Autor Thema: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle Komplexitätswünsche geben?  (Gelesen 1101 mal)

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Online aikar

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Es taucht in verschiedenen Diskussionen immer wieder der Wunsch eines Rollenspielsystems auf, das große Optionsvielfalt bietet und das sich jede Gruppe an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen kann (Prämisse: "Weglassen ist leichter als selber machen").

Ich glaube persönlich nicht, dass das funktioniert, würde aber eine Diskussion zu dem Thema spannend finden.

In fast 50 Jahren Rollenspielentwicklung hat es kein System geschafft. Keines der Systeme, die mit diesem Anspruch der Modularität ins Rennen gegangen sind (z.B. GURPS, DSA 4/5, Pathfinder mit seinen zig Zusatzbänden) kommt bei Fans von leichten und mittelschweren Systemen wirklich gut an. DSA5 hat mit seinen "Fokus-Regeln" in mehreren Stufen sogar explizit versucht, sich als skalierbares System für alle zu verkaufen. Wie die lange Zeit wiederholte (und zeitweise schon genervt wirkende) Erklärung der Idee auf jeder Ratcon gezeigt hat, wurde es nie wirklich akzeptiert.
D&D5, das aktuell bei weitem erfolgreichste Rollenspielsystem, ist kein Universal-Baukasten, sondern eine Kompromisslösung.

Ich habe ein paar Theorien, warum das so ist, warum ich glaube, dass es den "Baukasten für alle" niemals geben wird und warum es nicht einfach mal "jemand richtig machen muss".

  • Theorie 1: Um zu entscheiden, welche Regeln man weg lässt, muss man sich mit den Regeln beschäftigen, um heraus zu finden, was man verwenden will und was nicht. Ansonsten gibt es nur die Option "Minimal" (z.B. nur GRW), aber eben nicht die beworbene fließende Granularität. Genau diese notwendige Beschäftigung mit den Regeln ist es aber, die Anhänger von einfachen und mittelschweren Systemen gar nicht wollen. Es kann funktionieren, wenn ein sehr flexibler SL (oder in seltenen Fällen ein:e Spieler:in) bereit ist, das für die Gruppe zu übernehmen und die Gruppe diese Entscheidung dann akzeptiert. Ich halte das aber eher für die extreme Ausnahme, da es voraus setzen müsste, dass der entsprechende "Regelpapst" sowohl genug Interesse hat, sich das volle System anzuschauen als auch bereit ist, dann eine potentiell stark reduzierte Version zu spielen. Meiner Erfahrung nach schließt sich das aus.
  • Theorie 2: Es ist schon wahnsinnig schwer ein Regelsystem zu balancen. Wenn nicht klar ist, welche Regeln tatsächlich in einer Gruppe verwendet werden, wächst dieser Aufwand exponentiell, weil jede mögliche Kombination von (nicht) verwendeten Regeln balanciert werden müsste. Das ist nicht machbar und es wird zu deutlich mehr Balancing-Problemen kommen. Ein vielfach genannter Hauptgrund für Fans komplexerer Systeme ist neben taktischen Optionen aber eben das Balancing (bzw. die SL-unabhängige Fairness des Systems).
  • Theorie 3: Wenn auch nur eine:r der Spieler:innen am Tisch Interesse an mehr Regeln als der Rest der Gruppe hat (und das ist meistens so, zumindest für Spezialregeln seines/ihres Charakters), lassen sich die Regeln nicht einfach ignorieren, weil ständig darüber diskutiert werden wird, ob man sie nicht doch zumindest testweise verwenden will. Egal ob dem nachgekommen wird, die Regeln sind präsent. Das kann man natürlich mit einer harten "Nur die Bücher X sind zugelassen"-Regelung eingrenzen, wird aber oft zu Unzufriedenheit führen. Und führt auch dazu, dass man nur harte, allgemeine Grenzen setzen kann, anstatt fundierte (Siehe dazu auch Theorie 1).
  • Theorie 4: Die Vorstellung "jede:r kümmert sich um seine/ihre Regeln" funktioniert nicht. Letztendlich muss die SL immer alle am Tisch verwendeten Regeln kennen und verstehen. Das macht die SL zum Flaschenhals der Regelkomplexität der Gruppe.
  • Theorie 5: Damit viele, tatsächlich spürbar mechanisch unterschiedliche Optionen möglich sind, muss eine gewisse Feingranularität des Basissystems vorhanden sein. Optionen bei sehr regelleichten Systemen werden entweder sehr narrativ-abstrakt-handwedelig (Fate-Stunts) oder zu repetitiven und wenig interessanten Spezialisierungen (+2 auf X, +1 auf Y). Damit ist eine wirklich einfache Basis und eine große ,für "Barbiegaming" oder Taktiker interessante, Optionsvielfalt inhärent ausschließend.
  • Theorie 6: Optionen führen immer zu mehr Regeln für alle, selbst wenn sie auf den ersten Blick nur einen Charakter betreffen. Denn wenn ich Punkte dafür ausgegeben habe, damit ich X machen kann, will ich nicht, dass jeder andere auch einfach X machen kann. d.h. für die anderen kommt automatisch die Regel dazu "Du darfst nicht X", die zukünftig zu beachten ist.
  • Theorie 7: Selbst bei sehr gut abgestimmten Systemen haben Regeln oft auch Auswirkungen auf andere Regeln. Das Verwenden oder Weglassen einer Regel oder Option zieht damit oft einen Rattenschwanz an anderen Anpassungen oder Fragen nach sich.

