(Fredi der Elch/Apollo/Toastbrot/Leonie/Gaukelmeister)
(Parental Advisory: Explicit Content)
Es gibt diese Ereignisse, die dein Leben verändern, die dir die Augen öffnen und verdeutlichen: es gibt mehr, es gibt Größeres, es geht auch ganz anders. Von solch einem Ereignis soll im Folgenden die Rede sein. Ich spreche von meiner ersten Begegnung mit Primetime Adventures.
Stattfinden sollte dieses denkwürdige Zusammentreffen an einem Freitagnachmittag, Ende Februar 2008 im unscheinbaren Büdingen zu Anlass des GROSSEN. Eingeladen hatte Fredi der Elch. Eine Runde PtA beim Indieexperten Nr. 1 – und ich darf dabei sein. Genial, großartig, welch ein Glück – dachte ich vorher. Aber sollte noch besser kommen.
Nur für diejenigen, die (genau so wie ich) noch nicht all die Perlen kennen gelernt haben, auf die man bei öfteren Forenbesuchen aufmerksam gemacht wird, sei kurz angemerkt, dass man bei PtA „the greatest TV-Show that never was“ erschafft und spielt. Man überlegt sich gemeinsam eine Fernsehserie. Worum geht’s und wer sind die Protagonisten? Satirisch, düster, beschwingt oder melancholisch? Ganz gleich: ihr habt es selbst in der Hand, euch das Setting, das Thema, die Story, die Rollen etc. auszudenken. Wichtig ist nur, dass alle Beteiligten ihre Ideen beisteuern und am Ende ein Serienkonzept steht, an dessen Produktion alle mit Begeisterung und Leidenschaft mitwirken.
Eine analoge Funktion zum Spielleiter in anderen Rollenspielen übernimmt der Producer, der in besonderer Weise dafür verantwortlich ist, dass die Protagonisten in dramatische persönliche Konflikte, existenzielle Dilemmasituationen und herzzerreißende Krisen gestürzt werden. Jeder Spieler übernimmt die Rolle eines Protagonisten. Da Krisen und Konflikte das Schmiermittel guter Stories sind, sind die Spieler explizit dazu aufgerufen, ihren Protagonisten so mit Ecken, Kanten und Problemen zu beladen, dass im Spiel dramatische Szenen kreiert werden können.
Kommen wir also zum Issue. Jeder Protagonist hat ein Issue, womit hier soviel wie ‚das wesentliche Problem‘ des Protagonisten gemeint ist. In den einzelnen Folgen der Serie stehen die Issues der Protagonisten im Mittelpunkt. Für die Zuschauer heißt das: große Gefühle und melodramatische Momente am laufenden Band. Na ja, so würde ich die Sache jedenfalls beschreiben. – Jetzt aber wieder zum Wesentlichen:
Wir kommen also zusammen und beginnen damit, Ideen in den Raum zu werfen, worum es in unserer Serie gehen könnte. Ich hatte gerade irgendwo im Gemeinschaftsraum ein Tätowiermagazin rumfliegen sehen und war mal wieder fasziniert. Also schlage ich vor, dass Tätowierungen irgendwie eine wesentliche Rolle spielen sollen. Tattoo-Magie, Tätowierstudio, tätowierte Typen – mal sehen. Die anderen steuern sofort ihre Assoziationen bei: Biker, Roadmovie, Hard Rock. Wir spielen uns die Bälle zu, verwerfen ein paar Ideen und bauen andere aus. Am Ende steht dann folgendes Konzept:
Die tätowierten Amazonen
Wir sind ein paar heiße, dickbusige, in Leder gekleidete, superharte Amazonen, die auf ihren Bikes durch die Gegend ziehen und Zombies töten. Yeah, das ist fett! Tätowiert sind wir auch, aber das ist nur Color. Männer sind bei uns nur Deppen – aber dazu gleich mehr. Das Setting sieht wie folgt aus: Wir befinden uns in einer Stadt, die irgendwo in den heißen weiten der USA liegt. Außerhalb der Stadt herrschen apokalyptische Zustände: Zombies stürzen sich auf unschuldige Menschen. Splatter, Horror, Gemetzel – so was in der Art halt. Der Clou: die Zombies sind Männer, die sich durch den Anblick von Frauen in Zombies verwandeln. Sabbernde hirnlose Männermonster – irgendwie schon fast ein gesellschaftspolitischer Kommentar. Wir sind die Amazonen-Biker-Gang, die außerhalb der Stadt nach lebensnotwendigen Dingen sucht: Nahrung, Energie, Waffen – was auch immer. Wichtig ist nur: wir sind die heißen Amazonen. Wir sind stark, mutig und kompetent. Die Männer sind entweder sabbernde Zombies – außerhalb der Stadt. Oder Weicheier – in der Stadt. Wir sind übrigens entweder lesbisch (im Wesentlichen) oder gebrauchen Männer als Spielzeug. Habt ihr langsam eine Vorstellung?
