Gestern war es aus mehreren Gründen etwas komisch, obwohl eigentlich eine schöne Folge. Erstens fiel uns kurz vor Spielbeginn auf, dass mein Charakter Spotlight hatte, die beiden anderen aber nur je Scene Presence 1. Da haben wir schon gewitzelt, die anderen könnten ja auch nach Hause gehen. Das wurde dann später leider beinahe Wirklichkeit, als bei Alrik das Internet zusammenbrach, und Caynreth einen dringenden Anruf bekam.
Eigentlich ist eine niedrige Scene Presence bei PtA kein Beinbruch, weil man über die Szenengestaltung, Konfliktvorschläge, Famail und allgemeines Reinrufen jenseits des eigenen Charakters noch jede Menge Gestaltungsmöglichkeiten hat. Dass nun aber auch noch die realen Spielenden irgendwann ausfielen, führte zu dem merkwürdigen Effekt, dass Fredi und ich uns die entscheidende Folge über Andreas Fricke ein bisschen allein aus den Fingern gesogen haben, was um so mehr schade war, als die beiden anderen jedesmal fantastische Ideen hatten, wenn sie denn da waren. Wieviel besser hätten wir mit euch gemeinsam sein können!
(Ich möchte an dieser Stelle auch festhalten, dass Fredi bei der Erwähnung von Andreas Namen tatsächlich gesagt hat: "Der heisst ja wie ficken, bruahahaha". Ja, wir waren gestern wieder geistig 12
)
Ich schreibe das hier so ausführlich, weil ich gestern gemerkt habe, dass diese Umstände dazu geführt haben, dass mir die Opposition fehlte. Die Charakterentwicklung, und vor allem der coole PtA - Effekt, dass man unverhofft eine ganz andere Perspektive auf die Charaktere bekommt, stellt sich für mich umso mehr ein, je vielfältiger die anderen Sichtweisen auf die Figur sind, mit denen ich konfrontiert werde, und je unterschiedlicher die von anderen erdachten Situationen sind, in denen der Charakter sich zeigt. Klar war Fredi als Producer da, und hat seine Rolle wieimmer bravurös gemeistert. Trotzdem hatte ich etwas das Gefühl, mit dem Charakter zu schwimmen, und mir alles selbst auszudenken.
Das zeiget sich ganz am Schluss auch noch mal ganz gut, als wir über das Denoument sprachen. Es stellte sich heraus, dass meine Wahrnehmung von Andreas Entwicklung doch anders war, als die von Fredi und der zurückgekehrten Caynreth. Das hing sicher damit zusammen, dass ich mit dem Charakter eher identifiziert war, aber ich glaube im Nachhinein, dass es auch daher kam, dass ich mir die Entwicklung über weite Strecke des Abends alleine vorgestellt habe (und manches auch nicht ausgesprochen haben, nicht aussprechen musste), und Andreas weniger ein Gemeinschaftsprojekt war, als die anderen Figuren.
So, aber was ist denn nun passiert?
Andreas war, kurz gesagt, die Sau der Stunde. Zwischen der letzten Sitzung und dieser hat er sich mit Jasmin, der Freundin des Spielleiters, in seiner anderen Runde getroffen, und da war natürlich alles viel schöner. Er baggert ziemlich offensichtlich an ihr rum, und lässt ihren SL - Freund fies auflaufen, indem er Phileasson ingame etwas wichtiges verheimlicht, die hilflosen Gradebieg - Versuche des SL scheitern lässt, und dann, als dieser outgame zu meckern anfängt, süffisant bemerkt, man könne doch miteinander reden wie Erwachsene, und wenn die Info unbedingt rumkommen solle, würde man das selbstverständlich machen..."wenn DIR das so wichtig ist".
Ich bagger deine Freundin an, und stör dein Spiel, und du darfst dich nicht wehren, weil, dann bist du ein schlechter Spielleiter und überhaupt unreif. Kotz würg.
Jasmin fragt Anderas über seine Langzeitfreundin aus, die sie beim Rollenspielabend in Andreas Runde ja gar nicht gesehen hätte. Er rückt damit raus, dass seine Freundin jetzt nicht mehr im Spieleladen mithilft, weil sie seit kurzem einen Job in ihrem ursprünglich gelernten Beruf als Architektin hat. Sie verdient jetzt zwar viel mehr, hat aber auch kaum noch Zeit.
Tja, verlorenes Paradies als Issue eben: Cheesy an Mädchen rumbaggern und bei Stress ne neue suchen gehört eben auch zur Vergangenheit, nach der Andreas sich sehnt. Und auch hier verkackt er natürlich beim Konflikt...