Was meint ihr dazu?
« Letzte Änderung: 27.10.2022 | 13:04 von aikar »
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Offline Lord Verminaard

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #1 am: 27.10.2022 | 09:47 »
Ich hätte ja jetzt gesagt, natürlich nicht. Ist das kontrovers?
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Offline Faras Damion

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #2 am: 27.10.2022 | 09:48 »
Ich stimme dir zu.

Universal-Baukasten-Systeme haben ihr Fans und ihren Markt, aber als Alternative zu seitenarmen Systemen wie D&D5 werden sie sich nicht durchsetzen.



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Offline nobody@home

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #3 am: 27.10.2022 | 10:28 »
"Seitenarme Systeme wie D&D5"...reden wir hier von demselben D&D5, dessen Grundregelwerk erst mal in drei separaten Büchern daherkommt, von denen wenigstens einer am Tisch alle drei auch haben sollte? Schön, es gibt immer noch Spiele mit dickeren Wälzern, aber "seitenarm" geht dann doch irgendwie anders. ;)

Ansonsten würde ich zustimmen, daß es den einen alle glücklich machenden Rollenspielbaukasten nie geben wird; dafür gehen allein schon die Spielstilvorlieben im Hobby zu weit auseinander. Fate beispielsweise funktioniert für mich und andere Leute mit vergleichbaren Interessen, aber daß es bestimmte Elemente, die andere im "Rollenspiel" für unabdingbar halten mögen -- und sei es beispielsweise nur die traditionelle Ausrüstungs-Einkaufstour mit dem Startgeld --, per Voreinstellung schlicht nicht mitbringt, sehe sogar ich, weil ich von Zeit zu Zeit selbst gelegentlich noch kurz darüber stolpere. (Daß es das meiner Ansicht nach bewußt nicht tut, weil diese Elemente zu der Art von Spielerfahrung, die es bieten will, nichts beitragen oder ihr sogar im Weg stehen, ändert ja nichts an der Tatsache, daß die Spieler und SL, die gerade auf sie abfahren, darin trotzdem einen "offensichtlichen" Mangel sehen werden.)
« Letzte Änderung: 27.10.2022 | 10:30 von nobody@home »

Offline Irian

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #4 am: 27.10.2022 | 10:38 »
Solange keiner den perfekten Baukasten erfindet, welche gleicherzeitig auch alle möglichen Spielgefühle abdecken kann (was vermutlich ein Widerspruch in sich selbst ist - es wäre die eierlegende Wollmilchsau), bringt jeder Baukasten ein bestimmtes Spielgefühl mit, was nur in gewisse Richtungen variabel ist. Und damit kann der Baukasten nur rein technisch gesehen "alles" abdecken, aber er wird nicht allen "gefallen".
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Offline Ainor

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #5 am: 27.10.2022 | 10:43 »
Seitenarm ist D&D5 nicht aber recht übersichtlich.

