Autor Thema: Kernthematik von UA - Umsetzung?  (Gelesen 2937 mal)

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Offline Scorpio

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Kernthematik von UA - Umsetzung?
« am: 20.02.2007 | 12:11 »
Moderator: Ich habe das Thema abgetrennt aus diesem Thread.

Da die Dragonworld-Rezi von mir ist, wollte ich auch noch mal was dazu schreiben. ;)

Der Unterschied von UA zu anderen Spielen wie Cthulhu oder Kult liegt ja nicht in den Regeln oder im Setting: Sondern in der Kerngeschichte. In UA spielt man Charaktere, die etwas um jeden Preis erreichen wollen. Und als Spieler findet man daraus, zu was dies führen kann.

DAS ist mein größtes Problem mit UA. Die eigentliche Kernthematik des Spiels findet sich weder in den Regeln, noch im Setting wirklich wieder. Wir haben in unserer UA-Kampagne einige wirklich gute "Abenteuer" (passt nicht wirklich...) gespielt, aber keiner von uns wusste am Ende der Kampagne, was nun wirklich UA ist, oder wie die Regeln dies unterstützen sollten. Ich finde es zu schwach, wenn man auf die "unsichtbare Hand" der Spieler vertraut, die das Spiel dann schon so spielen, wie es gedacht ist.
« Letzte Änderung: 20.02.2007 | 12:44 von Jasper »
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Ulisses Spiele Universalredakteur

Preacher

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Kernthematik von UA - Umsetzung?
« Antwort #1 am: 20.02.2007 | 12:16 »
DAS ist mein größtes Problem mit UA. Die eigentliche Kernthematik des Spiels findet sich weder in den Regeln, noch im Setting wirklich wieder.

Findest Du? Die Kernthemen "Der Mensch ist an allem schuld", "Macht und Konsequenzen" und vor allem "wie weit gehst Du für deine Ziele?" sehe ich nun wirklich überall - sei es in den Zaubern, in den Fähigkeiten der Avatare oder in der Metaphysik (jeder kann in den unsichtbaren Rat aufsteigen).

So kann die Wahrnehmung auseinandergehen...

wjassula

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Re: Kernthematik von UA - Umsetzung?
« Antwort #2 am: 20.02.2007 | 12:55 »
Ich als alter Harmonienazi gebe euch beiden recht  ;).

Wenn ich heute das GRW noch mal drucken würde, würde ich der deutschen Ausgabe auf jeden Fall eine Ergänzung verpassen, in der eindeutig die Core - Story von UA beschrieben wird, und Tipps zu deren effektiver Umsetzung gegeben werden. Das fehlt im Original, auch wenn ich Hendrik zustimme, dass viele Spielelemente ziemlich deutlich dazu hinführen. Ich merke aber immer wieder in Diskussionen auf Cons und Messen, dass das vielen nicht sofort klar wird, was insbesondere dann doof ist, wenn man das Spiel verkaufen möchte  ;). Wahrscheinlich muss man hier doch in Rechnung stellen, dass das Spiel 10 Jahre alt ist, und das Deutlichmachen von Designzielen damals noch keine Selbstverstädnlichkeit war...wie überhaupt jenseits von D&D sich der Gedanke eines kohärenten Designs, dessen Ziele auch für die Spieler erkennbar sind, nocht nicht ganz durchgesetzt hatte. Jetzt ist es aber fürs erste zu spät, das im GRW zu ändern.

Aaaaber...die Core - Story von UA, die Tim meiner Meinung nach ganz gut zusammengefasst hat, dreht sich ja nun gerade um das Finden der eigenen Wahrheit. Anders als bei anderen Mystery - Spielen gibt es keine schreckliche Realität hinter der Realität zu entdecken, die dann das Spielziel abgibt, sondern das Spiel thematisiert eine pynchonsche Paranoia-Welt, in der wir alle die unzusammenhängenden Tatsachen der Welt mit Sinn erfüllen können...und diese Privat-Sinnsysteme funktionieren dann furchtbarerweise. Postmoderne, Baby.

Das kann und soll eben ganz unterschiedlich aussehen.

Selbst eine bessere Beschreibung dessen würde also nicht vermeiden, dass jede UA - Runde ganz anders aussehen würde - das liegt am Spiel.

Marketingboss bei UA zu sein ist echt nicht leicht  ;).


Offline Jestocost

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Re: Kernthematik von UA - Umsetzung?
« Antwort #3 am: 20.02.2007 | 13:23 »
Historisch gesehen ist UA als Rollenspiel ein Hybride: Es hat sehr viele Elemente aus klassischen Rollenspielen und verhältnismäßig viel Crunch, auch wenn der sich ganz gut im Regelwerk selbst versteckt.

Gleichzeitig versucht es, sich auf die spielrelevanten Elemente zu beschränken, beispielsweise durch selbst erfundene Fertigkeiten und unscharfe Würfe. Die kurze Fertigkeitenliste legt ja auch fest, um was sich das Spiel eigentlich vom Standard her dreht: Schlägereien, physische Stunts, Verfolgungsjagden, Recherche, Heimlichkeit, Menschen überzeugen und manipulieren.

