Ich habe mich extra für diesen Thread hier registriert, werde gleich mal nach einem Vorstellungs-Unterforum Ausschau halten. Daher: Hallo! :-)
Kurz zu meiner Person, ich bin als Facharzt für Psychosomatische Medizin mit tiefenpsychologischem Schwerpunkt niedergelassen und seit Jahren mehr oder minder aktiver Pen&Paper-Rollenspieler.
Grundsätzlich bin ich in fast jeder pädagogischen oder psychotherapeutischen Richtung irgendwelchen Methoden begegnet, die rollenspielerische Aspekte unterschiedlicher Art einbezieht, sei es als soziales Kompetenztraining, als Spieltherapie, als geleitete oder freie Imagination, zur Diagnostik, zum Entspannungstraining, zur Selbstreflexion oder wie oben bereits genannt zur Traumatherapie.
Der Unterschied liegt aber m.E. darin, wie sich dieses Rollenspiel zusammensetzt: Ein Pen&Paper-Rollenspiel kann zwar über die gleichen Wirkfaktoren wie psychotherapeutische Methoden Effekte entfalten (Erleben von Gruppenkohäsion, Übungsfeld für alternative Interaktionsstrategien, Erleben von korrigierenden Beziehungserfahrungen, Selbstwirksamkeit, Affektabfuhr, Katharsis, Altruismus, Rhabarberrhabarber... siehe Irvin Yaloms Bücher:
https://de.wikipedia.org/wiki/Irvin_Yalom), aber viele Bestandteile zumindest der typischen Pen&Paper-Systeme haben glaube ich nur mäßige therapeutische Wirkung, womit es für die doch leider eingeschränkte und für die zahlende Instanz teure Therapiezeit ineffizient wäre, das volle Regelwerk mit Kampagnen-Setting etc. zu benutzen. Ein konkretes Regelwerk mit Zufallsfaktor in der Aktionsausführung wie Würfeln z.B. macht in vielen Therapiesettings wenig Sinn, es sei denn, es soll z.B. bei Traumatherapie eine Affektdistanzierung bewirken und Sicherheit spenden (ich hörte von einem, der bei luziden Alpträumen das Monster würfeln und patzen lässt, um den Alptraum zu überwinden). Ebenso hat ein vom Therapeuten durch das gewählte Rollenspiel vorgegebenes High-Fantasy-Setting nur begrenzte Einsatzmöglichkeiten.
Insofern ist es meiner Meinung nach sinnvoll, auf die auf's Wesentliche reduzierten, bereits vorhandenen Methoden zurückzugreifen (mein Favorit in der Hinsicht ist die katathym-imaginative Psychotherapie, kann ich für rollenspielende Therapeuten nur empfehlen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Katathym_Imaginative_Psychotherapie) und konkreter ausgearbeitete Rollenspiel-Systeme nur für sehr eingegrenzte Indikationen zu beschränken - wie z.B. das o.g. Critical Core, was ich eine hervorragende Idee finde.
Ich persönlich habe gemerkt, dass ich von jedem meiner längerfristig gespielten Charaktere Eigenschaften in mich selbst integriert habe und grübele selbst aktuell eher ein Stück über das Gegenteil der Threadfrage nach: Welche Eigenschaften und, psychodynamisch ausgedrückt, Abwehrkonstellationen der Spieler führen dazu, dass welches Regel- und Würfelsystem für sie interessant ist und das Spiel spannend macht. Werde mal schauen, ob ich hier im Forum dazu einen Thread finde.