Den "perfekten Baukasten" gibt es natürlich. Man kann immer ein passendes System für die Kampagne entwickeln.
Aber das macht man nicht weil es zuviel Zeit kostet. Und genauso kostet es Zeit sich aus einem richtigen Baukasten die Dinge zusammenzusuchen die man haben will. Fertige Systeme haben hier eben einen Mehrwert, weil sie diese Arbeit schon liefern.
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
Im Rollenspiel ist auch hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie zu unterscheiden.
Meine 5E Birthright Kampagne: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122998.0.html

Offline Crimson King

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #6 am: 27.10.2022 | 10:55 »
Ich fände es gut, wenn die DnD 5-Diskussion im DnD 5-Forum geführt wird.

Ich habe davon abgesehen noch kein Baukastensystem gesehen, das nicht einen Fokus auf eine bestimmte Spielweise gehabt hätte. Allein mit Blick auf z.B. Rolemaster auf der einen und PDQ# auf der anderen Seite sehe ich nicht, wie sich das, was die beiden Systeme in ziemlicher Perfektion erreichen, in ein und dem selben Baukasten sinnvoll abbilden ließe, ohne dass der Baukasteninhalt beliebig würde.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
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J.W. von Goethe

Online aikar

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Solange keiner den perfekten Baukasten erfindet, welche gleicherzeitig auch alle möglichen Spielgefühle abdecken kann (was vermutlich ein Widerspruch in sich selbst ist - es wäre die eierlegende Wollmilchsau), bringt jeder Baukasten ein bestimmtes Spielgefühl mit, was nur in gewisse Richtungen variabel ist. Und damit kann der Baukasten nur rein technisch gesehen "alles" abdecken, aber er wird nicht allen "gefallen".
Ich war wohl (im Titel und in der Beschreibung) nicht ganz klar, hab den Titel etwas angepasst.

Ein Universalsystem für alle "Spielgefühle" und Genres ist noch mal ein ganz eigenes Kaliber. Ich bezog mich eigentlich erst mal "nur" auf die Frage, ob man ein System durch eine große Auswahl wählbarer Optionen für alle Ansprüche an Regeldetailgrad und taktische Optionen skalieren kann, wie manchmal behauptet wird. Ich halte schon das aus den von mir eingangs genannten Gründen für nicht gegeben.
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Offline 1of3

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #8 am: 27.10.2022 | 11:14 »
Ich denke, dass sich nicht Spielstile-/-Gefühle-/... abbilden lassen arbeitet noch auf einem höheren Level als das was aikar im Eingangsbeitrag angemerkt hat. Da gibt es nämlich Möglichkeiten.

Der größte Fehler in Fate 3 ist, z.B. dass sie angefangen haben, eine Fertigkeitsliste abzudrucken. Vorher galt: Wenn du Fate spielen willst, musst du eine Fertigkeitsliste anfertigen. Ähnlich erfordert Ganakagok, dass man die Sleeping Ones Mana Rule festlegt. Man kann sich ein bisschen von den anderen solchen Regeln im Spiel inspirieren lassen, aber man muss es selber machen.

Der Unterschied ist dabei, dass man nicht über Regeln entscheidet, sondern dass man die bewusst gesetzte Leerstellen des Regelwerks füllt. Bewusst bedeutet, dass ganz klar drin steht: Ihr müsst hier eine Sache erarbeiten, um spielen zu können!

Offline nobody@home

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #9 am: 27.10.2022 | 11:40 »
Der größte Fehler in Fate 3 ist, z.B. dass sie angefangen haben, eine Fertigkeitsliste abzudrucken. Vorher galt: Wenn du Fate spielen willst, musst du eine Fertigkeitsliste anfertigen. Ähnlich erfordert Ganakagok, dass man die Sleeping Ones Mana Rule festlegt. Man kann sich ein bisschen von den anderen solchen Regeln im Spiel inspirieren lassen, aber man muss es selber machen.