Das reicht auf jeden Fall, um die Protagonisten genauer festzulegen. Erneut werfen wir ein paar Ideen in den Raum. Dabei denkt nicht jeder nur daran, was er selbst gerne darstellen möchte. Wenn jemand irgendeine interessante Idee hat, halten wir sie erst einmal fest. Später kann jeder dann überlegen, auf welchen Protagonisten er sich stürzen will. Wir einigen uns auf folgende Protagonisten, die wir gleich mit R-Map untereinander und mit einigen NPCs verbinden:
Toastbrot (Raupenkotze): Voodoo Valentine, eine schwarze Voodoo-Priesterin; Issue: Anhängerin der reinen Lehre (Frauen sind die besten, Männer sind bäh) und auf der Suche nach der Verflossenen (die zum Zombie mutiert ist); Edges: Voodoo, Machete; Connections: Verflossene; Personal Set: Voodoo-Ritual-Sex-Orgie
Apollo: Cute Cindy, Göre; Issue: will ernst genommen werden; Edges: jung, unsichtbar für Zombies; Connections: Fickschnalle (Dick); Personal Set: Tagebuch
Leoni: Mad Marge, Nahkampfbraut und Anführerin; Issue: Anführerrolle verteidigen; Edges: Splattern, Biker; Connections: Fickschnalle (Dick); Personal Set: Bike, Open Road
Gaukelmeister: Screwdriver Sam, Technikerin; Issue: wäre gerne ein Mann; Edges: Technikerin, Männer verstehen; Connections: Fickschnalle (Dick); Personal Set: Werkstatt
Leider bin ich jetzt nicht in der Lage, die R-Map so einfach zu übertragen (eine R-Map zu erstellen war für mich übrigens auch neu – was habe ich eigentlich vorher gemacht?). Hier einige zentrale Beziehungen:
Mad Marge beschützt Cute Cindy, kämpft mit Voodoo Valentine um die Alpharolle und spielt ein wenig mit Dick (der Fickschnalle)
Cute Cindy ist die Schwester von Dick
Voodoo Valentine findet es scheiße, dass mit Dick ein Mann in der Gruppe toleriert wird (das verstößt gegen die reine Lehre, derzufolge Männer Gesocks sind und Amazonen in allen Belangen überlegen ...); will Cute Cindy für ein Ritual missbrauchen, mit dem die Verflossene Valentines von ihrem Zombiedasein erlöst und zurück in einen Menschen verwandelt werden kann (es handelt sich um ein Voodooritual, in dessen Verlauf Cute Cindy entjungfert werden muss)
Screwdriver Sam liebt Cute Cindy und ist mit Dick befreundet
Dick, die Fickschnalle
O.K., wir haben also fast alles zusammen, um starten zu können. Normaleweise spielt man PtA als eine Staffel von 5 oder 9 Folgen. So viel Zeit haben wir nicht. Wir drehen genau eine Folge. Die Regeln geben einen Mechanismus an die Hand, mit dem sich festlegen lässt, wer in welcher Folge im Mittelpunkt steht, bloß mitläuft oder irgendwie dazwischen anzusiedeln ist. Wir spielen ein wenig mit der Screenpresence herum und einigen uns schließlich darauf, eine Folge zu drehen, in der Screwdriver Sam im Spotlight steht. Cute Cindy und Voodoo Valentine sollen ebenfalls relevante Konflikte durchstehen und Entwicklungen vollziehen. Mad Marge ist eher im Support tätig. (Die Wahl erklärt sich insbesondere dadurch, dass ich PtA-Newbie bin und die anderen mir deswegen gerne das Sahnestück überlassen. Danke!)
Wir starten also. PtA ist in Szenen aufgebaut. Jede Szene hat einen Fokus (Plot oder Character), eine Agenda (was passiert?) und eine Location. Fredi, der Producer, framet die 1. Szene. Im Folgenden schlagen dann die Spieler für ihre Protagonisten Szenen vor, jeder steuert Ideen bei und der Producer sorgt dann gemeinsam mit den Spielern dafür, dass es dramatisch wird. Hier also unsere Folge:
1. Szene
Fokus: Plot/Agenda: Materialien beschaffen/Location: Auf Bikes im Niemandsland
Die tätowierten Amazonen sind außerhalb der Stadt unterwegs, um irgendwelche wichtigen Dinge zu beschaffen. Wir geraten in einen Kampf mit Zombies. Plötzlich droht Cute Cindy von Zombies gesplattert zu werden.
