Autor Thema: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten  (Gelesen 2643 mal)

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Offline Sashael

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #50 am: 14.11.2024 | 12:40 »
Keine Figur wird so beschrieben, dass ich eine Bindung zu ihr aufbauen kann. Dementsprechend ist mir auch egal, was diesen Figuren geschieht. Im Schatten aus der Zeit flieht beispielsweise im letzten Abschnitt der Protagonist vor einem diffusen Schrecken. Im Grunde spannend aber halt nur, wenn einem sein Überleben (und seine geistige Unversehrtheit) nicht am Allerwertesten vorbei geht.
Aber warum ist das bei dir so?

Kannst du nur mit Personnagen mitfühlen, wenn die für dich wie bekannte Freunde sind?

Ich persönlich brauche keinen Bindungsanker, damit mich das Schicksal einer Person berührt. Die darf nur kein ausgewiesenes Arschloch sein. Aber ein "leeres Blatt", dass in Panik vor etwas Unbekanntem flieht, sorgt nicht dafür, dass ich das Unbekannte als "irrelevant" und "nicht gruslig" einstufe. Was die Voraussetzung dafür ist, dass ich die Geschichte nicht unheimlich finde.
Eher so im Gegenteil. Was diesem 08/15 John Doe passiert, kann wortwörtlich jedem passieren.

Das Argument "Ich finde den Protagonisten flach und farblos und deswegen finde ich die Geschichte einfach nicht unheimlich" kann ich wirklich Null nachvollziehen.
Das Eine hat mit dem Anderen in meinen Augen nichts zu tun. Ich kann mit fortschreitender Identifizierung/Bindung mit dem Protagonisten an seinem Schicksal mehr Anteil nehmen, aber das Unheimliche, das Unbekannte, das Grauen sind davon unbetroffen.
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Offline flaschengeist

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #51 am: 14.11.2024 | 18:21 »
Ich lese ihn genau deshalb. Weil der so eine entspannende Distanz zu anderen Personen in den Stories schafft - inklusive dem Erzähler.

Das freut mich für dich und alle anderen, denen Lovecrafts Geschichten - aus welchen Gründen auch immer - Vergnügen bereiten :). Geschmäcker sind nun einmal unterschiedlich.

Daher tut es mir sehr leid, dass hier zwischenzeitlich geschlossen wurde. Wenn man es schafft, Geschmacksfragen nicht mit Wahrheitsfragen zu verwechseln, ist ein Austausch so viel produktiver - wie dieser Faden glücklicherweise ebenfalls zeigt.


Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.

Klingt produktiv  :d.

Kannst du nur mit Personnagen mitfühlen, wenn die für dich wie bekannte Freunde sind?

Nicht nur aber je mehr ich mich mit einer fiktiven Figur identifizieren kann, desto mehr nehme ich Anteil. Und ich habe eben bemerkt, dass mich (neben vielen anderen Dingen) auch dieser Punkt daran hindert, Lovecrafts Geschichten etwas abzugewinnen.

Aber warum ist das bei dir so?

Fragst du dich, warum ich mich nicht mit Lovecrafts Figuren identifizieren kann? Oder findest du es komisch, dass der Identifikationsgrad mit einer Figur und das Ausmaß der Anteilnahme an ihrem Schicksal zusammen hängen?
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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Offline Sashael

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #52 am: 14.11.2024 | 18:37 »
Fragst du dich, warum ich mich nicht mit Lovecrafts Figuren identifizieren kann? Oder findest du es komisch, dass der Identifikationsgrad mit einer Figur und das Ausmaß der Anteilnahme an ihrem Schicksal zusammen hängen?
In gewisser Weise das zweitere.
Ich finde es komisch, dass dir die Ursache des Schicksals einer Figur egal zu sein scheint, wenn du die Figur nicht tief genug kennst.

Ich versuche zu erklären:
Bei Lovecrafts Geschichten geht es um das Unbekannte Grauen. Und zwar ein gleichgültiges und anteilsnahmsloses Grauen aus einem Winkel des Weltraums, der zu fremd und absonderlich ist, als dass wir ihn überhaupt logisch erfassen können. Durch merkwürdige Umstände bricht es über unsere Welt herein und hinterlässt an der Stelle Tod und Wahnsinn.

Die Protagonisten sind Boten dieser Ereignisse. Klar, wenn es sich um Figuren handeln würde, die wir gut kennen und mögen, würde uns das persönliche Schicksal von ihnen näher gehen, aber es würde eigentlich nichts an der Ursache des Grauens ändern.
Die Absicht der Geschichten ist imo nicht, die Leser mit den Figuren mitleiden zu lassen, sondern ihnen einen Alptraum zu zeigen, der womöglich nur hinter der nächsten Ecke (oder in der Antarktis) auf sie wartet.