Der Unterschied ist dabei, dass man nicht über Regeln entscheidet, sondern dass man die bewusst gesetzte Leerstellen des Regelwerks füllt. Bewusst bedeutet, dass ganz klar drin steht: Ihr müsst hier eine Sache erarbeiten, um spielen zu können!

Na ja...wenn ich richtig verstehe, was du mit "Fate 3" meinst, dann war das ja seinerzeit nicht "Fate 3 abstrakt", sondern ganz konkret "Spirit of the Century" mit vordefiniertem Pulp-Setting, Century Club und allem. Da ergibt eine feste und auf das Spiel in dieser Welt abgestimmte Fertigkeitsliste schon Sinn. Der "Fehler" wäre dann eher, auch in Fate Core als späterem "eigentlichem" settingfreien Grundregelwerk eine Fertigkeitsliste abgedruckt zu haben, denn auch wenn die nur als Beispiel dienen soll, werden viele Leute sich halt doch erst mal auf die als "offizielles" Vorbild stützen (sieht man denn ja auch in einigen realen Fate-Produkten, wenn auch zum Glück lange nicht bei allen).

Andererseits ist das natürlich eine Schlacht, die man nicht wirklich gewinnen kann. Gerade die Designer von Fate kamen ja ursprünglich von Fudge her, und dem haben die Kritiker liebend gerne vorgeworfen, es wäre in Wirklichkeit noch gar kein komplettes Spiel und bloß Etikettenschwindel, weil man sich da ja erst mal in die ganze Vorarbeit stürzen müßte... ::) Wenn man das abbiegen und wenigstens die Möglichkeit zum konkreten Sofortlosspielen anbieten will, kommt man also schlecht darum herum, zu den Fischen auch etwas Butter zu tun.

Offline tartex

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #10 am: 27.10.2022 | 11:45 »
Theorie 4: Die Vorstellung "jede:r kümmert sich um seine/ihre Regeln" funktioniert nicht. Letztendlich muss die SL immer alle am Tisch verwendeten Regeln kennen und verstehen. Das macht die SL zum Flaschenhals der Regelkomplexität der Gruppe.

Stimme in allem zu. Nur in dem Punkt bin ich als Spielleiter Gegenbeispiel.

Ich schaue eigentlich nie die Charakterbögen der Spieler an - einfach weil ich mit Setting, Abenteuer und den allgemeinen Regeln schon total ausgelastet bin. (Oder zumindest nur die Namen der Fähigkeiten und Hintergrund-Tags um darauf Abenteuer aufzubauen.)

Wenn wir komplexere Systeme wie D&D5, DSA5 oder Torg Eternity spielen, habe ich sehr wenig Ahnung, welche Fähigkeiten sie neu erworben haben oder was sie selten einsetzen.
Die Zwillingsseen: Der Tanelorn Hexcrawl
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HEXer

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #11 am: 27.10.2022 | 12:37 »
Ich bin da ganz Agnostiker. Nur weil es das bislang nicht gibt (oder besser: weil ich es noch nicht kenne), heißt das nicht, dass es das nicht irgendwann noch geben kann.

Ich stimme allerdings zu, dass es extrem schwierig werden dürfte, neben der Komplexität auch das Spielgefühl variabel zu gestalten.

Offline Irian

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Ein Universalsystem für alle "Spielgefühle" und Genres ist noch mal ein ganz eigenes Kaliber. Ich bezog mich eigentlich erst mal "nur" auf die Frage, ob man ein System durch eine große Auswahl wählbarer Optionen für alle Ansprüche an Regeldetailgrad und taktische Optionen skalieren kann, wie manchmal behauptet wird. Ich halte schon das aus den von mir eingangs genannten Gründen für nicht gegeben.

