So, wie war denn jetzt Hero´s Banner? Auf dem Treffen? Es war gut! Es war sogar sehr gut!
Spieler waren ich, Caynreth, Dirk und Fredi, das schwule Lesbenpony. Vorgegeben war ein "gritty fantasy"-Hintergund, in dem alle Charaktere Adelige sind. Ihre Welt ist geprägt durch Gewalt, Hunger, Fehden und Religion. Wir haben das recht schnell zu einer Art Artus-Background ausgestaltet, durchmischt mit Kreuzzügen und Gralssuche und abgeschmeckt mit etwas osteuropäischem Flair sowie einem Spritzer Frankenreich-Dietrich von Bern.
Die Charaktererschaffung besteht darin, den Charakteren jeweils drei Ziele zu geben, die sich gegenseitig ausschliessen müssen. Je eines muss in den Bereich "Blood" (Familie, Vergangenheit, Heimat), "Hero" (Vorbild, Ideale, Zukunft, Idol) und "Conscience" (innere Motivation, Gegenwart, Wertmasstäbe) fallen. Ziele drücken sich durch ein abstraktes Ideal und eben einen konkreten Plan aus und zusätzlich sind noch einige "Connections" mit jedem Ziel verknüpft, also Personen, Orte oder sogar Gegenstände, die damit symbolisch oder konkret verknüpft sind.
Jedes Ziel bekommt grob gesagt einen Wert zwischen 0 und 100, während die Summe aller drei Werte immer 100 ergeben muss. Im Lauf des Spiels schwanken die Werte von Szene zu Szene, bis am Ende nur noch ein Ziel mit dem Wert 100 übrig belibt und die beiden anderen (mit den entsprechenden Conncetions) auf Null gesunken sind. Das ist zugleich der Auslöser für das Endspiel: Der Charakter erkennt, welches Ziel ihm am wichtigsten ist, der Spieler erzählt, wie die Figur den Rest ihres Lebens zubringt und dann stirbt der Charakter. Hero´s Banner sieht vor, dass man mehrere Charaktere nacheinander spielt, von denen die jüngeren jeweils irgendwie durch die älteren geprägt sind, also z.B. Verwandte oder Freunde sind. Dazu sind wir natürlich nicht gekommen, wir haben nur solange gespielt, bis einer - Dirk- das Endspiel erreicht hatte.
Das Spiel erreicht 100% das, was es will: Eine dreckige Welt voller schwieriger Entscheidungen, die immer einen Verlust bedeuten, selbst wenn man gewinnt. Schön ist, dass man nach der Auflösung jeder Szene die Wert zwar (wahrscheinlich) verändern muss, diese Veränderung aber völlig frei gestalten darf und also den Charakter in wichtigen Momenten auch völlig umkrempeln kann. Das Ziel, das mir in der letzten Szene noch am unwichtigsten war, kann ich jetzt zum am höchsten bewerteten machen, einfach so. Und dann eben erzählen, dass dem Charakter nach dem Sieg bei Jerusalem plötzlich aufgeht, dass er sein Leben lang die Famile vernachlässigt hat und beschliesst, dem Krieg abzuschwören und zukünftig für Frau und Kinder da zu sein.
Ein weiteres nettes Regelfeature ist, dass jedes Ziel eine gewisse Stärke haben muss, um die Connections zu halten, die daran hängen. Sinkt der Wert unter einen bestimmten Betrag, gehen dem Charakter Verbindungen und Besitz flöten. Das führt bei einer krassen Umgestaltung wie oben beschrieben dazu, dass sich auch eine Menge Freunde von mir verabschieden, was ja ziemlich realistisch ist.
Überhaupt hat man wirklich das Gefühl, ausnahmslos entscheidende Szenen zu spielen, die den Charakter am Scheideweg zeigen. Zusammen mit dem Vorschlag der Regeln, auch große Zeitsprünge einzubauen, kommt so echtes Heldensagen-Feeling auf. Da erfährt man ja auch von Odysseus nur, wie er den Zyklopen blendet und die Pfeilprobe macht und nicht, wie die Proviantlisten zusammenstellt und Schlachtpläne debattiert.
Kleinere Ungereimtheiten gab es auch, von denen die wichtigste wohl war, dass sich die Charaktere bei positivem Konfliktausgang nicht verändern. Nur wenn sie ihre Stakes verlieren, wird die Veränderung auch auf dem Charakterblatt abgebildet. Wir haben das besonders stark empfunden, weil Dirk und ich anfangs unglaubliches Würfelglück hatten und mit Verrat, Lüge und Mord davongekommen sind, die sicherlich das ganze Königreich in Aufruhr versetzt haben. Unsere Charaktere hat das allerdings nicht sichtbar verändern. Hier fanden wir, dass die Fiktion weiter war als die Mechanismen. Wenn allerdings einmal ein Konflikt verloren ist und die Werte in Bewegung geraten, funktioniert das Spiel wunderbar und die beabsichtigte Spirale der Entscheidungen kommt in Gang.
Bisschen nickelig gemeckert haben wir über die Rechnerei: Das Buch liefert zwar eine einfache Faustformel, mit der man automatisch den richtigen Abstand zwischen höchstem und niedrigsten Wert wahrt um letztendlich immer bei 100 Punkten insgesamt zu landen, aber für Kackn00bs wie mich, die bei PtA schon Schwierigkeiten mit den graden und den ungraden Zahlen haben, ist die Rechnerei zunächst ein Stolperstein. Wir hatten das Gefühl, dass man das irgendwie eleganter hätte lösen können.
Unsere PtA-Braindamage haben wir deutlich gespürt, weil sich das Spiel fatalerweise erstmal ein bisschen wie PtA anfühlt, dann aber ganz anders funktioniert. Man soll sich hier nämlich mit dem Charakter identifizieren und schon vor dem Konflikt entscheiden, wie er sich verhalten würde und die Würfel nur darüber entscheiden lassen, ob das klappt. Wir neigen ja dazu, per Konfliktlösung festzustellen, wie sich der Charakter verhält, ohne selbst viel dabei zu wollen. Als wir das emotionale Investment mal geschnallt hatten, kamen wir aber umso besser rein. Wer zum Beispiel PtA ganz nett fand, aber die Identifikation mit dem Charakter vermisst, für den könnte Hero´s Banner ein heisser Tipp sein.
Fazit: Ist große Klasse. Hab ich mir sofort gekauft und das passiert mir bei Rollenspielen wirklich selten. Tragisch, traurig, gut konstruiert (abgesehen von ein paar kleinen Fehlerchen, die ausser uns wahrscheinlich eh keinen stören) und ziemlich einzigartig - Szenensprünge von Jahren oder Jahrzehnten und die Option aufs Spiel über mehrere Generationen von Charakteren hatte ich so noch nicht. Muss man eigentlich haben.