Die Charakterebene wird nur durch 4 Elemente im Spiel integriert: Die Obsession bestimmt eine Fertigkeit, die letztendlich fast immer funktioniert (d.h. ein Einsteigercharakter hat in einem für ihn wichtigen Skill eine Erfolgschance um rund 75%, ein Eingeweihtencharakter eine Chance von über 90%).

Die selbstgewählten Fertigkeiten sind der nächste Punkt, an dem die Charakterebene Einzug ins Spiel hält: Dadurch, dass man bei einem x-beliebigen Skill in ruhigen Situationen automatisch erfolgreich ist, kann man als Spieler sehr viel Kontrolle über das Spiel haben und direkt auf die Spielwelt eingreifen. Zugegeben: Gerade an dieser Stelle widerspricht sich das Grundregelwerk an der einen oder anderen Stelle, da oft nicht klar wird, dass man nur in wichtigen oder kritischen Situationen die Würfel ins Spiel holt - manchmal sind die unscharfen Würfe wirklich zu unscharf.

Die drei Impulse des Temperaments sind tegeltechnisch als halbsichere Joker integriert und geben dem Spielleiter einen Hinweis darauf, was den Charakter emotional betrifft: Letztendlich sollte es für den SL ein Leichtes sein, passende Szenen in sein Szenario einzubauen. Und der Spieler kauft sich dadurch entweder einen erfolgreichen Wurf (indem er die Würfel tauscht und so aus einem Misserfolg einen Erfolg macht) oder eine zweite Chance - indem er einen Wurf wiederholen kann. Taktisch gesehen, sollte ich dafür sorgen, dass ich mich eigentlich nur auf Würfe einlassen sollte, wenn ich einen meiner Impulse im Notfall einsetzen kann. Das wäre bsw. wichtig, wenn man als Adept eine mächtige Ladung einsetzen möchte - da kann ein zweiter Wurf schon echt wichtig sein.

Der letzte Punkt ist der Geisteszustand: Dieser hat eigentlich eine rein deskriptive Funktion: Daran kann man als Spieler sehen, was das Spielgeschehen mit dem Charakter angerichtet hat. Auch das ist ein Indiz für den Spielleiter: Denn der Geisteszustand gibt auch schon Themen vor, die im Spiel vorkommen: Gewalt, Übernatürliches, Hilflosigkeit, Isolation und Identitätskrisen.

Zugegeben, das Spiel ist nicht - wie spätere Independentspiele - um diese Themen und Mechaniken herumgebaut. Es besitzt eine schlankes System, dass durch ein paar Subsysteme ergänzt wird, die aber auch weggelassen werden können: UA tendiert eher zum Freeform spielen, wobei die Werte eher umschreibend wirken: Denn gerade durch die Charaktererschaffung, die zu mehr als 50% versucht, die Persönlichkeit des Charakters zu erfassen und zu definieren, entstehen oft sehr faszinierende, "normale" Charaktere, die aber dennoch mindestens serientauglich und meist mehr als Abziehbilder sind.
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Offline Scorpio

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Re: Kernthematik von UA - Umsetzung?
« Antwort #4 am: 20.02.2007 | 14:27 »
Die kurze Fertigkeitenliste legt ja auch fest, um was sich das Spiel eigentlich vom Standard her dreht: Schlägereien, physische Stunts, Verfolgungsjagden, Recherche, Heimlichkeit, Menschen überzeugen und manipulieren.

Höchstens bei den drei letzten würde ich dir da (bedingt) zustimmen. Meiner Erfahtrung im Spielen der Kampagne und auch beim Lesen des GRWs hat mir eigentlich vermittelt, dass ich bei UA immer auf die Fresse bekomme, wenn ich mich in eine physische Auseinandersetzung werfe.

Zitat
Die Charakterebene wird nur durch 4 Elemente im Spiel integriert: Die Obsession bestimmt eine Fertigkeit, die letztendlich fast immer funktioniert (d.h. ein Einsteigercharakter hat in einem für ihn wichtigen Skill eine Erfolgschance um rund 75%, ein Eingeweihtencharakter eine Chance von über 90%).

Hier wäre doch z.B. ein Mechanismus interessant, der den Charakteren ermöglicht, ihren Fertigkeitshöchstwert zu steigern, wenn sie tiefer in die Geheimnisse von UA einsteigen. Auf diese Weise wäre ein Charakter, der länger im Spiel ist zwar durchaus geistig geschädigt, wäre aber auch weit besser als ein gewöhnlicher Mensch. Quasi eine Art des Autismus... man opfert immer mehr von sich selbst, wird aber immer besser (in einer oder mehreren Fertigkeiten). Ich hätte dadurch z.B. auch schon einen Anreiz, mich auf dieses "Wie weit bist du bereit zu gehen..."-Spiel einzulassen. Die Bedrohung im Spiel ist nämlich im Spiel dargestellt, die Belohnung imho nur unzureichend (siehe unten).

