Autor Thema: Achsen des Rollenspieldesigns  (Gelesen 4695 mal)

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Offline 1of3

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #25 am: 26.11.2021 | 12:17 »
Das weiß ich. Aber diese Mechanik setzt ja nicht darauf auf, dass sie eine Emotion auslöst, sondern sie greift, wenn eine Emotion vorkommt. Und die "Shiver from fear"-Emotion wird durch Ereignisse in der Spielwelt ausgelöst, also: Emergent.
Joah, da kommen wir an der Stelle nicht weiter mit. So gut wie jedes Rollenspiel erklärt mir im Spielleiterkapitel, wie ich bestimmte Themen zu bespielen habe oder bestimmte Gefühlslagen der Spieler auslösen kann (Erfolgsgefühle, Spannungsgefühle, Betroffenheitsgefühle, Horrorgefühle, etc.). Qualifizieren dann all diese Spiele für Direct Emotions?

Ja, Spielleiterkapitel sind so eine Sache. Die haben für gewöhnlich nicht so die Öffentlichkeitswirkung. Ich kann mich schlecht darauf berufen, was im SL-Kapitel vergraben liegt. D.h. die Verbindlichkeit ist geringer. Insofern würde das die Einstufung auf dieser Skala wahrscheinlich massiv senken, wenn es nur im SL-Teil zu finden ist.

Aber danke für die Erklärung. Das heißt Masks wäre vielleicht so im linken Drittel. Da steht verklausuliert in diversen Playbooks sowas wie: Du könntest einen Crush auf so eine Person haben, z.B. "Kiss someone dangerous" beim Beacon. Das muss man nicht machen, aber schon klare Indikation.

Offline Jiba

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #26 am: 26.11.2021 | 12:20 »
Die Achsen werden übrigens als etwa 15-minütige Segmente in den Folgen besprochen (zumindest gilt das für die ersten drei Folgen, in die ich hineingehört habe).

Wie heißen die Folgen denn? Ich finde das auf dieser Podcast-Seite ziemlich unauffindbar.

Zitat
Ich verstehe es so, dass die Regel einen klaren Anreiz für die Spielleitung setzt, bestimmte Emotionen und Reaktionen hervorzurufen. Das Spielsystem und Regelwerk befördern also das Horrorelement, indem sie emotional passendes Handeln belohnen. Also, Directed.
Aber kann ich mich denn überhaupt "emotional passend" fürchten? Ist gebe dir Recht, dass Bluebeard's Bride so aufgebaut ist, dass es eine bestimmte emotionale Experience befördert (oder eigentlich: Mehr ein Thema bespielt, als ein Gefühl ausdrückt, denn die Frage, inwiefern Gefühle durch Regeln überhaupt steuerbar sind, steht im Raum.)
Was PbtA auf jeden Fall tut, ist SL-Anweisung stärker konkretisieren und in Handlungsanweisungen zu übersetzen ("Löse die und die Emotion aus, indem du..." wäre also schon Directed). Aber auf Spielerseite hat man womöglich eigentlich immer nur die Emergent Emotions zur Verfügung. Man fühlt in das rein, was in der Spielwelt, in der story, passiert.

"Dread" ist wirklich das einzige Beispiel, wo ich eine durch die Mechanik forcierte Emotion im Spieler bemerken kann.

Da steht verklausuliert in diversen Playbooks sowas wie: Du könntest einen Crush auf so eine Person haben, z.B. "Kiss someone dangerous" beim Beacon. Das muss man nicht machen, aber schon klare Indikation.
Okay, das ist – auf Spielerseite – aber so die übliche maximale Emotional Direction, die in Spielen ohne großartige fancy dice tricks möglich ist. Das Spiel sagt mir: "Hier hast du ein Settingelement, das ist wichtig... fühle bitte irgendein Gefühl, das du damit in Verbindung bringen magst." Aber ein Spiel kann mich niemals anweisen, etwas bestimmtes zu fühlen.
« Letzte Änderung: 26.11.2021 | 12:28 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline takti der blonde?

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #27 am: 26.11.2021 | 12:23 »
Wie heißen die Folgen denn? Ich finde das auf dieser Podcast-Seite ziemlich unauffindbar.


Es beginnt mit 462: I can turn him into a Skink.

Offline Blechpirat

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #28 am: 26.11.2021 | 12:26 »
@Blechpirat

Könntest du im OP vielleicht noch ein paar Worte zur Attributierung ergänzen? Ich finde es etwas unglücklich, dass Ken Hite gar nicht erwähnt wird.

