Vielleicht ein etwas komisches Beispiel, weil ein Rollenspiel, in dem es tatsächlich keine Settingbeschreibung im engeren Sinne gibt, aber: Troika! finde ich ein tolles Beispiel für ein Ende des Spektrums. Da wird das Setting nur implizit über die wählbaren Charakterhintergründe, die Zaubersprüche, die Ausrüstung und das Bestiarium zur Darstellung gebracht, trotzdem erhält man ein recht gutes Bild, wenn man das schmale Bändchen von vorne bis hinten liest. Ich glaube, das funktioniert, weil es zwischen all diesen Dingen wahnsinnig viele Querbezüge gibt - da tauchen eben z.B. immer wieder die "Golden Barges" als Himmelstransportmittel auf, und irgendwann hat man an vages Bild davon, was das sein müsste.
Wie gesagt ergibt das nicht so sehr ein verbindliches Setting im engeren Sinne, aber ein sehr gutes Setting-als-Material. Wenn man damit spielt, dann kann man auf eine Menge schön verknüpfte und erstaunlich konsistente Elemente zurückgreifen.
Ashen Stars empfinde ich übrigens in ähnlicher Weise als gelungenes Setting - auch hier wird eigentlich alles über Alienvölker, Technologie und einen historischen Abriss vermittelt, die klassischen "Gazetteers" gibt es da gar nicht.
Ein Kernpunkt ist da für mich auch eine gewisse innere Verwobenheit des Settings - es muss nicht alles zwanghaft in Zusammenhang stehen, aber wenn man alles einfach nur nebeneinander stellt (wie z.B. die typischen Länder auf einer Karte, wo eine monolithische Kultur einfach neben der anderen hockt, ohne, dass man ein Gefühl für deren Interaktion und gemeinsame Geschichte kriegt), dann ist es halt kein übergreifendes Setting, sondern eine Sammlung beliebiger Elemente, und wenn die Karte auch noch so schön und lückenlos ist. (Numenera scheitert für mich als Setting auf vielen Ebenen daran: Lauter Zeug, keine innere Verknüpfung, sodass letztlich alles langweilig wird).
Bei Numenera fällt mir noch ein: Ein gewisses Maß an Historizität finde ich bei stärker ausgearbeiteten Settings auch wichtig. Das muss nicht umfassend und lückenlos sein, mir kommt es eher darauf an, dass die verschiedenen Elemente auch auf dieser Ebene des Settings noch mal verwoben sind.
Als recht gelungenes stärker ausgearbeitetes Setting empfinde ich von den in letzter Zeit gelesenen Sachen "Coriolis", also die Kombi aus Grundregelwerk und Atlas-Kompendium - das könnte gerade in Bezug auf die Geschichte des Settings zwar deutlich übersichtlicher sein, aber ich finde die Beschreibungsdichte sehr angenehm und inspirierend. Ich muss allerdings zugeben, dass ich das eher vom Lesen gut finde und im eigentlichen Spiel noch ein bisschen davor zurückschrecke.
Okay, und dann gibt es natürlich noch Glorantha, das mich jetzt in seiner aktuellen Fassung als Spieler zwar total gepackt hat - aber das auch nach wie vor einschüchternd ist und als Referenz wahrscheinlich wenig taugt. Auch da habe ich übrigens seltsamerweise trotz der Materialfülle ein ähnliches Gefühl wie bei Troika - man geht da eher in einem dichten und nur teilweise sichtbaren Netz von Bezügen tauchen, als dass man das Gefühl einer Draufsicht und übersicht bekäme. Da könnte ich auch keinen Settingband im engeren Sinne empfehlen - das Glorantha Sourcebook ist schon toll, aber sehr historisch/mythologisch ausgerichtet und taugt nur begrenzt als tatsächlich Beschreibung von Spielumgebungen.