Sagen wir es mal so, GURPS z.B. versucht es ja und bietet ein GURPS Lite an, aber das ist klar als "Einstieg" in GURPS gedacht und weniger als regelleichtes System für sich selbst. Man merkt dem System imho auch klar an, dass da "mehr" ist. Damit "skaliert" es nicht beliebig frei, sondern ist halt so ein Demo-Projekt quasi. Ich bezweifle, dass es generell geht, weil der Unterschied zwischen "regelleicht" und "viele details" keiner von Schritten ist, sondern irgendwo ein ganz eigener Schnitt kommt, der das "trennt".
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Offline nobody@home

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #13 am: 27.10.2022 | 12:56 »
Was die Komplexität angeht, denke ich schon, daß da auch das gewünschte Spielgefühl direkt mit hineinspielt. Die komplexesten Systeme, die mir so untergekommen sind (Sachen wie GURPS, Hero, meinetwegen auch D&D3...), stammen nämlich alle wenigstens teilweise aus der Sim-Ecke und beziehen ihre Komplexität denn auch zumindest unter anderem gerade daraus, daß sie ein möglichst komplettes, konsistentes, und einigermaßen detailliertes mechanisches Spielweltmodell anbieten wollen -- ohne dieses Ziel könnten sie wesentlich leichtgewichtiger daherkommen, aber dann wären sie natürlich vermutlich auch wieder andere Spiele und würden nicht mehr dieselbe Zielgruppe ansprechen.

Offline Metamorphose

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #14 am: 27.10.2022 | 13:04 »
Generell denke ich, dass es sehr schwierig wäre ein System für jeden zu schreiben, bzw unmöglich. Ich bin ja selbst an Keys RPG, dass Komplexitätsskalierend ist und in verschiedenen Settings angewendet wird. Für mich begünstigen die Regeln eine gewisse Spielart, beispielsweise die einfachste Regel begünstigt narratives Spiel mit Improanteilen. Jedoch fand ich es wichtig, auch bei jedem Komplexitätsgrad eine Spielweise zu thematisieren, für die meine Intention der Regeln galt. So nimmt es die Spieler*innen und die SL an die Hand, damit auch ein anderes Spielgefühl durch die Regeln kreiert werden kann.
Klar ist, dass mein System nie so feingranuliert sein kann wie ein DSA5, dass will ich aber auch nicht. In jeder Welt (Setting) gibt es zwar angepasste Regeln und sogar eine jeder Welt angepassten Mechanik, aber mehr geht halt nicht ohne das ganze komplett aufzublähen. Somit lasse ich alle Granulatliebhaber aus, aber für die gibts ja auch die spezifischen Systeme.
Keys RPG - Durchgeknalltes Universalrollenspiel in verschiedenen Welten
vonallmenspiele - Rollenspiele aus der Schweiz
Alles ist ein Spiel - Alles mögliche zu Brett- und Kartenspielen
Thread zu rezis von "Buffy - Im Bann der Dämonen"

Offline unicum

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Re: Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?
« Antwort #15 am: 27.10.2022 | 13:09 »
[qoute]Kann es den Rollenspielbaukasten für alle geben?[/qoute]

Die Kurze Antwort: Nein.

Längere Antwort:
Rollenspieler sind ein so unterschiedliches Häufchen das es einfach nicht gut funktioniert wenn man versucht eine "Eierlegende Wollmilchsau" zu erschaffen.
Über "spielertypen" wurde schon genug geschrieben und da liegt der Hase begraben.
Man kann nun ja sagen "Ich hab hier Regeln die jeden Taktiker zufriedenstellen werden und die Storyteller können diesen Teil einfach weglassen". Ja das könnte man machen aber ... ich habe da so meine Bedenken, man kriegt die beiden trozdem nicht dazu das gleiche Spiel beim gleichen SL zu spielen weil das würde ja bedeuten das zwei Spieler am Tisch sitzen die verschiedene Regeln haben.
Also müsste man in der Session 0 sich durch alle Regelteile wühlen und sagen wir spielen mit den Optionen A,C-H, G und F, nehmen von T den Teil A und von Z den Teil X.
Gurps war eines der ersten Syteme das seine Generikeit stark machte. Es hat mir nie so gefallen, es war dann doch nicht wirklich passend zu ... anderen Systemen welche besser mit der Spielwelt "verschränkt" waren.
Und ja ich denke das auch Mers nicht gut mit Mittelerde verschränkt war, wenn ich den HdR mit den möglichkeiten von Mers vergleiche frag ich mich immer warum Gandalf es gerade schaffte nur Tannenzapfen anzuzünden wenn er laut regelwerk eigentlich Feuerbälle hätte schleudern können.

