Ich hab die Erfahrung gemacht, dass, wenn in einem Rollenspiel verschiedene Völker oder Gruppierungen oder Klassen oder Ähnliches angeboten werden, die Spieler dazu neigen, sich auch Verschiedenstes auszusuchen, auch wenn es vom Hintergrund oder auch den ganzen möglichen Abenteueraufhängern her durchaus möglich und vielleicht sogar logischer wäre, würde man sich gemeinsam für eine Gruppe ganz aus Mitglieder von Volk X oder Berufsgruppe Y entscheiden.
Diese "Neigung" der Spieler letztlich zu einem Haufen "Zootiere" an SCs zu gelangen, die einander so wenig "grün" sind, daß sie in verschiedene Käfige gesperrt gehören, kenne ich nicht von meinen häuslichen Runden der letzten 20+ Jahre. Solche SC-Zoos hatte ich in pubertierenden Jahren durchaus als "lustig" empfunden. Waren sie eigentlich nicht. Nur irgendwie bekloppt und für jedes Setting einfach unpassend - aber hat trotzdem Spaß gemacht mit 15 solche sozial unverträglichen Mutanten-Ninja-Einzelgänger zu spielen.
Aber man kommt darüber hinweg.
Irgendwann.
Was ich - nach unernsten Einstiegsversuchen - beim ernsthaften Einstieg in das Rollenspielen auf Glorantha gelernt habe, das habe ich auf alle anderen Rollenspiele weiter mitgenommen. - Die "Schicklichkeit" der Charaktere einer SC-Gruppe.
Schicklichkeit ist das Entsprechen einer gewissen gesellschaftlichen Norm, einer Erwartungshaltung, einer Vorgabe. SCs, die schicklich für ein Setting sind, die PASSEN einfach ins Setting und ZUEINANDER. - Sie sind als Individuen in der Spielwelt plausibel UND als Gruppe miteinander plausibel.
Wer legt fest, was nun schicklich ist?
Ich.
Genauer: der Spielleiter.
Wenn ich eine Babylon-5-Kampagne aufziehe, bei der ich die Vorgabe mache, daß ALLE SCs in irgendeiner Form im diplomatischen Dienst oder mit "diplomatennahen" Berufen ausgestattet sein müssen, um bei mir spieltauglich (eine Voraussetzung ist die Schicklichkeit) zu sein, dann schränke ich die nach Regelsystem an sich FREIE Wahl der Spieler bezüglich ihrer Charaktere ein. Dessen bin ich mir bewußt. Und dessen sind sich die Spieler bewußt. - Und wer das nicht mag, der spielt woanders und was anderes. Kein Makel.
Klar würde mich interessieren, warum das so ist, aber hier hätte ich gerne mal eure Erfahrungen, wie es in Gruppen lief, in denen das nicht vorkam.
BESTENS lief das! - Beispiele: Militärisches Rollenspiel. Hier ist die freie Wahl der möglichen Charaktere durch die Schicklichkeit gefälligst einen DIENSTTAUGLICHEN SOLDATEN als SC zu erstellen eingeschränkt. - Folge: Die so erstellten Charaktere passen BESTENS zu den zu spielenden Abenteuern, den Stories, den Komplikationen, den moralischen Fragestellungen, die die gesamte Kampagne bewegen und in Fahrt halten.
Das wäre beim "Viele viele bunte Aliens"-Spielercharakter-Zoo NICHT so sichergestellt - im Gegenteil: hier ist zu ERWARTEN, daß dieser Haufen Unverträglicher auseinanderläuft und bestenfalls durch den gemeinsamen Willen der Spieler mal ein paar Monster zu kloppen beisammen bleibt.
Im Übrigen: Bei ECHTEN Mutanten-Haufen wie bei Gamma World ist zumindest in GW 1st Ed. und den späteren Materialien der ZUSAMMENHALT der physisch unterschiedlichsten SCs durch ihre GEMEINSCHAFT, von der sie ein Teil sind, gegeben. GW ist schon immer ein AUFBAUENDES ein soziales, ein politisches Setting gewesen. - Auch hier wären auseinanderlaufende oder auch nur auseinanderstrebende SCs für das Spiel geradezu desintegrierend.
