Mir hat das Buch gut gefallen. Ich habe mich über die gesamte Textstrecke gut unterhalten gefühlt, das ist schon mal das Wichtigste. Besonders schön fand ich, dass alle Protagonisten (auch *.Freak) als Menschen erscheinen. Trotz ihrer beängstigenden Obsessionen und verdrehter Weltanschauungen sind es immer noch menschliche Regungen, die ihr Handeln bestimmen - und damit das Aussehen der Welt, wie bei UA üblich. Damit steht das Buch ziemlich gut für das, was mir an UA am wichtigsten ist, nälich den Horror, der aus unseren Regungen entsteht.
Dass im Grunde hinter der Fassade des Settings eine Familiengeschichte aufgezogen wird, in der auf der Ebene der gewöhnlichsten Beziehungen auch wieder die Frage verhandelt wird, wie individuell wir sind, und wie stark unsere Umwelt (biologisch oder gesellschaftlich) uns beeinflusst, das fand ich schon stark; zumal damit ja sogar der Kunstgriff gelingt, die Erschaffung der nächsten Welt durch unsere Begierden durch das Bild der Familie (Eltern und ihre Wünsche an die Kinder) auszudrücken. Das Thema Intersexualität passt da auch sehr gut, weil es gegenwärtig die Frage Natur vs. Kultur vielleicht am präzisesten stellt, wie übrigens auch die Frage nach ethnischer Identität, die im Buch auch auftaucht, als das vertauschte Kind mit den weissen Unterklassepflegeeltern plötzlich erfährt, dass es "eigentlich" schwarz ist. Wie kommen "Geschlecht" und "Ethnizität" zustande- vorgefunden oder konstruiert? Wann "sind" wir etwas, und wann werden wir zu etwas "gemacht", und um welchen Preis? Kernfragen von Amerika und Kernfragen der Postmoderne, also wiederum sehr angebracht für UA. Und echt gut umgesetzt. Kann man mal sehen, was in dem Setting alles drinnensteckt.
Negativ fand ich, dass das Buch einfach zu kurz ist, um alle angeschnittenen Themen auch wirklich befriedigend zu Ende zu bringen; insbesondere Schluss kommt mir zu schnell. Die Erzählung ist nicht sehr breit angelegt, und konzentriert sich auf wenige Personen und Perspektiven. Vielleicht sollte man lieber von einer Erzählung als einem Roman sprechen.
Stellenweise fühlt man sich als Spieler auch ein bisschen wie im UA-Guckkasten: "Ach, DAS musste auch noch mit rein. Schau, schau, da hat er in den Regeln geblättert."
Wenn es UA als Spiel nicht gäbe, und Greg Stolze sich das jetzt alles alleine für das Buch ausgedacht hätte, wäre ich völlig von den Socken. So kenne ich aber die "wow!" - Faktoren schon, und deshalb fehlt mir ein bisschen das Besondere, das aus dem Buch ein grossartiges und nicht nur ein gutes macht.
Note 2. Aber definitiv das Geld wert. Ich würde mich freuen, wenn Stolze noch mal den Mut und die Zeit finden würde, ein etwas grösseres Buch mit einem etwas längeren erzählerischen Atem zu schreiben, das sich vielleicht auch an ein Publikum richtet, das UA nicht kennt.