Bin ich hier richtig im Diskussionsthread zu 'Der Eine Ring' - sprich: darf ich hier meine ehrliche Meinung über die Qualität der Übersetzung kundtun?
Ich fange mal mit einem Rückblick auf das Jahr 1983 an: Damals hatte ich mir die AD&D Grundregelwerke in der deutschen Übersetzung des FSV Verlags zugelegt. Um es kurz zu machen: Meine Englischkenntnisse waren noch nicht besonders gut, aber ich habe mich maßlos über die schlechte Übersetzung geärgert. Der wichtigste Punkt dabei: Dank der inkonsistenten Übersetzung von Regelbegriffen war es kaum möglich, das Spiel vernünftig zu spielen. Damals fasste ich dann den Entschluß fortan lieber meine Englischkenntnisse zu verbessern und Regelbücher lieber im englischen Original zu kaufen - einige Jahre später folgte dann auch die konsequente Umstellung auf englischsprachige Romane.
Warum ich nun, 28 Jahre später doch wieder die deutsche Übersetzung eines Rollenspielbandes gekauft habe? Nun, die deutsche Ausgabe ist im Gegensatz zur Originalausgabe ein Hardcover-Buch anstelle eines Schubers mit zwei 'Softcover-Heftchen'. Außerdem ist es nach wie vor in diesem Lande einfacher, andere Spieler für ein System zu begeistern dessen Regeln in deutscher Sprache vorliegen. Der Uhrwerk-Verlag war mir bis dato unbekannt, schien aber Erfahrung mit der Übersetzung von Rollenspieltexten zu haben. Was lag also näher, als einem (vermutlich) kleinen deutschen Verlag etwas Unterstützung zukommen zu lassen?
Nun, was soll ich sagen; ich habe bekommen, was ich wollte: ein wunderschön anzusehendes Buch in exzellenter Druckqualität. Aber leider, wie schon vor 28 Jahren, ist es vollkommen unbrauchbar für seinen eigentlichen Daseinszweck: als Referenz für ein neues Rollenspielsystem zu dienen.
Ich will hier gar nicht von Rechtschreib- und Grammatikfehlern sprechen (auch wenn diese durchaus reichlich vorhanden sind und gleich mindestens zwei davon es auf den Buchrücken geschafft haben) oder von Seitenreferenzen, die entweder falsch oder sicherheitshalber gleich XXX lauten. Meine Hauptkritik gilt der inkonsistenten Übersetzung von regeltechnischen Begriffen.
Die regeltechnischen Unterschiede (bzw. Fehler) in der deutschen Version dürften anscheinden vor allem daher kommen, das wir für die Übersetzung nicht die entgültigen Dateien bekommen haben, sondern eine Version davor, ohne das wir danach noch explizit auf weitere Regeländerungen hingewiesen wurden.
Das ist gut zu wissen, könnte es doch die Widersprüche und unverständlichen Regelabschnitte erklären, die bei mir ein leichtes Stirnrunzeln verursacht haben.
Ich spreche hier von Dingen wie der Vergabe von Erfahrungs- und Abenteuerpunkten oder der Verwendung und Auffrischung von Gemeinschafts- oder Gefährtenpunkten (oder wie auch immer die nun eigentlich heissen sollten) oder auch dem Einsatz von Hoffnungspunkten vor oder nach Würfen.
Leider ist das aber keine Erklärung für die Masse an Begriffen, die in jedem Kapitel anders übersetzt wurden. Die Erklärung dafür liegt nämlich auf der Hand sobald man einen Blick auf das Impressum wirft:
Hier durften sich offensichtlich sechs verschiedene Übersetzer ohne jegliche gemeinsame Richtlinien austoben und Begriffe nach eigenem Gusto übersetzen. Es wurde scheinbar kein Versuch übernommen, die mehr oder weniger gelungenen Übersetzungsbemühungen in irgendeiner Form zu koordinieren.
Ein Blick auf den Charakterbogen genügt, um bei mir die Erinnerung an die Vielfalt von Übersetzungsvarianten zu wecken, die mir im späteren Verlauf begegnet sind:
- Heldentum/Heldenmut/Wagemut
- Erkenntnis/Empathie
- Elend/Verzweifelt
- Ausdauer/Konstitution
- Gemeinschaftspunkte/Gefährtenpunkte
- Anführer/Führer
- Späher/Ausguck
etc.
Andere Beispiele, die zum Teil bereits genannt wurden: Kriegerisch/Martialisch, Selbstversorger/Bescheiden, Aktionen/ Aufgaben/Tests/Herausforderungen, Wissen/Kunde(?)/Gebräuche(???), Riesenhaft/Groß, Entsetzliche Stärke/Fürchterliche Stärke, Bewohner der Dunkelheit/Kreatur der Finsternis, Übler Geruch/Übler Gestank, etc., etc., etc.
Was nützt mir angesichts dieser Begriffsvielfalt ein Index? Da findet sich ja nicht einmal ein Drittel dieser mehr oder weniger passenden Übersetzungsvarianten.
Und dann der Todesstoß: Widersprüchliche Regeln. Mag ja sein, dass diese zumindest teilweise auf vorläufige Originaltexte zurückzuführen sind, aber warum ist das hinterher niemandem aufgefallen bevor das ganze in Druck ging?
Mein Fazit ist jedenfalls eine ganz klare Empfehlung die Finger von diesem Band zu lassen!
Außer offenkundiger Inkompetenz und mangelndem Verständnis für die Prioritäten bei der Übersetzung eines derartigen Regelwerks fällt mir hier keine Erklärung ein. Die 50 Euro verbuche ich als Lehrgeld und werde dem Verlag ganz sicher keine zweite Chance geben. Mal sehen, ob ich einen solchen Fehler in 28 Jahren nochmal wiederhole - ich hoffe nicht!