Bis hierhin haben wir das Ganze ein wenig gespielt, durch Einwürfe die Szene im Detail ausbuchstabiert ... Jetzt initiiert unser Producer einen Konflikt. Cute Cindy ist in Gefahr. Screwdriver Sam liebt die Göre und will sie vor den Zombies retten. Schafft sie das? Den Konflikt tragen Fredi (als Producer) und ich (als Spieler von Screwdriver Sam) aus (mittels Spielkarten – Details ein andermal). Ich verliere den Konflikt. Und auch das Erzählrecht geht an Fredi (das ist eine der richtig coolen Ideen bei PtA: durch den Mechanismus zur Konfliktlösung wird gleich auch noch entschieden, wer die Szene zu Ende erzählen darf; das kann jeder sein, der im Konflikt Karten spielt – und da jeder im Konflikt Karten spielen kann, kann auch jeder das Erzählrecht bekommen; wer’s sich nicht richtig vorstellen kann: probiert es aus, es ist großartig!).
Screwdriver Sam schmeißt sich aufs Motorrad und würgt es ab. Sie kann es nicht mehr rechtzeitig schaffen, Cute Cindy aus den Klauen sabbernder Männermonster zu befreien – da kommt in allerletzter Sekunde Voodoo Valentine dazu und rettet Cute Cindy.
Die Dramatik des Konflikts wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass Screwdriver Sam Cute Cindy liebt und deswegen erstens Leid von ihr Fernhalten und zweitens ihre Zuneigung gewinnen will. Voodoo Valentine hingegen will Cute Cindy für ihre Voodooritualsexorgie einspannen. 1:0 für Voodoo Valentine.
2. Szene
Fokus: Char/Agenda: Dick (Fickschnalle) macht Screwdriver Sam Vorwürfe/Location: Werkstatt
Dick wirft Screwdriver Sam vor, sich nicht richtig um seine Schwester, Cute Cindy, zu kümmern. Das ist hart: schließlich ist Dick eigentlich ein Freund und Screwdriver Sam würde sich für Cute Cindy zerreißen. Doch Screwdriver Sam geht in die Offensive: sie verdächtigt Voodoo Valentine, ihr Motorrad manipuliert zu haben. (Daraus basteln wir den Konflikt.)
Dieses Mal gewinne ich sowohl Konflikt wie auch Erzählrecht: Screwdriver Sam untersucht ihr Motorrad und findet im Motor eine Schlangenhaut. Mit Verachtung in der Stimme flüstert sie noch: „Warte, bis ich ein Mann bin.“ Schnitt.
3. Szene
Fokus: Char/Agenda: Cute Cindy will sich bei Voodoo Valentine bedanken/Location: Voodoo-Hütte
Voodoo Valentine versucht die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen und Cute Cindy davon zu überzeugen, bei ihr als Voodoo Adeptin in die Lehre zu gehen. Der Konflikt sieht wie folgt aus: Cute Cindy will beweisen, dass sie erwachsen ist und nein sagen kann. Wenn sie verliert, nimmt sie verängstigt das Angebot an.
Cute Cindy verliert zwar den Konflikt, erwirbt aber das Erzählrecht. Apollo erzählt, wie Cute Cindy verschüchtert den Plänen Valentines zustimmt und einen Termin für das gemeinsame Praktizieren von Voodooritualen vereinbart.
4. Szene
Fokus: Char/Agenda: feixende Männersexisten machen sich über Screwdriver Sam lustig (Frauen und Technik ...)/Location: BBQ-Diner
Es hat sich herumgesprochen, dass die Technikerin Screwdriver Sam in einer heiklen Situation ihr Motorrad abgewürgt hat (1. Szene). Die Männer machen sich über sie lustig. Screwdriver Sam will beweisen, dass sie härter ist, als die Sprücheklopfer. Es kommt zu einem Wetttrinken.
Konflikt: Screwdriver Sam schafft es im Wetttrinken zu zeigen, dass sie Eier hat. (Ich gewinne Konflikt und Erzählrecht.) Screwdriver Sam trinkt einen nach dem anderen unter den Tisch und bekommt am Ende eine Form von Anerkennung, die ihr viel bedeutet: „Du bist doch ein richtiger Kerl!“
5. Szene
(Jetzt geht’s langsam ans Eingemachte.)
