Racaille Cybernétique ist ein von meiner Wenigkeit zusammengezimmertes Cyberpunk-Rollenspiel das aus Frust bei der Ankündigung von CP v3 und daraus folgenden Überlegungen wie ein System aussehen müsste, das Cyberpunk im Film-Noir-Stil wie in den Romanen oder in Blade Runner unterstützt, entstanden ist.
Wer mit freischaffenden Teflonbillies, die nur für den Auftrag der Woche leben, stundenlang planen, mit viel mathematischer Taktiererei ihre Flucht auskämpfen und das unrecht erworbene Geld dann benutzen um sich aus den Ausrüstungsbüchern die beste Schaden-austeil/Schaden-aushalt-Kombo auszuwählen, vollauf zufrieden ist, braucht es sich erst gar nicht anzusehen: Er würde massiv enttäuscht.
Das gleiche gilt für Leute die eine unüberwindbare Abneigung gegen Conflict Resolution, PE, DAG, SL-Losigkeit und ähnlichem modernen Schnickschnack haben.
Nachdem ich mit dieser Einleitung wahrscheinlich 50%+ der potentiellen Leserschaft vergrault habe komme ich zur Sache:
Anders als herkömmliche Spiele in diesem Genre konzentriere ich mich hier nicht auf den Cyber-Punk, sondern auf die Neu-Romantik: Die Spielercharaktere definieren sich nicht dadurch dass sie mit Chrom aufgebrezelte ultra-evil Badasses sind, sondern als Antihelden die keinen schmutzigen Trick auslassen um ein höheres Ziel zu erreichen.
Das wird durch die Regeln unterstützt: Um bei Konflikten ernsthafte Chancen zu haben müssen die SCs ihre als Werte bestehenden Hoffnungsschimmer riskieren; dabei kann es sich um konkrete Dinge handeln(das Wohlergehen meiner Schwester), um abstrakte Prinzipien(persönliche Freiheit), sie können auch destruktiv sein(Rache am Konzern der meine Familie umgebracht hat) - es sind jedenfalls die Dinge die den Charakter motivieren, für die er lebt, die seinem Leben einen Sinn jenseits des grauen Konsumkultur-Raubtier-Trotts geben.
Je mehr der Charaktere diese Hoffnungsschimmer einbringt um so größer sind die Erfolgschancen, aber auch die Gefahr diese geliebten Dinge zu schwächen und schließlich ganz zu verlieren.
Von den Werten dieser Hoffnungsschimmer hängt schließlich der Ausgang des Endspiels ab - ja, RC setzt auf ein abgeschlossenes Spielerlebnis, um näher an der literarischen Vorlage zu sein. Aktuell sind die drei möglichen Spielformen Kurzgeschichte(kurzer One-Shot), Roman(längerer One-Shot) und Reihe(abgeschlossene Kampagne), wobei das ein Bereich ist an dem ich noch stark grüble und feile (besonders um parallele Handkungsstränge wie in Count Zero zu ermöglichen).
Generell ist das Ende immer finster im Film-Noir-Stil: Verlorene Hoffnungsschimmer sind immer wirklich tragisch und niederschmetternd, gewonnene Hoffnungsschimmer immer mit einem hohen Preis verbunden. Fans von strahlend hellen Happy Ends werden hier also nicht auf ihre Kosten kommen.
Werte gibt es nur drei Stück (Datenfragmente, Deskriptoren und Hoffnungsschimmer), und die Grundmechanik selbst ist relativ simpel: Negotiated Contests mit einem w6-Poolsystem, bester Wurf wird gezählt, die Seite die höher würfelt gewinnt ihren Stake.
Diese Würfel sind zum einen nicht-explodierende Würfel durch Deskriptoren(sechs Stück, aufgeteilt in die Kategorien Substance, Style, Attitude und Edge) sowie - und das sind die wirklich Ausschlag gebenden - explodierende andersfarbige Würfel durch Hoffnungsschimmer.
Diese erhöhen die Chancen beträchtlich, aber jede Würfelexplosion senkt einen beteiligten Hoffnungsschimmer um 1, sei es durch Rückschläge, sei es durch Flashbacks oder Cut Scenes die Schaden an der Hoffnung zeigen, sei es durch unbekannte Umstände (etwa wenn der Charakter auf dem Rachepfad von weiter oben durch seinen gewonnen Konflikt den von ihm verhassten Konzern stärkt ohne es zu wissen).
