Einige der Vorposter haben ja schon darauf hingewiesen, es kommt ganz stark darauf an, wie man den Begriff "Verbrecher" definiert. Wenn ausreicht, gegen ein Gesetz oder eine Regelung zu verstoßen, dann funktioniert so eine Gesellschaft ganz gut, wie man vor unserer eigenen Haustür sieht. Ich behaupte einfach mal, dass es in Deutschland keinen Menschen über fünf Jahren gibt, der nicht mindestens einmal (wissentlich oder unwissentlich) Gesetze übertreten hat.
Wenn man den Begriff Verbrecher aber auf schwerwiegende Delikte eingrenzt sieht das wiederum anders aus. Rio de Janeiro wurde schon genannt, wobei da auch nicht jeder ein Verbrecher ist, sondern einfach nur ein erhöhter Anteil der Bevölkerung. Ich könnte mir auch vorstellen, dass beispielsweise eine Gesellschaft, in der alle klauen, auf Dauer funktioniert. Man darf halt nur nicht die moralischen Maßstäbe, die wir an unsere Gesellschaft stellen, als Maßstab nehmen. Beispielsweise müsste in einer Gesellschaft, in der jeder klaut, ein besonders herausragender Dieb ein höheres Ansehen haben, einfach weil seine Fähigkeiten von der Gesellschaft wertgeschätzt werden. Wahrscheinlich hätte man auch ein ganz anderes Verhältnis zum Eigentum - wenn ich ständig damit rechnen muss, dass mir etwas weggenommen wird, und ich gleichzeitig aber auch in der Lage bin, mir es jederzeit wiederzubeschaffen, ändert sich der Stellenwert, den Eigentum in meinem Leben hat. Das setzt aber eine Gesellschaft voraus, in der "stehlbares Gut" im Überfluss vorhanden ist. Wenn es diesem Gut aber mangelt und es eines der Grundbedürfnisse abdeckt (nehmen wir eine Gesellschaft an, in der Lebensmittelknappheit herrscht), dann landet man zwangsläufig bei dem Recht des Stärkeren und irgend einem Szenario, in dem sich die Leute zu Gruppen zusammenschließen, um ihr Eigentum besser schützen zu können.