Fokus: Char/Agenda: Screwdriver Sam redet mit dem Doc über eine Geschlechtsumwandlung/Location: Doc’s Praxis
Die beiden haben schon vorher über eine Geschlechtsumwandlung gesprochen. Screwdriver Sam ist bereits in Behandlung und will endlich eine OP haben. Hieraus konstruieren wir den Konflikt.
Konflikt: Wenn Scredriver Sam gewinnt, kann sie den Doc überzeugen, die Behandlung rasch zu einem Abschluss zu bringen. Wenn sie verliert, will der Doc mit Mad Marge, der Anführein, sprechen. Dadurch würde der Plan öffentlich und Screwdriver Sam stünde ein Spießrutenlauf bevor.
Wisst ihr was: diesen Konflikt wollte ich verlieren! Ist doch klar: das Drama ist doch viel größer, wenn der große Traum von der Geschlechtsumwandlung zu platzen droht. Das haben übrigens alle so gesehen und dementsprechend mit ihren Karten den Producer unterstützt. Tatsächlich habe ich den Konflikt verloren, aber das Erzählrecht gewonnen. Ich konnte also ganz genüsslich den Tiefschlag selbst ausmalen, den Screwdriver Sam einstecken muss. Der Doc redet beruhigend auf sie ein, als würde er sie nicht ganz für voll nehmen, und geht dann zu Mad Marge. Screwdriver Sam ist in Gedanken bei Cute Cindy und spricht zu sich selbst: „Sie wird mich nie lieben, wenn ich kein Mann werde.“ Und damit das Ganze ordentlich ins Rollen kommt, sorge ich dafür, dass Cute Cindy die gesamte Szene heimlich beobachtet hat. – Von hier an dreht sich die Dramaspirale immer schneller.
6. Szene
Fokus: Char/Agenda: Cute Cindy spricht Screwdriver Sam auf OP-Wunsch und Liebesgeständnis an/Location: Werkstatt
Wir steuern schließlich auf einen doppelten Konflikt zu: Screwdriver Sam will erreichen, dass Cute Cindy versteht, wie sie sich fühlt und warum sie lieber ein Mann wäre. Cute Cindys Konflikt besteht in der Frage, ob sie Screwdriver Sam auch nach einer Geschlechtsumwandlung lieben kann. Wir legen die Karten. Screwdriver Sam gewinnt ihren Konflikt, Cute Cindy verliert, gewinnt aber das Erzählrecht. Eine herzzerreißende Szene schließt sich an: Cute Cindy, die ja genau versteht, wie Screwdriver Sam sich fühlt, bricht in Tränen aus, weil sie ahnt, dass sie niemals einen Mann wird lieben können. Mit den schluchzend hervorgepressten Worten: „Wir können ja Freunde bleiben ...“, endet die Szene.
7. Szene
Fokus: Char/Agenda: Doc informiert Voodoo Valentine und Mad Marge/Location: Hinterzimmer eines Saloons (es ist das Zimmer der leichten Lissy, die übrigens taub ist)
Die drei beratschlagen über das Schicksal von Screwdriver Sam. Darf sie sich operieren lassen? Mad Marge ist dagegen. Voodoo Valentine ist dafür.
Konflikt: Wenn Voodoo Valentine gewinnt, kann sie Mad Marge davon überzeugen, dass Screwdriver Sam zum Mann werden soll. Wenn sie verliert, setzt Mad Marge sich durch und es gibt eine riesige Popporgie, in der Screwdriver Sam in sexuelle Ekstase versetzt werden soll – und hierdurch zur Erkenntnis gebracht werden soll, dass es das Allergrößte ist, eine Frau zu sein.
Voodoo Valentine gewinnt den Konflikt und der Producer das Erzählrecht. Die Popporgie gibt es dann trotzdem (8. Szene), aber Screwdriver Sam will danach immer noch zum Mann werden.
8. Szene
Fokus: Plot/Agenda: Alle+Doc wollen Screwdriver Sam willig machen/Location: Werkstatt
Die Details darf sich jetzt jeder selbst ausmalen. Auf jeden Fall hatten wir hier eindeutig eine „Nur für Erwachsene“-Szene, in der neben Körperflüssigkeiten auch Motoröl eine Rolle gespielt hat. Wie auch immer: Big „Fickschnalle“ Dick war dazu auserkoren, Screwdriver Sam wieder auf den rechten Pfad zu poppen. Im Hintergrund lief die Orgie der anderen. Einen Konflikt gab es in dieser Szene nicht – wir wussten ja bereits am Ende der letzten Szene, dass Screwdriver Sam sich nicht von ihrem Weg abbringen lässt (schon gar nicht von einem dicken Schwanz).
