nur eine Reichweite von fünf Metern besitzt. Oder einen, der weniger Schaden macht, aber dafür auch noch den Bogenschützen in 50 Meter Entfernung grillt.
Die Zaubertabellen sind leider nicht im Introheft enthalten, das hätte in der Tat den Rahmen gesprengt, stattdessen sind einige Zauber vorberechnet, aber ich konnte die freie Magie von Spherechild beim KURT in Akion erleben. Schon allein deswegen fand ich das System großartig. Damals hat ein Zauberer einen Tunnel aus Luft erschaffen und perfekt an den See (durch den wir mussten) angepasst. Ziemlich cool. Wir sind trocken geblieben.
Das Introheft fasst die Grundregeln sehr kompakt zusammen und hat es mir ziemlich leicht gemacht, das darin enthaltene Abenteuer selbst zu leiten. Dazu muss ich sagen, dass ich vorher nur ein einmal 90 Minuten lang improvisiert D&D geleitet habe, und daher so gut wie keine Erfahrung als Leiter hatte. Und trotzdem hat es hervorragend funktioniert. Also macht es seinen Job vermutlich sehr gut.
Das Abenteuer ist fünf Seiten lang, relativ kompakt geschrieben, kommt mit vorgefertigten Charakteren daher und lässt je nach Geschmack auch Spielraum für einige Veränderungen und Verlängerungen. Es ist als One-Shot angesetzt, aber wir (sechs, dann sieben Spieler) haben zwei Sitzungen gebraucht. Das lag jedoch vor allem daran, dass ich ordentlich Material ergänzt habe. Das Abenteuer ist relativ simpel gehalten, verdeutlich aber gut die Grundidee von Spherechild.
Wir hatten alle ziemlich viel Spaß, genau wie bei meinem Spieler-Erlebnis beim KURT. Der siebte Spieler am zweiten Abend war übrigens ein Mitspieler von genau dieser Runde beim KURT, der sofort mitmachen wollte, als er hörte, dass ich eine Runde leite.
Und zwei der anderen Spieler hatten vorher noch nie ein P&P-Rollenspiel gespielt, sind aber trotzdem ziemlich gut mit den Regeln und den Würfeln klar gekommen.
Das Introheft gibt es übrigens kostenlos auf der Website von Spherechild, falls jemand mal einen Blick hineinwerfen möchte. Zusammen mit weiteren fertigen Charakteren, die den Einstieg erleichtern.
Soweit zu meinen Erfahrungen nach einmal Spielen und zweimal Leiten von Spherechild. Ich kann jedem nur empfehlen, das System mal anzugucken beziehungsweise auszuprobieren. Selbst, wenn euch die Hintergrundgeschichte der Sphären oder das Springen zwischen ihnen nicht zusagt, ist allein das Regeltechnische einen Blick wert und sehr inspierierend.