Tja, nun kommt das erste Hamburger Indie-Rollenspiel aus Portland...
Christian und
JuliaLisa Griffen haben ihre Arbeiten an
Beast Hunters beendet, und der Pre-Order-Prozess läuft. Ich hatte schon Gelegenheit, das PDF zu lesen, und fand es ziemlich gut.
Die Spielwelt ist schnell beschrieben: Im wilden Hinterland eines nur grob beschriebenen Kontinents (es gibt keine Karte, weil das Rückgrat der Kultur der Chel'qhuri Lieder und Gedichte sind) leben verschiedene Stämme, deren Helden die Beast Hunters sind, die nicht nur magische Wesen und Monster jagen, um aus ihrem Blut die Farbe für Tätowierungen zu gewinnen, die ihnen besondere Fähigkeiten verleihen, sondern auch als Schlichter bei Streitigkeien in und unter den Stämmen, den
nadans dienen. So bietet die Spielwelt die Möglichkeit, Abenteuer und Konflikte auch auf 'sozialer' Ebene anzusiedeln.
Ähnlich wie The Shadow of Yesterday's Nah wird der Kontinent Berengad nur grob umrissen, und bietet viel Platz für eigene kreative Ideen. Ob ein paar der Kulturen in weiteren Spielen gesondert abzuhandeln ist, wird die Zeit zeigen.
Was ist das besondere an Beast Hunters? Zunächst einmal würde ich es als "Indie-Spiel der 3. Generation" bezeichnen[1]. Beim lesen des Buchs hatte ich an vielen Stellen Gedanken wie "ah, genauso wie bei X" und "das erinnert mich an Y". Das ist ein Zeichen dafür, dass es mittlerweile eine Menge etablierter Mechanismen gibt, die neu zusammengemischt ein neues, für sich stehendes Spiel schaffen können.
Beast Hunters ist ein Spiel für zwei Personen (aber es gibt auch optionale Regeln für mehrere Spieler): Eine Person spielt den Jäger, die andere den Herausforderer, der mehr oder weniger klassische Spielleiterfunktionen übernimmt. Allerdings legt der
Jäger fest, wie gefährlich das Abenteuer sein darf, auf das er sich einläßt, weil er bestimmt, wie viele Punkte der Herausforderer hat, um die Opposition im Abenteuer "einzukaufen". Wer aber seine Spielfigur weiterkommen lassen will, muß Risiken eingehen, weil man durch den Sieg über billige, kleine Gegner eben nur wenig Erfahrungspunkte bekommt.
Die Jagd auf die Monstren ist nochmal etwas besonderes: Bestimmte Monster können nur in Abenteuern auftauchen, die Mindestanforderungen in puncto "Challenge Rating" auftauchen. Und diese Monster will man wegen der coolen Tätowierungen erlegen. Damit die Magie der Tätowierungen wirkt, muß man so ein Monster übrigens allein und eigenhändig töten, deswegen gibt es (bis auf eine Ausnahme) die Regel, dass ein Beast Hunter solche Kämpfe allein ausficht - alles andere wäre auch feige und ehrlos.
Ein Testlauf steht noch aus, aber ich glaube, dass die geschickte Kombination bekannter Mechanismen, das explizite Design für zwei Spieler, die coole Aufmachung, und die Möglichkeit, sich die allgemeine Gefährlichkeit des Abenteuers aussuchen zu können ohne dabei seine Konflikte selbst zu gestalten, ein feines Spiel ergeben, dass man auch 'mal zwischendurch' spielen kann, wenn eine klassische Gruppe nicht zur Verfügung steht.
Besonders möchte ich noch darauf hinweisen, dass dieses Spiel einen expliziten in-game/out-game Mechanismus hat: Bevor das Spiel beginnt, grüßt man sich, indem man sich gegenseitig am Unterarm faßt. Mit der gleichen Geste unterbricht oder beendet man das Spiel. Man sollte es also nicht mit Leuten spielen, die man nicht anfassen mag.
Ich gebe eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für alle, die ein Rollenspiel für zwei suchen, cooles Artwork mögen und auf barbarische Monsterjäger stehen.
Ein Ansichtsexemplar von Beast Hunters wird es hoffentlich bis zur hspielt! zu mir geschafft haben. Mit Glück habe ich auch ein Demo-Kit,
mit dem Interessierte das Spiel ausprobieren können.
[1] Die Indie-Spiele der ersten Generation sind solche wie Sorcerer: Handfeste Produkte, die aber die Idee des Indy-Spiels erst möglich gemacht haben. In der zweiten Generation sehe ich Spiele wie Dogs in the Vineyard, die gezeigt haben, dass es einen Markt für diese Spiele gibt, der bedient werden will, die aber auch Innovation geliefert haben. Die dritte Generation nutzt die Erfahrungen ihrer Vorgänger, ohne dadurch weniger innovativ, indie oder interessant zu sein.