"Cooles Foto von meiner Freundin, ne? Findste nicht auch , dass die total gut aussieht? Bisschen so wie du...."
Jasmin: "Solche Komplimente würde ich mir ja von anderen Leuten auch mal wünschen" (Cool von Gerd
)
Und Andreas dann: "Ja, ausser Rollenspiel kann der ja wohl nicht viel". Was für ein Arsch!
Kurz darauf ruft die Bank an: Der Kredit für den Laden ist in Gefahr. Andreas labert irgendwas von seiner Vision und Träumen und dass es ja nicht nur ums Geld ginge. Als der Banktyp nicht locker lässt, gesteht Andreas, dass seine Freundin schon angeboten hat, mit ihrem Geld in den Laden einzusteigen, aber das wolle er nicht, weil die ihm ein paar (wahrscheinlich bitter nötige) Änderungen aufnötigen würde.
Auch hier bin ich beim Würfeln gescheitert: Andreas stellt sich nicht der Realität, sondern gibt für die im Hintergrund lauschende Gruppe den coolen großen Bruder, von wegen "dann muss ich mir wohl einen neuen Finanzpartner suchen". Auf Jasmins Frage, ob alles ok sei, kontert er mit einem oberdämlichen ingame Finelfenspruch
.
Zuletzt wollten wir aber doch noch mal versuchen, Andreas "Langzeitrollenspiel" und seinerm relativen Erwachsensein etwas Positives abzugewinnen, nachdem es die ganze Zeit nur negativ aufgetaucht war. Zurück am Spieltisch sollte der Konflikt sein, ob das Gerede von Visionen und Träumen doch nicht nur Blabla war. Was fesselt diesen Charakter eigentlich so am Spielen?
Und endlich hatte ich mal Würfelglück: Jasmin und SL streiten sich schon wieder ingame, Walther steigt aus und wälzt Regelbücher...und dann rafft sich Andreas, und der altgewordene Nerd reicht dem strauchelnden Sozialversager die Hand, in dem er sich insgeheim doch selbst wiedererkennt
. Soooo schön.
Andreas hilft Walther, sich einmal in die Erforschung der Nebelinseln fallen zu lassen, so richtig mit "Mach mal die Augen zu...stell dir das mal vor...warst du schon mal auf soner Insel....", und die anderen beenden ihren Streit, und steuern Details bei. Walther (verlorener Konflikt) raffts nicht (hö - wann kämpfen wir denn? Mit Augen zu seh ich doch die Würfel gar nicht!), aber er macht wenigstens mit, und das reisst auch die anderen mit rein, so dass es noch (und vielleicht zum ersten Mal in dieser Serie) ein schöner Rollenspielabend wird.
Im Abspann kamen wir nach einigem Nachdenken dann noch auf eine Lösung, die die Zwiespältigkeit von Andreas Entwicklung ganz gut rüberbringt. Er ist ganz deutlich mit seinem Leben überfordert, und kann sich dem nicht stellen, sondern flüchtet sich auf ziemlich egoistische Weise in die Pubertät zurück, und ist dabe eigentlich bemitleidenswerter als die anderen, weil er es besser wissen sollte. Die Geschichte mit Jasmin ist noch nicht vorbei, im Gegenteil. Zuletzt hat er aber doch wieder einen Zipfel davon erhascht, was ihn am Spiel mal gefesselt hat. Wir haben ein bisschen gesehen, was das nicht - erwachsen - werden und die Beschäftigung mit "kindischen" Sachen auch für tolle, spaßige, coole Ausiwrkungen haben kann.
Ergo kommt die Freundin in den Keller, ziemlich sauer, wohl wegen der Bankgeschichte. Man sieht durch ihre Augen das liebenswerte Chaos, die Pizzakartons, die bunten Rollenspielbücher, die komischen Würfel...und Andreas strahlendes Gesicht, als er sie volltextet, wie cool doch der Abend am Schluss war. Irgendwann muss sie auch ein bisschen grinsen, weil sie sich mit ihm freut, obwohl sie immer noch sauer ist. Andreas ist ein unreifer Blödmann, aber sein Traum ist echt, und ganz vielleicht gibt es irgendwann einen Weg, wie er das Gute daran retten kann. Das weiß Andreas nicht, weil er zu sehr um sich selbst kreist, aber wenigstens die Zuschauer haben ein bisschen Hoffnung.
Wieder mal eine sehr bewegende und schöne Folge. Total schade wie gesagt, dass wir über weite Strecken mit dem bösen RealLife zu kämpfen hatten, dass sich blöderweise in unseren virtuellen Keller gestohlen hat (*).
(*) postmoderner Scheiß TM