Ich habe das jetzt mal so gut es geht gemacht. Ich habe die Podcast-Folgen nicht gehört und kann deshalb nicht beurteilen, wer da jetzt was gemacht hat. Aber erwähnt ist Ken jetzt.

Online JollyOrc

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #29 am: 26.11.2021 | 12:28 »
Aber auf Spielerseite hat man womöglich eigentlich immer nur die Emergent Emotions zur Verfügung. Man fühlt in das rein, was in der Spielwelt, in der story, passiert.

Ich glaube, das hier ist der Knackpunkt. Zum einen die SL-Spielenden-Dichotomie, und zum anderen die Frage ob Directed Emotions eine Handlungsoption oder eine Folge des Regeldesigns ist.

Zu letzterem: Ich verstehe diese Kategorie so, dass das Regeldesign über das ganze Spiel entweder eine (oder auch mehrere) bestimmte Art von Emotionen fordert und fördert, oder dass das Regeldesign emotions-agnostisch ist. In dem agnostischen Fall ist es den Regeln und dem Spiel egal, was die Spielenden fühlen.

Insofern wäre auch das Leverage-RPG eines mit Directed Emotions, da es diverse Hinweise darauf enthält, dass man die Mitspielenden am Tisch dazu bringen soll, sich großartig zu fühlen. Gleiches gilt dann wahrscheinlich auch für alle Spiele mit Applaus-Regeln, wo man Bennies jedweder Art dafür bekommt, dass man etwas besonders amüsantes, spannendes, sonstwas gemacht hat.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Jiba

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #30 am: 26.11.2021 | 12:31 »
Okay, JollyOrc, da gehe ich dann mit. Sowas können Spiele steuern. Nur dann ist der Oneliner oben in Blechpirats Liste allerdings völlig missverständlich geschrieben.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline takti der blonde?

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #31 am: 26.11.2021 | 12:32 »
Ich habe das jetzt mal so gut es geht gemacht. Ich habe die Podcast-Folgen nicht gehört und kann deshalb nicht beurteilen, wer da jetzt was gemacht hat. Aber erwähnt ist Ken jetzt.

Danke!

Zu erst hat Ken Hite dazu wohl getweetet (finde die Tweets allerdings nicht) und die beiden haben das im Podcast weiter entwickelt und präsentieren das dann am Ende als "Ken and Robin's Axes [...]". Das beiden zu attributieren scheint mir am saubersten, weil die beiden das auch so machen.

Offline 1of3

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #32 am: 26.11.2021 | 12:44 »
Zu letzterem: Ich verstehe diese Kategorie so, dass das Regeldesign über das ganze Spiel entweder eine (oder auch mehrere) bestimmte Art von Emotionen fordert und fördert, oder dass das Regeldesign emotions-agnostisch ist. In dem agnostischen Fall ist es den Regeln und dem Spiel egal, was die Spielenden fühlen.

Ich denke man kann das alles nur zur Selbstreflektion beim Design benutzen. Also wenn man will, dass das Spiel dies oder jenes tut. Wenn man die Aufteilungen zur empirischen Analyse benutzt kann man emergent und gesteuert nicht mehr unterscheiden, denn wenn signifikante Teile der Spielerschaft so und so fühlen, müsste man auf directed schließen, auch wenn Autoren das nie geplant hatten.

Offline Blechpirat

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #33 am: 26.11.2021 | 14:28 »
Ich denke man kann das alles nur zur Selbstreflektion beim Design benutzen. Also wenn man will, dass das Spiel dies oder jenes tut. Wenn man die Aufteilungen zur empirischen Analyse benutzt kann man emergent und gesteuert nicht mehr unterscheiden, denn wenn signifikante Teile der Spielerschaft so und so fühlen, müsste man auf directed schließen, auch wenn Autoren das nie geplant hatten.

So ist es wohl auch gemeint - also als Werkzeug zur Selbstreflektion. Dennoch finde ich es spannend, es auch als Spieler mal auf Lieblingsrollenspiele anzuwenden. Und zu gucken, ob es da Gemeinsamkeiten gibt, die einem nicht bewusst waren.

Online Maarzan

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #34 am: 27.11.2021 | 09:13 »
Schön, dass da noch jemand auf den Unterschied Emulation-Simulation aufmerksam macht.

Achsen sind ja genau das Gegenteil von Polarität, beschreibt sie doch den Raum zwischen diesen Polen an ihren Extremen.
 
