„Der Herbst war die Zeit. Und alle Zeit war der Herbst.“Im Wirtshaus von Tiefenhag gehen die Geschäfte schlecht. Nur ein Zimmer ist belegt von Myrell, die den Purpurnen Prüfer dort pflegt, der seit einem „Ausflug“ an die Grenze des Reiches schwer angeschlagen ist. Sein damaliger Begleiter, der Wirtssohn Gaston strotzt hingegen vor Tatendrang und Schaffensdrang, auch wenn sich ein dunkler Fleck auf seine Seele gelegt hat. Gaston ist mit seinen beiden Freunden im Wald unterwegs, als er auf einem Boot eine äußerst seltsame Begegnung hat – mit einem Unlichen, Lyssandrer. Dieses mysteriöse und von allen gefürchtete Wesen teilt ihm mit, er solle seinem Vater folgen. Auf die Nachfrage wohin, kommt nur ein mysteriöses “Stromabwärts“.
In diese Richtung ist Tebald Glück, der Wirt von Tiefenhag, tatsächlich unterwegs, hat er doch gerade eine wichtige Botschaft erhalten. Von seiner zweiten Identität hat der Hörer schon im ersten Teil erfahren, was es genau damit auf sich hat kristallisiert sich erst im Laufe des zweite Kapitels heraus.
Jedenfalls brechen die drei Freunde und der Knorpelgnom Po stromabwärts auf, gen Flusskreuz. Dort dringen sie unbemerkt durch den Leuchtkreis der Funkelfliegen in die Stadt ein und müssen feststellen, dass ihr Ruderboot das einzige ist weit und breit. Seltsam, den Flusskreuz liegt wie eine Insel mitten im Wasser, eben im Kreuz zweier Flüße. In der riesigen Handelsstadt herrscht reges Treiben, so auch auf der Bühne. Dort stellen zwei Schauspieler gerade eine Szene nach, bei der der Hauptmann des Königs die Bestrafung höchstpersönlich übernimmt. Bevor jedoch der Schauspieler zu Wort kommt, legt der echte Hauptmann die Hand auf seine Schulter und lässt durch den königlichen Herold eine Verkündung machen: „Ich, Kalypso, Meister der Feder und des Wortes, und meines Zeichens...“ „Komm zur Sache!“ „Sehr wohl! Alle Boote sind verwahrt, die Brücken gesperrt, gesucht wird im Namen des Königs ein Verräter. Er ist blaß, wenig mannhaft und vermutlich krank vom Fieber. Wer ihm hilft...“ „... dem ist nicht zu helfen!“ „Im Namen des Königs werden alle Häuser durchsucht!“ „Niemand verläßt die Stadt, bis wir den Flüchtigen haben. Und das, was er bei sich trägt!“.
Und schon brodelt der Plottopf...
Sofort fällt die bildhafte, beschreibende, märchenhaft-phantastische Sprache der Serie auf, die ein plastisches Bild der einzelnen Szenen entstehen lassen.. Und während das erste Kapitel in Teilen auch märchenhaft war, ist diese Folge schon einiges erwachsener geworden und aus dem harmlosen Alltag (die drei überlegen, wie sie Freddie ein Schnippchen schlagen können, der sie beim Rennen in der letzten Folge betrog) wird blutiger Ernst und ein Kampf auf Leben und Tod. In Flußkreuz treffen sich nicht nur die verschiedenen Charaktere und Fraktionen, auch verknüpft es die Handlungsstränge im ersten Kapitel geschickt, von denen man bisher nur raten konnte, dass da ein Zusammenhang besteht.
Unterstützt wird das ganze von sehr atmosphärischer Musik, die die Szenen gelungen unterstreichen. Häufig kommt das Klavier zum Einsatz, hier merkt man die Handschrift von Gabriel Burns-Produzent Volker Sassenberg deutlich.
Neben diesen Aspekt fließt auch eine deutlich mysteriöse Stimmung bei – eine Welt wird beschrieben, in der die einzige Jahreszeit der Herbst ist, mysteriöse Wesen wie Fayen und Unliche lauern und in dem ein König herrscht, der nicht näher umschrieben wird. Die Figur des Hauptmanns z.B. ist eben auch „nur“ DER Hauptmann, klischeetriefend, aber gerade dadurch besonders gut greif- und erfassbar. Im Zusammenspiel mit seinem Herold sowieso ein einziges Vergnügen. Dazu kommt, dass es kein Gut und kein Böse gibt. Noch liegen Motivationen der verschiedenen Fraktionen im Dunkeln und man kann nur erahnen, für welche Ziele sie streiten.
Der in sich geschlossene Plot kommt dieser Folge auch zugute, gerade bei solche vor Epik, Tragik und Dramatik triefenden Geschichten wird der Handlungsbogen gern mal über zwei, drei Folgen aufgebaut, so dass es in einer Einzelfolge oft wenig passiert, was von Bedeutung ist. Der Metaplot geht natürlich weiter, aber dieFolge in sich ist geschlossen mit einem Spannungsbogen zum Ende hin, was dem Hörgenuß zu gute kommt.
Die Sprecher sind gut gewählt, einige von anderen Sassenberg-Produktionen bekannt (Gabriel Burns, Point Whitmark). Mit Timmo Niesner als Gaston Glück hat man natürlich eine der Fantasystimmen schlechthin (Frodo-Synchronisation), interessanterweise klappt es auch gut, nicht an HdR zu denken, sondern gleich in Abseits der Wege drin zu sein.
Auch das Artwork ist schick gemacht, nur die Booklets könnten dicker und informativer sein.
Fazit: Drizzt ist der Maßstab bei Highfantasy, Abseits der Wege ist der Maßstab bei eher märchenhafter Phantastik. Sehr gute Produktionsqualität, aber auch eine hochgradig eigenständige Geschichte (und kein 0815-Abklatsch einer existierenden Fantasywelt) mit ganz eigener Stimmung undArmosphäre machen die Serie für jeden Fantasy-Freund wie auch Hörspielhörer interessant!
PS.: das Original ist zu finden unter
http://www.lorp.de/rezensionen/show.asp?id=1520 - dort kann man die Rezi auch bewerten (*lechz*), natürlich freu ich mich auch hier über reges Feedback!!!