Und wenn jetzt manche sagen "Die Geschichten finde ich nicht gruslig, denn die Protagonisten find ich blass und farblos", dann fehlt da in meinen Augen der Bezug zur Geschichte. Es geht ja nicht darum, WEM etwas passiert, sondern WAS da geschieht.
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Online tartex

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #53 am: 14.11.2024 | 18:47 »
Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.

Meine Lieblingsgeschichte ist Dagon. Sozusagen Lovecraft in höchster Konzentration. Es gibt gar keine Nebencharakter, nur einen einzelnen verlorenen Menschen, der durch den Schlamm watet und ein paar Felsen anschaut. Sehr starke Atmosphäre auf sehr kleiner Fläche konzentriert.


Und zum Thema  ganzallgemein lasse ich mal den Elitisten raushängen: Lovecraft ist vielleicht so wie Musik. Klar, es gibt viele, die mögen nur die eingängigsten Songs, die ihnen regelmäßig im Radio vorgespielt werden. Aber nicht wenige wollen je nach Stimmung auch mal was anderes hören. Vieles davon ist vielleicht nicht so zugänglich, aber darum geht es ja gerade nicht. Auf einige Sachen muss man sich einlassen können oder wollen. Dass die Mitsing-Hooks fehlen ist nicht Bug, sondern Feature. Die Hooks würden dich nie das fühlen lassen, was der andere Zugang ermöglicht. Sehe ich bei Literatur sehr ähnlich.
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Offline Megavolt

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #54 am: 14.11.2024 | 21:33 »
Meine Lieblingsgeschichte ist Dagon. Sozusagen Lovecraft in höchster Konzentration. Es gibt gar keine Nebencharakter, nur einen einzelnen verlorenen Menschen, der durch den Schlamm watet und ein paar Felsen anschaut. Sehr starke Atmosphäre auf sehr kleiner Fläche konzentriert.

Dann ziehe ich mir das bei nächster Gelegenheit mal rein und bin sehr gespannt.  :d

Ich finde es lustig, dass ich trotz eingeschränkter Textkenntnis den Lore im Großen und Ganzen doch irgendwie kenne, aber halt vermittelt durch Sekundärquellen. :) Ich bin nach wie vor der Meinung, Lovecraft profitiert immens durch die endlosen Raffinationen und Reflexionen durch andere Kreative, und das halte ich eigentlich nicht für einen Makel, sondern empfinde die Erkenntnis, dass Stoffe dadurch nicht nur runtergewirtschaftet, sondern auch stark aufgewertet werden können, als interessant und arg bedenkenswert.

Offline Alter Weißer Pottwal

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #55 am: 14.11.2024 | 21:53 »
Bei Dagon bin ich auch dabei. Dagon und Schatten über Innsmouth sind meine Favoriten.
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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #56 am: 15.11.2024 | 11:33 »
Und zum Thema  ganzallgemein lasse ich mal den Elitisten raushängen: Lovecraft ist vielleicht so wie Musik. Klar, es gibt viele, die mögen nur die eingängigsten Songs, die ihnen regelmäßig im Radio vorgespielt werden. Aber nicht wenige wollen je nach Stimmung auch mal was anderes hören. Vieles davon ist vielleicht nicht so zugänglich, aber darum geht es ja gerade nicht. Auf einige Sachen muss man sich einlassen können oder wollen. Dass die Mitsing-Hooks fehlen ist nicht Bug, sondern Feature. Die Hooks würden dich nie das fühlen lassen, was der andere Zugang ermöglicht. Sehe ich bei Literatur sehr ähnlich.

Bei aller Anmaßung, die bei dem Vergleich von (ich überzeichne mal:)"Ordinärer Massenkunst" und "Elitistischer Hochkultur" mitschwingt: Michael Sandel hat das in einer seiner Vorlesungen zu "Justice" mal als "Higher/Lower Pleasure" beschrieben, wobei das keine qualitative Zuschreibung sein soll sondern eher ein "Zugangsgefälle" beschreibt.  Während man sich bei genaueren Definitionen und Einordnungen in dem Bereich schnell in die Nesseln setzt, zieht er Zugänglichkeit als Maßstab heran. Die Annahme ist, dass es Werke gibt, die  eine (deutlich) höhere, meist breitere Vorbildung benötigen, als die "Massenwahre". Das ist natürlich auch subjektiv geprägt und bar jeden Absolutheitsanspruch.