Da sicher noch gefragt wird wie ich das mit SL-Losigkeit gemacht habe (zumal ich sie bei meinem 24h-Rollenspiel zugegebenermaßen ziemlich nasig umgesetzt habe):
Prinzipiell hat jeder das Recht neue Elemente im Spielgeschehen auftauchen, agieren und verschwinden zu lassen sowie Konflikte einzuleiten, und das einzige immer präsente Netz ist die Vetoregel, die es erlaubt Details zu annullieren wenn a.) der Schöpfer damit einverstanden ist oder b.) mehr als die Hälfte der Gruppe gegen das Element stimmt.
Das ist natürlich noch etwas zu wenig um das Muskelprotzen der Schreihälse und "Die scharfe Schlampe lächelt meinen Charakter an!" - "Nein, meinen!" - "Tut sie nicht!" - "Tut sie doch!" zu unterbinden, darum sind noch ein paar weitere Regeln dabei:
- feste Spielstruktur durch sogenannte Actionsequenzen (auf ein Ziel hin ausgerichtete Handlungsabschnitte voller Trubel), mit dem reihum wandernden Amt des sogenannten Movers, der die grundlegende Art der Actionsequenz festlegt, mit der Gruppe verhandelt, sie einleitet und abschließt. Mechanisch werden Actionsequenzen durch einen Contest Tree von Konflikten aufgelöst.
Diese Actionsequenzen haben ferner einen Wert für Kniffligkeit der die herausspringenden Punkte angibt, aber auch die Anzahl von explodierenden w6 die gegen den Wurf des Spielers im Konflikt gewürfelt werden.
- Jeder Spieler erhält bei Beginn der Sequenz einen Marker(Münze, Streichholz etc.), den er entfernt wenn er einen Konflikt einleitet. Er darf keine Konflikte ohne Marker einleiten, und einen neuen Marker gibt es nur a.) bei einer neuen Actionsequenz, b.) wenn kein Sequenzteilnehmer mehr Marker hat oder c.) wenn ein anderer Spieler seinen Marker verschenkt.
- Es gibt Plotkarten, auf denen ein Element(NSC, Organisation, Schauplatz etc.) des Spielgeschehens notiert ist und dem Besitzer alle Rechte und Pflichten an diesem Element geben. Andere Spieler können Vorschläge zum Element machen oder sie sich auf Nachfrage und gegen eventuelle Auflagen ausleihen, aber die Entscheidungshoheit liegt letztlich beim Besitzer und kann nur durch ein _einstimmiges_ Veto aller anderen Spieler ausgehebelt werden, und das auch nur kurzfristig.
Wer eine Plotkarte erstellen will muss das ankündigen; wenn niemand sonst diese spezielle Plotkarte will bekommt er sie einfach, ansonsten wird es kurz ausgewürfelt (wobei die Ressource Datenfragmente geopfert werden kann um den Wurf für den Fall, dass einem das Element wirklich wichtig ist, zu boosten).
Kein Spieler kann mehr als 3 Plotkarten besitzen; wenn er volle Kontrolle über ein anderes Element will muß er eine Plotkarte ablegen und so wieder zum Allgemeingut machen. Die Plotkarte kann auch vom Allgemeingut zum Besitz eines Spielers gemacht werden, wobei die gleichen Regeln wie bei der Erstellung der Karte greifen.
(Auf diese Regel bin ich besonders stolz da sie zum einen klar und einleuchtend und zum anderen dennoch simpel und wenig ablenkend ist.)
Zur SL-Losigkeit kam es übrigens weil dem SL im Laufe des Konzipierungsprozesses immer weniger und weniger Aufgaben zufielen, und da habe ich dann lieber gleich Nägel mit Köpfen gemacht und ihn eliminiert, schließlich sollen alle Spielteilnehmer Spaß am Spiel haben, und Däumchendrehen und Kulissenschieben sehe ich nicht gerade als abendfüllenden Spaß an. (Außerdem bin ich ein kleiner Egoist der auch bei seinem eigenen Spiel mal dazu kommen will zu spielen
)
HomepageRegelwerk (aktuell v0.5.1 (258kb))
Charakterbogen (34kb)
Was meint ihr dazu? Was gefällt euch daran? Was gefällt euch nicht? Was könnte man noch besser machen? Ist irgendwas unklar formuliert?
Wenn es Fragen gibt: Nur her damit. Die Anzahl der Leute die ich gebissen habe läßt sich noch an einer Hand abzählen.