9. Szene
Fokus: Char/Agenda: Unterhaltung zwischen Voodoo Valentine und Cute Cindy/Location: in Cute Cindys Zimmer, sie schreibt Tagebuch
Voodoo Valentine versucht Cute Cindy zu manipulieren. Sie will, dass die Göre ihre Voodoo-Adeptin wird, so dass Cute Cindy letztlich in der Voodooritualsexorgie entjungfert werden kann und die Verflossene Voodoo Valentines von den (lebenden) Toten zurückkehrt. Dabei versucht sie, Cute Cindy gegen Screwdriver Sam aufzubringen.
1. Konflikt: Wenn Voodoo Valentine gewinnt, wird Cute Cindy Voodoo-Adeptin. Ansonsten halt nicht.
2. Konflikt: Wenn Cute Cindy gewinnt, hat sie Verständnis dafür, dass Screwdriver Sam zum Mann werden will. Wenn sie verliert, ist sie sauer auf Screwdriver Sam.
Voodoo Valentine gewinnt, Cute Cindy verliert, gewinnt aber das Erzählrecht. Voodoo Valentine fordert Cute Cindy auf, erwachsen damit umzugehen, dass Screwdriver Sam so fehlgeleitet ist (erinnert euch: als erwachsen anerkannt zu werden, ist das Issue von Cute Cindy). Cute Cindy entgegnet nur kalt: „Ich werde ihr wehtun.“ Schnitt.
10. Szene
Fokus: Char/Agenda: Mad Marge will Screwdriver Sam die OP ausreden/Location: die Werkstatt nach der Orgie
Die beiden diskutieren. Das Gespräch läuft auf folgenden Konflikt raus: Wenn Screwdriver Sam gewinnt, kann sie Mad Marge davon überzeugen, auch als Mann noch zur Gang zu gehören. Wenn sie verliert, wird Mad Marge sie aus der Gang schmeißen. – Puh, ich gewinne. Aber die eigentliche Niederlage haben wir uns fürs Ende aufgespart.
11. Szene
Fokus: Char/Agenda: Aussprache zwischen Cute Cindy und Screwdriver Sam/Location: Voodoo-Hütte
Screwdriver Sam ist inzwischen ein Mann. Cute Cindy ist in die Insignien einer Voodoo-Adeptin eingekleidet. Unter Tränen und mit einem Flehen in der Stimme versucht Screwdriver Sam Cute Cindy zurückzugewinnen. „Gibt es für unsere Liebe noch Hoffnung?“
Der Konflikt ist klar: wenn ich gewinne, kann ich Cute Cindy, meine große Liebe, zurückgewinnen. Wenn ich verliere, wird meine Welt ein Meer aus Trauer und Schmerz. – Ich verliere.
Fazit
Wahrlich ein großer Moment! Das Spiel war eine Offenbarung für mich: so hatte ich bisher noch kein Rollenspiel gespielt. Aber ich war sofort gefangen und fasziniert von gemeinsamen Sceneframing, dem Zuspitzen von Konflikten und dem Verteilen von Fanmail. – Das hatte ich bisher noch gar nicht erwähnt: der Fanmailmechanismus ist ja wohl die größte Erfindung seit dem D20. Ich glaube, wir hätten auch ohne das wechselseitige Verteilen von Storck-Schoko-Riesen einen Heidenspaß gehabt – aber um wie viel intensiver und ausgelassener wurde unsere Runde durch die unmittelbar erfolgende Anerkennung von brillanten Ideen, erfrischender Performance oder Schmeiß-dich-weg-Sprüchen. Ich habe es woanders geschrieben, aber ich wiederhole es hier gerne: kein Rollenspiel sollte ohne Fanmail gespielt werden. (Bin ich eigentlich ein Fanboy? Yeah!)
Jetzt noch auf die Mechanismen im Detail einzugehen ist sicherlich verzichtbar. Hoffentlich transportiert der Spielbericht einen Bruchteil meiner Begeisterung und macht auch ein wenig verständlich, was mich so elektrisiert hat. Nur noch so viel: die Fokussierung auf Issues und Konflikte treibt das Spiel auf eine Art und Weise voran, die cool, cooler, am coolsten ist. Dadurch dass jeder Spieler Szenen ausarbeiten und andere Spieler dazu einladen kann, in die Szene einzusteigen, bekommt man tatsächlich Shared Creativity hin. Natürlich steht und fehlt das Ganze mit guten Mitspielern. Aber da kann ich nur drei Kreuze machen und Halleluja rufen – Amazonen, ihr ward super!