Offline Lyonesse

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Das Hero-System ist inzwischen offenbar so pleite ist, dass die Anzahl von Neuerscheinungen
(jedenfalls von Hero Games selber) praktisch auf null gefahren wurden. Das Alleskönner-System
schlechthin hat zwar immer ein Nischendasein geführt, aber inzwischen würde ich da fast nicht
mal mehr von einer Nische reden. Komplexität geht halt selten einher mit Einfachheit, und wenn man
sich mal die 6te und letzte Edition des Regelwerks anschaut, da wird man mit weit über tausend Seiten
Regeln erschlagen (zig davon optional, ohne dass das Spiel darunter leidet, wenn man sie denn weglässt),
so dass man es niemandem verdenken kann, wenn er oder sie sich da nicht reinfuchsen will, so schön
das Spiel eigentlich auch ist.
Also ja, gerade was diesen komplexen Rollenspielbaukasten angeht, so trifft vieles davon auf Hero zu, dennoch
ist es und war es immer schon ziemlich unpopulär - zu komplex, zu viel Eigenleistung erforderlich, unterm
Strich einfach zu wenig ''bedienungsfreundlich'' und darum eher etwas für Liebhaber. Und das trifft momentan
wohl noch mehr zu als früher, wo man so ein System-Monster eher als Herausforderung und weniger als Zumutung
begriffen hat - zumindest einige Spieler. Aber selbst in den besten Zeiten war Hero nicht sonderlich bekannt,
zumindest wenn man den Bekanntheitsgrad von GURPS dazu in Relation setzt. Steve Jackson Games haben da
wohl viel bessere Public Relation betrieben, das System war etwas weniger komplex und hat unschlagbar viele
Quellenbücher auf den Markt gebracht; s.h. wurde einfach in jeder Hinsicht sehr viel professioneller vermarktet
als Hero. Und dennoch war auch GURPS am Ende nur relativ erfolgreich, zumindest im Vergleich zu so etwas wie D&D.
 
« Letzte Änderung: 31.10.2022 | 17:40 von Lyonesse »
''Mi dispiace, ma io so' io e voi non siete un cazzo!''
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Offline HarbinWester

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Ich denke, dass ein derartiges Vorhaben aus dem Grund zum Scheitern verurteilt ist, weil man zwei weitgehend disparate Stücke dennoch versucht zusammen zu fügen. Aus meiner Sicht liegt das am Genre "Rollenspiel" selbst. Man hat den Wargaming-Anteil und den Story-Anteil und beides passt nicht zusammen. Man kann es wie Arneson und Gygax zusammenfrickeln, aber es kommt nichts Gutes dabei herum. Und jeder Versuch, es an der einen Seite zu flicken, macht es für die andere Spieler-Seite kaputt.
Je besser das Wargaming funktioniert, desto uninteressanter wird es für die "Rollenspieler", bzw. je mehr man sich auf das "Rollenspiel" als Spielen von Rollen konzentriert, desto weniger Regelmechanik wird notwendig und das Wargaming ist überflüssig wie ein Kropf.  Das wäre ähnlich, als finge man an, "Mensch ärgere Dich nicht" mit Story-Elementen zu erweitern und sich ein Kampf-System für's Rauskicken zu überlegen.

Der größte gemeinsame Nenner der Rollenspieler ist noch der, dass man sagt "wir spielen" - und da hört es IMHO auch auf.

Ich denke, die einzelnen Systeme würden davon profitieren, wenn man nicht versuchte, alle Parteien zufrieden zu stellen. Analog habe ich noch kein Brettspiel gesehen, das am Tisch die Kombination von "Einsteiger-/Gelegenheitsspieler"-Regeln neben komplexen Regeln zulässt. Es gibt in den Brettpielen, die ich so spiele, einen Mechanismus für alle. Und wem der Komplexitätsgrad unpassend erscheint spielt eben was anderes.
« Letzte Änderung: 31.10.2022 | 09:29 von HarbinWester »