Einfacher ist es mit dem Fantasy-SWAT-Team. - Hier bieten die vielen bunten SCs eben unterschiedlche Spezialisten-Rollen eines SWAT-Teams in einer Fantasy-Welt. Da ist das Fremdartige im Sozialen eher sekundär.
Das hatte mit AD&D 2nd Ed. auch ein Ende.
Die vielen D&D-Settings kamen nicht von ungefähr mit Regionenbeschreibungen daher, die schon allein INNERHALB einer Region, eines kulturellen Raumes enorm vielfältige Charaktere prinzipiell derselben groben Ausrichtung erlaubten.
Bei neuen Fremdrassen, mit denen mich Rollenspielentwickler "ködern" wollen, frage ich eher "Wozu?" - Was geben mir diese neuen Rassen, was ich nicht schon anderweitig habe oder was ich nicht einmal zu wollen geträumt hätte?
Viele Spielwelten stellen Spielern "Schicklichkeits-Fallen" in der Settingdarstellung. - Glorantha hat UNMENGEN an spielbaren Fremdrassen mit eigenen, interessanten kulturellen Aspekten usw. - Und Glorantha hat NOCH VIEL MEHR an menschlichen Völkern, die kulturell kaum unterschiedlcher und damit auch UNVERTRÄGLICHER sein könnten.
Niemand WARNT die Glorantha-Spieler aber, daß eine Gruppe aus einem Dragonewt, einer Lunaren Priesterin, einem Kralorelaner Drachen-Mystiker und einem praxianischen Stormbull-Berserker einfach NICHT GEHT!
Was machen nämlich die anderen Völker mit solchen unpassenden Gestalten PLAUSIBLERWEISE? - Genau! Sie legen sie um, weil eine typische, zoo-artige "Abenteuerergruppe" keinerlei Loyalitäten kennt, zu niemandem dazugehört, OUTLAWS darstellt, die vogelfrei und somit jenseits jeglichen Rechts sind. - Die machen nur ÄRGER und entweihen unsere heiligen Stätten!
Ich habe die BESTEN Erfahrungen mit schicklichen Gruppen gemacht, die alle unterschiedliche Persönlichkeiten aus demselben Stamm waren. Diese hatten gewisse "Grundgemeinsamkeiten", auf die die Spieler ihre SCs erstellen konnten, und diese paßten dann WUNDERBAR in die Spielwelt.
Die KUNST einen Charakter zu erstellen erlebt man stets in der BESCHRÄNKUNG, die dabei zum Tragen kommt. - Beschränkungen hinsichtlich Gruppenverträglichkeit, "Story-Potential", usw. sind landläufig bekannt. - Für mich gehört die Schicklichkeit eben schon immer und ganz im Kern zu einer in sich stimmigen Gruppe hinzu.
Bei Engel ist das einfach: Fünf Orden, fünf SCs, jeder muß einem anderen Orden angehören. Alle haben GEHORSAM gelobt und ALLE KÄMPFEN, weil sie alle MILITÄRS sind - die KÄMPFENDEN Orden heißen nicht so, weil dort Jammer-Emo-Engel beim Kräutertee sitzen und sich gegenseitig zuweinen!
Hier ist es für einen Spieler schnell und leicht möglich zu erfassen, was ein schicklicher Charakter ist. - Daher habe ich in dieser Hinsicht bei Engel wenig Probleme gehabt (einzelne LUSCHEN-Spieler gibt es immer mal wieder - von denen kann man sich aber auch trennen und hat dann wieder seine Ruhe).
Aktuell spielen wir in unserer Hellfrost-Runde ALLE Menschen, ALLE Kämpfer, und ALLE grundverschiedene Charaktere! - Wir hatten bei gemeinsamer Charaktererschaffung zwar die Optionen, die Hellfrost an Fremdrassen zu bieten hat, genau angeschaut, hatten aber für ein Setting mit "runequestigem" Feeling automatisch alle Menschen-SCs haben wollen. Und daß alle Krieger/Kämpfer sind, liegt daran, daß es JEDEM SPIELER Spaß macht auf die Kacke zu hauen. - Somit "unterversorgt" in Bereichen der Magie und insbesondere bei den sozialen Aufgaben eines Faceman ging es in z.T. erhebliche NSC-Interaktion, Ermittlungen, usw. erfordernde Abenteuer.