Elegance erscheint mir eine etwas unpassende Vokabel: Schlichtheit vielleicht?
Oder wie würde man einen Werkzeugkasten bezeichnen, der nur aus verschiedenen Hämmern besteht ...  >;D

Für directed vs. emergent Emotion hätte ich gerne ein konkretes Beispiel. Im Moment rate ich da nur unüberzeugt rum.

Habe ich das richtig verstanden:
Harmonica-Violin bezeichnet den Aufwand um Einzusteigen.
Ease vs Mastery bschreibt den Aufwand um sich das Spiel vollumfänglich anzueignen?

Was sind "emotional rules"? Für mich hört sich das an nach: Regeln, wo der Autor nicht drüber nachgedacht/getestet hat, sondern einfach von der Leber weg hingeschrieben, was ihm gerade cool vorkam.

Canon vs open  würde ich splitten in
Canon vs. catchphrase, sprich wieviel ist ausgeschrieben
und
Konkret vs. Muster, sprich ob die Regeln tatsächlich ausgearbeitete Elemente anbieten oder aber Muster zur eigenen Erstellung von Spielelementen aka Blasphemia ist eine Theokratie des Whump mit Bisachof Demunddem an der Spotze vs. Das sind üblcihe Regierungsformen (mit ihren abstrakten Eigenheiten und Nebenwirkungen)  und eine Theokratie sieht typischerweise so und so aus mit den und den üblichen Reflexionen der Leitgottheit.

Randomness und Choice sehe ich gar als 2 Teile eines Dreiecks sehen, wo "Designziel" die dritte Ecke ausmacht. Und "Designziel" würde ich dann je nach der für dieses Spiel dann leitenden Agenda aus GDS belegen.









Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Wonko

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Re: Achsen des Rollenspieldesigns
« Antwort #35 am: 27.11.2021 | 12:52 »
Directed vs. Emergent Emotion scheint ja vielen Probleme zu machen. Ich glaube viele (auch ich) machen sich selten explizit Gedanken über die Emotionen, die ein Spiel hervorruft. Sollte man vielleicht ändern. Mein Verständnis hiervon: Als Beispiel wurde ja schon Dread genannt. Ich möchte noch Ten Candles nennen. Hier wird durch die immer spärlicher werdende Beleuchtung und das Ritual des Kerzenausblasens direkt eine Emotion erzeugt - jedenfalls im Idealfall. Ich würde letztlich auch das klassische Würfelrollen als (schwach ausgeprägte) directed emotion bezeichnen. Hier wird Spannung erzeugt und das Mitgefühl angesprochen um eine direkte Verbindung zwischen dem Charakter und dem Spieler herzustellen.

Emergent Emotion ist dagegen jedwede Situation, in der die Geschichte die Spieler direkt mitnimmt. Das kann ein Spieldesign besser oder schlechter hinbekommen. Erzählerische, charaktergetriebene Systeme sind da tendenziell stärker dabei als, sagen wir, ein Realtime Strategiespiel, wo die Spielfiguren nur Pixel und Träger von Regelmechaniken sind. (Ich nenne jetzt mal bewusst nicht Pathfinder.)


Bei Ease/Mastery, Harmonica/Violin habe ich so meine Probleme. Statt Musikinstrumenten würde ich vielleicht eher Mensch-ärgere-dich-Nicht vs. Schach (oder Skat oder Bridge?) sagen. Ersteres bietet schnelle Ergebnisse, bietet aber nicht viel Variation. Zweiteres benötigt zunächst mehr Einarbeitung, bietet dann aber auch viel Tiefe.

Ease und Mastery scheinen mir aber fast Subkategorien hiervon zu sein? Wobei ein Spiel mit einfachen Regeln natürlich auch Komplexität und Spieltiefe haben kann und komplizierte Regeln nicht notwendig zufriedenstellenderes Spielen fördern müssen.

Was emotional rules sein sollen, ist mir auch noch nicht klar, obwohl ich mit abstract was anfangen kann.


Ich würde auch zustimmen - und unterstelle, dass den Autoren das auch bewusst ist - dass die Achsen nicht immer pure Gegensätze darstellen und dass die Achsen nicht alle unabhängig voneinander sind. Deshalb können sie trotzdem nützliche Kategorien sein.


Und all das kann man eher auf einzelne Regeln beziehen als auf das Spiel als Ganzes. Ich finde, da sollte man sauberer trennen.