Die Regeln eines (guten) Rollenspiels sind in erster Linie dafür da, dass jeder daran Spaß hat.
Das ist schon klar, aber das bringt uns nicht viel weiter weil man einer Regel eben nicht ansieht inwiefern sie den Spaß maximiert. Vor allem ist der Spaß den eine Regel macht sehr vom Zusammenhang abhängig, d.h. davon wer das Spiel spielt und welche Vorlieben er dabei hat und auch in welchen Zusammenhang zu anderen Regeln sie steht.
Weil wir nicht unmittelbar betrachten können ob eine Regel ansich Spaß macht oder nicht müssen wir uns mit Betrachtungen wie dieser begnügen und Regeln in Kategorien einteilen die unter bestimmten Vorrausetzungen Spaß machen und unter anderen eben nicht.
Und in diesem Thread geht es darum ob Regeln Spaß machen die eine (Pseudo-)Realität modellieren sollen.
Und wo ist jetzt das Problem? Wünschst Du dir detaillierte Regeln, die möglichst viele Eventualitäten (=verschiedene Situationen, die in der Spielwelt auftreten können) abbilden und simulieren? Oder wünschst Du dir in dem Fall möglichst große Interpretationsfreiheit für SL und Spieler?
Ich persönlich tendiere ganz klar zu letzterem.
Ich persönlich tendiere eher zu ersterem. Interpretationsfreiheit bringt mir nichts. Die größte Interpretationsfreiheit hätte ich doch durch die Festlegung dass ich alles interpretiere. Das Regelwerk für dieses Rollenspiel sieht dann so aus: "[Jeder spielt einen Charakter innerhalb einer fiktiven Welt... bla... sülz]. Reihum wird erzählt was der gespielte Charakter tut, was genau geschieht hängt davon ab wie der jeweilige Spieler die Situation in Abhängigkeit zu einem gegebenen Verhalten der Spielwelt interpretiert."
Dieses Regelwerk hätte nun zwar Regeln aber eben keine Regeln die die (Spiel-)Realität betreffen, worum es in diesem Thread ja geht (
).
Möchte man etwas Variation und Nichtdeterminismus reinbringen könnte man die Regel auch so abwandeln: "... Reihum wird erzählt was der gespielte Charakter tut, was genau geschieht wird ermittelt indem der Spieler alle vorstellbaren Ausgänge der Handlung nennt, ihnen aufgrund seiner Vorstellung über die Spielwelt Ereigniswahrscheinlichkeiten zuordnet, und dann mit einem %-Wurf ermittelt welche von ihnen eintritt."
Das wäre ein simulationistisches Minimalsystem das ohne Zweifel theoretisch funktioniert (Sogar ohne SL! Cutting Edge, Yes!). Wieviel Spaß es macht weiß ich nicht so recht, man könnte es ja mal ausprobieren
Man kann es sogar durch leichte Formulierungsänderungen in ein narrativistisches oder gamistisches System umwandeln.
Die Regeln nehmen aber in diesem Beispiel keine Arbeit ab, sondern bürden sie den Spielern auf! Der Spielraum für Interpretationen muss nicht erhöht sondern verringert werden. Wohin solche Bemühungen (Verringerung des Interpretationsspielraumes) in der Praxis führen können sieht man wenn man sich Systeme wie Rolemaster ansieht, oder wenn man Jura studiert
Das heißt aber nicht dass es nicht trotzdem ein erstrebenswertes Ziel ist, das nur bisher nicht optimal erreicht wurde. Gesetzte hält man ja trotz ihrer Komplexität und Inkonsistenz prinzipiell für nötig um den Spaß (ich lehn mich jetzt weit aus dem Fenster
) in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten.
Die Shadowrun-Regel zur Schadenserhöhung bei Explosionen in engen Räumen mag ja die harte Physik unserer Welt plausibel simulieren - ich persönlich halte das für ganz großen Humbug. Gesunder Menschenverstand sollte greifen, man erhöht den Schaden frei Schnauze und gepfiffen auf die Physik.
Solche Sachen sind natürlich immer Abwägungen zwischen Kosten (=Aufwand der Durchführung der Regel) und Nutzen (=Möglichkeit der Anwendung und Relevanz des Ergebnisses).
Trotzdem ist gesunder Menschenverstand eben nicht das gleiche wie eine Regel die physikalische Abläufe grob nachempfindet, denn oft sind den Menschen nichtmal die prinzipiellen Abläufe bekannt.
Eine Welt in der Explosionen in engen Räumen auf Dauer nicht die von mir erwarteten (physikalisch korrekten) Auswirkungen haben gefällt mir vielleicht irgendwann nicht, wenn es mal drauf ankommt. Sie verändert sich dann nämlich auf eine Art und Weise die ich nicht erwarte. Man merkt das oft erst spät, weil das ganze eben durch einen Eindruck geprägt wird. Für einen 12-Jährigen DSA-Anfänger, wie ich es mal war, mag das System der Lebensenergie noch wie eine Offenbarung erscheinen, oder das Prinzip von Attacke und Parade wie die perfekte Simulation eines Kampfes. Aber man merkt doch irgendwann dass dem nicht so ist. Dann reicht es aber nicht einfach zu sagen: "Dann interpretier halt selbst!". Hab ich mir dafür das DSA Regelwerk gekauft und durchgelesen?!
Ich muss in einem Punkt widersprechen.
Unsere Realität ist nicht der einzige Bezugsrahmen den wir haben. Genrevorstellungen können ein Bezugsrahmen sein. Kulturelle Symbolik kann ein Bezugsrahmen sein.
Das ist sicher richtig. Was ich eigentlich sagen wollte ist dass ein solcher Bezugsrahmen besteht und dieser häufig die Realität ist.
Anstatt "Schwierige Sachen gehen häufiger schief." kann ich auch sagen "Sachen, die in Superheld unternimmt, gehen nur schief, wenn ihn ein Superschurke hindert."
Das ist ein gutes Beispiel, aber was wenn ich die Vorstellung meines Bezugssystems (die ich jetzt einfach Realität im Sinne von einer auch möglicherweise alternativen Realität nenne) nicht so einfach in ein paar Konzepten ausdrücken kann? Was wenn ich selber nicht mehr in der Lage bin das Funktionieren zu überwachen durch das einhalten solcher einfachen Konventionen? Dann würde ich mir doch von den Regeln wünschen dass sie mir diese Realität abbilden. Darum geht es.
Ich möchte einfach sagen können "realistisch" oder "so wie bei Star Wars" und das Regelsystem soll mir diese Welt dann liefern von der ich glauben kann dass sie so ist wie ich es wollte, weil ein schlauer Mensch (oder viele) sich darüber Gedanken gemacht haben wie diese Realität funktioniert.
Realität meine ich als kontinuierliches, komplexes Konzept auf das man zurückgreifen kann, das sich nicht so einfach in ein paar Richtlinien zusammnefassen lässt. So ein Konzept braucht man einfach immer, denn sonst wüsste man ja garnicht wo man mit seinen Regeln anfangen sollte. Das
können auch Genrekonventionen sein, aber auch die sind nur in Vergleich zur Realität entstanden. Aber das ist nur ein interessantes Nebenthema. Ich will aber auch die Diskussion darüber welche Dinge aus der "echten" Realität in jeder alternativen Realität implizit enthalten sind und was man nun wirklich genau modellieren sollte und was nicht offen lassen...