Wir spielen gerade Sundered Skies, ein Savage Worlds Setting. Das ist eine Welt, bei der größere Insel in einem Lichtäther herumschweben. Zwischen den Inseln verkehren Schiffe, es gibt Handel, Piraten und Küstenwache. Warum die Welt irgendwann zersplittet ist, wissen die Spieler nicht.
Der SL fordert aktive Mitbeteiligung von den Spielern. Alle mussten Flaggen zeigen und sich konkrete Lebensziele für ihre Charaktere ausdenken. Wir sind auch angehalten, uns Details der Spielwelt auszudenken. Es ist klar, dass der SL weg von Railroading will.
Aber es klappt nicht wirklich. Er zwingt uns nicht ein Abenteuer auf. Er bietet uns an jedem Ort stets mehrere Plotaufhänger an, die unabhängig voneinander sind. Allen gemeinsam ist, dass sie auf Geheimnisse der Spielwelt zusteuern. Jedes Plotangebot des SL lädt uns dazu ein, eine bisher unbekannte Facette der Spielwelt zu entdecken.
Darum geht es also: die unbekannte Welt entdecken.
Und jetzt die Zielkonflikte.
1) Die Tatsache, dass wir Spieler unwissend über die Spielwelt sind und diese nach und nach erschließen sollen, baut eine Grenze auf, die genau zwischen Charakter und Spielwelt verläuft. Das einzige, worüber ich sicher bescheid weiss, ist mein eigener Charakter. Alles andere ist fremd und möglicherweise schon in ein bestehendes Geheimnis eingebunden. Dieses Fremde soll ich erschließen. Das beißt sich mit der Forderung, dass wir über die Spielwelt mitbestimmen sollen. Die Spielwelt ist nicht offen. Die Geheimnisse darin stehen bereits fest, die Ploteinladungen machen das mehr als deutlich. Es ist wie eine Detektivgeschichte. Das Ereignis steht fest und muss sichtbar gemacht werden. Da kann ich als Spieler keine Details frei durch Ausdenken festlegen. Das könnte feststehende Zusammenhänge aushebeln und ich habe keine Möglichkeit zu erkennen, wann meine Einfälle etwas wichtiges zerstören und wann sie einfach fluffig bereichernd sind.
Es ist grundsätzlich möglich, Entdeckung des Unbekannten und Weltgestaltung durch Spieler zu verbinden. Wenn klar ist, dass es Unbekanntes gibt, aber nicht festgelegt ist, was es ist, kann die Gruppe kreativ werden und sich das Unbekannte direkt im Spiel ausdenken. Bei uns ist der Fall anders. Klar ist, dass das Unbekannte schon feststeht. Kreative Selbstgestaltung der Spielwelt kann das feststehende Geheimnis aushebeln. Daher gibt es eine starke Hemmung, etwas zu bestimmen, was außerhalb des eigenen Charakters liegt. Könnt ihr verstehen, was ich meine?
2) Flaggen und Lebensziele funktionieren nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich habe das Gefühl, wie gewohnt auf Schienen zu fahren. Der Unterschied besteht darin, dass der SL viele Schienen auslegt und wir uns selbst aussuchen können, welche Richtung wir nehmen. Es gibt kein Script für uns, so viel sei klargestellt. Der Ausgang ist auch nicht vorbestimmt. Aber die Möglichkeiten, dem Lebensziel meines Chars aktiv näherzukommen, sind für mich nicht spürbar da. Immer wenn ich nicht auf eins der ausgelegten Schienen aufspringe, sondern irgendwo dazwischen einen eigenen Weg suche, ist der SL verlegen. Zwischen den Schienen ist nichts ausgearbeitet und nichts vorbereitet. Am Ende läuft es wieder darauf hinaus, dass wir bisher unbekannte Geheimnisse entdecken. Ich muss auf Schienen fahren und hoffen, dass der SL sie an meinem Lebensziel vorbeiführt. Meine Rolle dabei ist viel passiver, als ich es gerne hätte - und als der SL es einfordert!
Ich will damit nicht auf dem SL rumhacken, sondern tiefer graben. Einfach weil ich das Gefühl habe, dass die Ursachen tiefer sitzen. Vielleicht ist wieder dieses "Entdecke das Unbekannte" Szenario schuld. Wenn man zu Beginn fast nichts über die Welt weiss, ist es schwer, Lebensziele zu entwerfen, die sich gut an die Geschehnisse der Spielwelt anschmiegen. Vielleicht sind langfristige Ziele ohnehin unvereinbar mit "Entdecke das Unbekannte". Im Unbekannten kann es keine Ziele geben, weil doch alles unbekannt ist. Und sobald man ein Ziel hat, hat man einen bekannten Punkt, den man ansteuert. Dann ist das Erforschen des Unbekannten nicht mehr interessant.
Fazit:
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es bei Sundered Skies darum geht, Unbekanntes zu entdecken. Sandboxing wäre eine Möglichkeit, das umzusetzen. Railroading ist eine andere. Im vorliegenden Fall scheint Railroading angedacht, wobei viele Schienen ausliegen, zwischen denen die Gruppe frei entscheiden kann. Das ist für sich genommen nichts schlimmes. Es steht aber in Konflikt zu Forderungen nach Mitbestimmung über die Spielwelt und nach mehr Initiative von Spielern. Der SL will letzteres ja auch und ist ehrlich enttäuscht, wenn es nicht funktioniert. Und da ich das auch will, stellt sich natürlich die Frage, warum zum Teufel es nicht klappt. Ich meine, da steht uns das System im Wege. Oben habe ich geschildert, inwiefern genau. Es ist schwer, das präzise zu beschreiben. Warum eigentlich? Haben wir schon Theorien und Vokabular für die geschilderten Probleme, mit denen wir deutlicher darüber kommunizieren können? Das "Entdecke das Unbekannte" Szenario scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein.