Bis April diesen Jahres hatte ich eine ein Jahr lang laufende D20-Modern-Kampagne geleitet, für die wir uns alle zwei Wochen getroffen hatten. Die Gruppe bestand dabei aus Weltenbummlern und Entdeckern, die im ausgehenden 19. Jahrhundert nach Atlantis suchten. D20 Modern selbst kenne ich mittlerweile aber auch schon ein paar Jährchen und hatte es bereits häufiger für diverse Einsätze – meist Oneshots – ausgekramt.
Das Wealth-System mochte ich auf dem Papier eigentlich immer ganz gerne. Ich muss kein Geld tracken, sondern habe einen abstrakten Wert, der für meinen Reichtum steht? Immer her damit! In der Spielpraxis hatte sich das dann bei mir leider irgendwie nicht bewährt. Das lag vermutlich aber auch stark an dem gespielten Setting. Die Ausgaben waren nicht für Waffen oder Ausrüstungsgegenstände, sondern eher für Transportmittel (sie hatten sich ein Luftschiff angemietet) und dergleichen. Aber gut, die Ausrüstung der Gruppe stand ohnehin nie wirklich im Fokus.
Was ich an D20 Modern mag:
Die Settings
Gerade D20 Past hat für mein Dafürhalten ein paar wirklich interessante Ideen. Eine Piraten-/Entdeckerkampagne im 15./16. Jahrhundert, bei der europäische Hexenmeister auf eingeborene Schamanen stoßen, während Seeschlangen ganze Flotten auseinandernehmen. Ein „Prequel“ des coolen Shadow-Chasers-Settings im späten 19. Jahrhundert inkl. grabräuberverfluchender Mumien, Gothic-Horror-Monstern, Mesmeristen und Medien. 1920er-Pulp. Für mich sind das allesamt spannende Kampagnenhintergründe, die dazu ansprechend präsentiert werden. Statt elendig langer Beschreibungen gibt es knackige Fluff-Texte und einen guten Crunch-Anteil, mit dem ich die Settings super umsetzen kann.
Andere Setting-Bände (D20 Future, Urban Arcana) habe ich zumindest überflogen. Ich war davon allerdings nicht so ganz angefixt. Trotzdem: Die Präsentation mag ich sehr gerne. D20 Future wollte ich mir sogar immer mal genauer ansehen, weil ich noch nach einem Go-To-SciFi-System suche (aktuell liebäugle ich dahingehend mit Forge Engine und Tiny Frontiers).
Auch die Mini-Settings im Polyhedron fand ich mitunter echt witzig. Hijinx (die SC spielen Mitglieder einer Teenie-Band, die ganz in der Tradition der Monkees in absurde Abenteuer verwickelt werden) habe ich sogar mal angetestet. Das war schon echt witzig. Diese Settings zeigen meiner Meinung nach auch ganz gut, wie flexibel das D20-System ist.
Die Charakterklassen
Am Anfang wird mein Charakter über sein stärkstes Attribut bestimmt, ist also im Prinzip ein Typ von nebenan. Nur etwas fähiger. Nach ein paar Abenteuern wird er dann ein „richtiger“ Held mit eigener Advanced Class, die ihm spezialisiertere Fähigkeiten gibt. Und wenn ich möchte und mich in einer Organisation o.ä. hocharbeite, kann ich sogar noch auf eine Prestige Class zurückgreifen. Schade an der Stelle finde ich allerdings, dass das Konzept „Prestige Class“ im Grundregelwerk mit genau 0 Wörtern vorgestellt wird. Das kommt dann erst in den Setting-Bänden vor. Zumindest im Setting-Teil des GRWs hätten sie da auch ein paar Prestige Classes reinbringen können.
Die Starting Occupations
Jeder fängt mal irgendwo „im echten Leben“ an. Du wirst nicht als Geheimagent oder Superwissenschaftler geboren. Stattdessen musst du erstmal einen Beruf erlernen. Genau das wird mit den Starting Occupations umgesetzt. Das ist ein klein wenig Realismus, der aber nicht ausufert. Eine kurze Beschreibung, ein paar Anpassungen der Spielwerte, das war’s. Solche Details, die sich nicht in den Vordergrund drängen, mag ich irgendwie.
Es ist D20
Das mag trivial erscheinen, ist für mich aber ein entscheidender Pluspunkt. Ich bin seinerzeit mit D&D3 zum Rollenspiel gekommen. Mit D20 Modern hatte ich dann ein System, das ich in den Grundzügen kannte, das es mir dann aber doch ermöglicht hatte, mehr als nur Fantasy zu spielen. Ein System, mit dem ich viele verschiedene Geschmacksrichtungen abdecken kann, was auch anhand der o.g. Settings zu sehen ist.
Einen großen Kritikpunkt (v.a. wegen der Regelbasis D20) hatte ich dann bei meiner o.g. Weltenbummler-Kampagne festgestellt: DCs und Skill-Boni. Bei D&D3 war mir das damals nie so aufgefallen, dafür trat es bei D20 Modern stark in den Vordergrund. Damit ich Spezialisten auch nur irgendwie fordern konnte, hätte ich extrem hohe DCs vergeben müssen (ein reiner Smart Hero mit den entsprechenden Talents, ausgemaxten Skill Ranks und hohem Bezugsattribut kommt schon ziemlich schnell auf extrem hohe Werte). Nur hätten dann die anderen SC keine Chance gehabt, den DC auch nur irgendwie zu schaffen. Insofern war ich dann ganz froh, dass wir „nur“ bis Stufe 6 oder 7 gespielt hatten. Alles danach wäre doch irgendwie lächerlich geworden.
Genau diese Skill-Boni sind der Grund, weshalb ich D20 Modern trotz aller Pluspunkte, die es bei mir hat, nicht unbedingt für längere Runden nutzen möchte. Eine 5e-Variante wäre super.
Der Feat-Bereich auf dem Charakterbogen
Noch so eine Kleinigkeit, die aber total sinnvoll ist. Statt ein paar zu eng gedruckte Zeilen auf dem Charakterbogen zu haben, in die ich die Feats meines Charakters eintrage, die aber niemals für alles reichen werden, kann ich die Feats in einer Liste ankreuzen. Das ist ein wundervolles Quality-of-Life-Feature, das ich gerne häufiger sehen würde.