Unsere Charaktere sind - verglichen mit den im TAG-Forum und andernorts beschriebenen Gruppen - eine SEHR HOMOGENE SC-Gruppe. Und doch KEINE Luschen-Gruppe! Im Gegenteil: wir PASSEN in die Welt, weil die allgegenwärtigen Militärs dort "unsere Sprache" sprechen, unsere Anlaufpunkte in der Spielwelt sind, wir mit unseren SCs die IN der Spielwelt vorhandenen, üblichen ROLLEN übernehmen können, und somit gleich MITTENDRIN in der Welt, der Gesellschaft, und Unmengen sozialen Konflikt- und Komplikations-Potentials stecken.
Ich finde das gut so.
Das ginge auch mit einer anderen, homogenen Gruppe wie z.B. herumziehenden Heilern, einem Zauberer samt Gefolge (wie bei ars magica), usw.
Hier möchte ich gerne wissen, warum ihr euch irgendwann mal für eine (im oben umrissenen Sinne) homogene Gruppe entschieden habt und wie das im Spiel lief, mitsamt Vor- und Nachteilen.
Nachteile sind klar: Manche Fähigkeitsbereiche werden nicht aus der SC-Gruppe heraus abgedeckt. - Aber wer sagt denn, daß sie das MÜSSEN?
Wenn man Experten anheuern muß, dann hat man schon gleich wieder NSC-Interaktion, dann kann der Spielleiter auch mal für länger bestimmte NSCs ausspielen, dann wirkt die Spielwelt gleich glaubwürdiger.
Der "Nachteil" der geringen Streuung der Fähigkeiten ist rollenspielerisch ein VORTEIL! Mehr Spiel wegen weniger "Autarkie" einer Gruppe an SCs.
Vorteile: Oje, hier wird es schwer sich zu beschränken. Es ist nämlich so, daß gerade mit militärischem Rollenspiels z.B. bei B5 GROPOS, bei Engel, bei Weird Wars II, bei Necropolis, usw. gleich ein ganzes UNIVERSUM an VORTEILEN homogener Gruppen erschlossen wird. - Man kann sich auf die EIGENTLICHEN KONFLIKTE des Settings, auf das THEMA der Kampagne, auf die MORAL der Spielerfahrungen konzentrieren.
Für mich geht militärisches Rollenspiel NICHT ohne moralische Fragestellungen. Die gehören da einfach ganz zentral dazu - wo, wenn nicht da, wird man STÄNDIG in Extremsituationen auch psychischer Art verwickelt, die einem die eigenen Werte zerbröseln lassen können?
Andere Rollenspielformen haben weniger klar ausgearbeitete Themen, Kernkonflikte und Moralfragestellungen. - Im Extremfalle eines ausschließlich auf die Einzelcharaktere und deren "Ausleben" ihrer Anlagen ausgerichteten Rollenspiels tritt die Bedeutung einer in sich und OHNE die SCs existierenden Spielwelt in den Hintergrund. Hier kann somit eine schickliche Gruppe an SCs wirklich aus einem Haufen Zoo-Tiere bestehen (Madagaskar?). Das stört nicht, weil die SCs sich nicht an der Welt "reiben" sollen, sondern ANEINANDER.
Hier kann man AUCH mit homogenen Gruppen arbeiten, aber die bieten hier kaum einen Vorteil gegenüber inhomogenen Alien-Mischungen.
Man sollte bei all dem Homogenitätsgerede nicht vergessen, so RICHTIG homogen ist nämlich KEINE GRUPPE! Selbst wenn alle DIESELBEN KLONE spielen sollten, so sitzen dahinter immer noch unterschiedliche SPIELER, die für die Unterschiede im Spiel Sorge tragen werden.