Zitat
Der letzte Punkt ist der Geisteszustand: Dieser hat eigentlich eine rein deskriptive Funktion
Eben, er ist nicht in das Spiel integriert. Ich muss mir anhand einiger erfolgreicher bzw. gescheiterter Proben auf einen bestimmten Bereich vorstellen, wie mein Charakter reagiert. Es gibt aber keine regeltechnischen Auswirkungen. Dafür, dass es ein ziemlich wichtiges Element des Spiels ist, ist es viel zu wenig ins Spiel integriert. UA verlässt sich einfach darauf, dass die Spieler so erfahren sind, bzw. sich dereart auf das Spiel einlassen, wie es (möglicherweise) gedacht ist. Wenn sich der Nachteil der geistigen Degeneration aber nicht irgendwie auf die sonstigen Regeln auswirkt, ist es für mich kein Teil des Spiels, oder eben ein schlecht umgesetzter.

"So, du bist jetzt geistig angeschlagen!"
-"Ach, und was macht das?"
"Nichts direkt. Das spielst du aus."
-"Also nichts, okay..."

So stelle ich mir das vor. Ein Spiel um "Macht und Konsequenzen" ist irgendwie nicht gut, wenn es die Konsequenzen nicht ins Spiel integriert.

Zitat
UA tendiert eher zum Freeform spielen, wobei die Werte eher umschreibend wirken
Wieso dann der große Regelbalast mit dem w100-System?

Ich glaube, UA muss kaputt gemacht und komplett neu aufegebaut werden, am besten mit den ganzen "fancy" Ideen der Indi-Spiele. UA braucht bessere Mechanismen um die eigentlichen Kernthematiken des Spiels besser darzustellen und viel weniger vom ganzen Rest.

Wie ich in meiner Rezi auch schrieb, es war mir nach Lektüre und auch Spielen einer Kampagne nicht klar, worum es in UA überhaupt geht.
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Offline Jestocost

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Re: Kernthematik von UA - Umsetzung?
« Antwort #5 am: 20.02.2007 | 15:25 »
UA hat die von dir genannten Elemente: Zum einen wird mein Charakter stärker, wenn ich einen Adept oder Avatar spiele.

Außerdem gibt es noch die Verzauberungen und Stellvertreterrituale: Dadurch erhält man regeltechnische Vorteile, wenn man abstruse Dinge im Spiel tut...

Und das mit der Integration im Spiel ist so eine Sache: Was ist jetzt das Spiel? Die Regeln und der Mechanismus: UA sagt, dass mein Handeln Konsequenzen auf meine Persönlichkeit hat. Das wird angezeigt. Wenn ich zuviel Härtekerben habe, gilt mein Charakter als Soziopath und wird dafür bestraft. Sammle ich mir zu viele Traumakerben an, werde ich geisteskrank und kriege auch Probleme, da mein Charakter durchdreht, sobald er in zu heftige Stresssituationen kommt. Außerdem beschreibt das Spiel akribisch, wie sich ein Charakter verhält, der eine bestimmte Menge von Härte- oder Traumakerben hat. Und das steht in den Regeln. Vielleicht nehmen die Mechanismen das nicht explizit auf, aber das Spiel hat all diese Elemente berücksichtigt.

Für einen Spieler, dessen Charakter 6 Härtekerben in Gewalt hat, muss klar sein, dass der nicht pingelig ist und Gewalt als adäquates Mittel betrachtet. Er muss nicht, aber er kann.

Ich weiß ja nicht, wie ihr UA gespielt habt: Aber so wie es geschrieben ist - oder wie ich es gelesen habe - kommt das im GRW gut raus: Ich kann die ganze Welt verändern. Entweder indem ich a) eine mächtige Ladung bekomme, b) ein Ritual durchführe oder c) zum Gottläufer werde oder ganz zum Archetypen... Und jetzt stellt sich halt die Frage, was in der Welt ich verändern möchte... Und das ist der Punkt, wo wir uns vehement unterscheiden: Ich fürchte, dass man mit einer bestimmten Geisteshaltung an UA herangehen muss, dann liefert es auch Ergebnisse, mit denen man etwas anfangen kann. Aber das setzt auch voraus, dass man mit seinen Charaktern mitfiebert und mit denen etwas erreichen will: Dann funktioniert das Spiel richtig gut.

Sind die Charaktere aber passiv und durchleiden Abenteuer nur, dann sind sie in einem surrealen Alptraum, gefangen und leben in einer Welt, der sie ausgeliefert werden und die überhaupt keinen Sinn ergibt.

Du kannst mit UA wenig anfangen und darum liefert es wenig für dich. Aber das gilt glücklicherweise nicht für jeden.

Zum Thema kompletter Neuaufbau: Naja, soweit würde ich nicht gehen. Aber die Einflüsse und Ideen der Indie-Spiele haben schon Einfluss auf unsere Redaktionsarbeit: Schau einfach bei uns ins Forum oder aufs Blog, da sieht man ganz gut, wie wir uns mit bestimmten Szenarien bei "Schnellschüsse" auseinandersetzen, um diese noch besser und spielbarer hinzukriegen.
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