Und auch wenn ich Lovecraft nun nicht als "Hochkulturelles Erzeugnis" einordnen würde: Künstlerische Werke müssen anders betrachtet werden, je weiter sie zurückliegen und erfordern immer Wissen um die Entstehungszeit. Das merkt man, wann man mit einem Menschen mit "normalen" Filmgeschmack über Filme aus den 50ern diskutieren möchte ganz gut. Die werden per se als "langweilig" wahrgenommen, weil sie mit den aktuellen Sehgewohnheiten brechen. Wer daran Genuss finden möchte, muss sich das "erarbeiten" wollen - wie Arbeit wirkt es zumindest auf Außenstehende, wenn man mal so erzählt, wie man sich damit beschäftigt. Es kann aber Genuss sein für einen, wenn sich dadurch eine ganz andere Welt erschließt: Seien es Filme aus der Frühzeit des Kinos oder eben pulpige Gruselliteratur aus einem anderen Jahrhundert. Beides erfordert bewussten Willen, sich damit auseinanderzusetzen, welcher der reinen Berieselung eher gegenübersteht.

EDIT: Die Diskussion ist jetzt ja schon von "Rant" entfernt. Ich persönlich finds gut, wenn es einem Rant was Fruchbares entsteht, aber evt sieht flaschengeist das anders und der Strang könnte mal aufgetrennt werden...?
« Letzte Änderung: 15.11.2024 | 11:44 von First Orko »
It's repetitive.
And redundant.

Discord: maniacator#1270

Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

Offline flaschengeist

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #57 am: 15.11.2024 | 13:55 »
Die Protagonisten sind Boten dieser Ereignisse. Klar, wenn es sich um Figuren handeln würde, die wir gut kennen und mögen, würde uns das persönliche Schicksal von ihnen näher gehen, aber es würde eigentlich nichts an der Ursache des Grauens ändern.

Danke für deine Erläuterungen - nur das wollte ich ausdrücken. Würde Lovecraft mich an anderen Stellen abholen, könnte ich das Fehlen dieses Aspekts verschmerzen. Aber...


Die Absicht der Geschichten ist imo nicht, die Leser mit den Figuren mitleiden zu lassen, sondern ihnen einen Alptraum zu zeigen, der womöglich nur hinter der nächsten Ecke (oder in der Antarktis) auf sie wartet.

... sein Schreibstil erzeugt leider bei mir eben kein Gefühl von "Cosmic Horror" sondern vor allem Langeweile.


Auf einige Sachen muss man sich einlassen können oder wollen. Dass die Mitsing-Hooks fehlen ist nicht Bug, sondern Feature. Die Hooks würden dich nie das fühlen lassen, was der andere Zugang ermöglicht.

Mein Wollen war groß. Und ob Lovecrafts Variante von anderem Zugang Bug oder Feature ist, bleibt eine Geschmacksfrage (auch wenn das anzuerkennen, dem Elitisten in dir womöglich schwer fällt ;)).


EDIT: Die Diskussion ist jetzt ja schon von "Rant" entfernt. Ich persönlich finds gut, wenn es einem Rant was Fruchbares entsteht, aber evt sieht flaschengeist das anders und der Strang könnte mal aufgetrennt werden...?

Ganz und gar nicht: Je fruchtbarer, desto besser :d. Der Beitrag war als Rant gekennzeichnet, damit speziell Lovecraft-Freunde vorgewarnt sind. Ich wollte so das Eskalationsrisiko senken - wie gut dieser Plan funktioniert hat, haben wir ja gesehen  ;D.
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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #58 am: 15.11.2024 | 14:20 »
Also fesselnd finde ich die Orginalgeschichten auch nicht, aber ich kann sie schon ohne Qual lesen. Die sind aber auch nicht alle durchgehend gut (oder schlecht). So ganz meins isses aber nicht, auch wenn ich mal die gesammelten Werke für kleines Geld angeschafft habe - da hatten wir eine Pulp-Cthulhu Kampagne und ich dachte das Orginal wäre gute Inspiration.
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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #59 am: 15.11.2024 | 14:23 »
Mein Wollen war groß. Und ob Lovecrafts Variante von anderem Zugang Bug oder Feature ist, bleibt eine Geschmacksfrage (auch wenn das anzuerkennen, dem Elitisten in dir womöglich schwer fällt ;)).

Also ich scheitere regelmäßig an Sachen, bei denen Leuten denen ich vertraue sagen, dass sie ganz großartig sind. Auch wenn ich mich dem stundenlang aussetze und sogar auf Konzerte gehe.

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