Autor Thema: Wozu Vanilla?  (Gelesen 7426 mal)

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Offline Blechpirat

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #25 am: 11.03.2011 | 22:55 »
Ich bin ja ein großer Verfechter des RAI-Spiels. Ich sehe keine Notwendigkeit, die Regeln während des Spiels anzupassen, um irgendeine "unplausible" Situation abzuwenden.

Das hängt mit meinem Regelverszändnis zusammem. Ich trenne scharf zwischen:
1) literalen Regeln und
2) figurativen Regeln

Ersteres sind Regeln, welche eine direkte Aussage über Zusammenhänge in der Spielwelt treffen (z.B. Ausrüstungslisten mit Preisen in der Spielwelt-Währung).

Letzteres sind Spielmechanismen, welche irgendwie mit der Spielwirklichkeit in Einklang gebracht werden müssen (z.B. Waffenschaden) - dies geschieht durch Interpretation der Ergebnisse ("Du hast mit dem Breitschwert kritisch getroffen, aber nur 4 Schadenspunkte gemacht? - Du stößt mit voller Kraft voran und er weicht nach hinten gegen die Wand aus. Dein Schwert zertrümmert den Fels neben ihm und scharfe Steinspltter regnen auf deinen Kontrahenten herab.").

Das Problem des "Regeln können XY doch gar nicht abbilden" tritt eigentlich nur auf, wenn man versucht literale Aspekte ind figurative Regeln zu pressen.

Danke. Das ist mal was neues für mich, Stoff zum nachdenken.

Offline Sephiron

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #26 am: 23.04.2011 | 08:12 »
Sowohl Pervy- als auch Vanilla-Spieler ordnen idR die (expliziten) Regeln ihrem Anspruch ans Spiel unter. Die den Regeln zugeschriebene Aufgabe unterscheidet sich jedoch.
Vanilla-Regeln sollen Streit (bzw. Zielkonflikte) schlichten. ("Würfeln wirs einfach aus, okay?")
Pervy-Regeln sollen zu Leistung (im Sinne der CA) animieren.

Wenn eine Gruppe konstant hohe Energie und klares Zielbewusstsein hat, erfüllt sie ihren Anspruch auch ohne explizites System. Lediglich die Stolpersteine im Spielfluss müssen irgendwie ausgeräumt werden.

Nur wenn Energie oder Zielstrebigkeit nicht dem gewünschten Level entsprechen, braucht man "System-Doping".
Andererseits schlichten Pervy-Systeme im laufenden Spiel keine Zielkonflikte. "Falsche" Erwartungshaltungen müssen im Voraus ausgeräumt werden, sonst droht Unzufriedenheit.

Ich ahne einen Zusammenhang zwischen pervy und unkonventionellen Designansätzen:
Forgespiele schaffen es durch ihr unkonventionelles Design, vorschnelle Erwartungshaltungen zu beseitigen... bei Spielen, die irgendwie "klassisch" aussehen, ist es deutlich schwieriger, Spieler dazu zu bringen, ihre Erwartungshaltungen zu vergessen.
Ein Sim-System mit Attributen, Fertigkeiten und Waldelfen pervy zu nutzen ist deshalb viel schwieriger als ein Nar-System mit Themenbatterien, Drehscheibe und psychodelischen Strichmännchen.

Um zu meiner Frage zurück zu kommen:
Ich versinke in Erzählschlachten, tiefer Charakterimmersion oder gnadenlosen Wettkämpfen bis mir irgendwann auffällt, dass es im RL schon längst dunkel ist und bald wieder hell wird, obwohl wir eigentlich nur vier Stunden oder so spielen wollten. Ich spiele, weil es nervenaufreibend, tiefgreifend, erschöpfend und hochgradig befriedigend ist.
Was tun vanilla Spieler? ... Sich entspannen?

Zu dem Text:
Im verlinkten Text scheint es um die Fragestellung "Wir haben ne Gruppe. Wir spielen. Wie entscheiden wir?" zu gehen.
Das hat mMn wenig mit pervy vs. vanilla zu tun.
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Offline Benjamin

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #27 am: 23.04.2011 | 08:37 »
Zwei kurze Brocken zu einige Beiträgen:

Erstens möchte ich zu bedenken geben, dass nur gepflegte Langeweile einen guten Tag besonders macht aka Tyranny of fun.

Zweitens ist der einzige Computer, der die Wolken simulieren kann, die Wolken.

Offline Sephiron

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #28 am: 23.04.2011 | 11:31 »
Erstens möchte ich zu bedenken geben, dass nur gepflegte Langeweile einen guten Tag besonders macht aka Tyranny of fun.

Das Thema "Tyranny of Fun" geht tatsächlich in die selbe Richtung:
Ich kenn die wesentlichen Unterschiede zwischen D&D 3E und 4E. Ich habe festgestellt, dass Regeln und Setting der vierten Edition schlüssiger und funktionaler sind und dem Fokus des Spiels stärker entsprechen. Da ich besagten Fokus aber langweilig finde, hat mir die neuere Edition aber weniger zu bieten. So weit versteh ichs.
Trotzdem war der thematische Fokus von (A)D&D schon immer Kampf & Taktik, auch in den alten Editionen.
Klar ists ärgerlich, wenn man sein Geld in Regelbücher gesteckt hat, die sich eher schlecht als recht für die Themen eignen, die man bespielen will, und noch ärgerlicher, wenn die nächste Edition noch weniger dafür taugt. Wenn man mit dem thematischen Fokus von D&D4 unzufrieden ist, dann war D&D3 auch nicht die richtige Wahl.
Reife des Mannes: das heißt den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel.

Offline Dirk Remmecke

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #29 am: 23.04.2011 | 11:50 »
Wenn man mit dem thematischen Fokus von D&D4 unzufrieden ist, dann war D&D3 auch nicht die richtige Wahl.

Ich glaube nicht, dass das stimmt.

Settembrini z.B. ist von 3e begeistert und lehnt 4e vehement ab, weil er gewaltige strukturelle Unterschiede sieht. (Stichwort "Encount4rdation".)

Offline Sephiron

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #30 am: 23.04.2011 | 13:38 »
Ich glaube nicht, dass das stimmt.

Settembrini z.B. ist von 3e begeistert und lehnt 4e vehement ab, weil er gewaltige strukturelle Unterschiede sieht. (Stichwort "Encount4rdation".)

*nachles* Naja, Settembrini regt sich sowieso immer auf meint wohl was anderes als Benjamin mit seiner "gepflegten Langeweile".
ARS hatte mE auch nix mit vanilla zu tun, sondern gehört in die pervy Gam-Ecke.
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Belchion

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #31 am: 23.04.2011 | 13:51 »
Settembrini z.B. ist von 3e begeistert und lehnt 4e vehement ab, weil er gewaltige strukturelle Unterschiede sieht. (Stichwort "Encount4rdation".)
Genau den Vorwurf der "Encounterisierung" gab es von Seiten der OSR-Fraktion aber auch schon gegen D&D3, von daher würde ich dazu neigen, Sephiron hier zuzustimmen.