Autor Thema: Mein GNS revised  (Gelesen 1819 mal)

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Offline Dr.Boomslang

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Mein GNS revised
« am: 6.03.2012 | 19:04 »
Angeregt durch die neuste GNS-Diskussion möchte ich hier endlich mal mein Verständnis des GNS-Komplexes zur Diskussion stellen, da ich das Thema nach wie vor für interessant und auch irgendwie für wichtig halte, obwohl es seit Jahren nicht weiter kommt. Über die Jahre haben sich meine Ideen wahrscheinlich etwas von den offiziellen edwardschen Definitionen entfernt, ich denke aber sie betreffen immer noch das gleiche Thema, nämlich Creative Agenda. Eventuell hilft mein Verständnis ja anderen mit ähnlichen Problemen bei den ursprünglichen Begriffen.
***

Crative Agenda beschreibt nach der alten Forge-Definition ästhetische Prioritäten und Interessen bezüglich der fiktionalen Inhalte, die in der Spielgruppe gegenseitig bestätigt und verstärkt werden. Den ersten Teil der Definition finde ich schon recht problematisch, weil zu abstrakt. Es hat sich das Mantra "GNS hat nichts mit Techniken zu tun" eingebürgert, daher wird eine CA oft als "Ziel" interpretiert. Das hat nicht besonders geholfen.
Techniken sind schließlich alle Methoden die dazu dienen fiktionale Inhalte zu erschaffen. Womit sollte GNS zu tun haben wenn nicht auch damit?
Deshalb behaupte ich, es ist sinnvoller eine CA als Bündel von möglichen Techniken, als Arten von Techniken, zu sehen. Warum eigentlich nicht?
Man kann vielleicht zu schärferen Abgrenzung sagen, dass CAs meist nicht durch Regeln direkt bestimmt werden, sondern eher durch das was die Spieler daraus machen. Es gibt also höchstwahrscheinlich auch keine 1 zu 1 Abbildung von CAs auf konkrete Techniken (sowas wie Immersion ist SIM,  Tabellen sind GAM, oder für NAR braucht man R-Maps).

Der zentrale Punkt einer CA ist für mich folgende Frage: Welche gemeinsamen Grundlagen nutzen die Spieler, um sich auf die Bedeutung der von ihnen geschaffen Fiktion zu einigen?
Das geht über ästhetische Präferenzen (für Sci-Fi oder Vampire oder Poolsysteme) weit hinaus und ist deutlich spezifischer. Diese Frage betrifft das ganz zentrale Element des Spiels, nämlich wie einfache Fiktion für die Spieler zu (Spiel-)Realität mit Bedeutung werden kann. Zu einer CA gehören demnach implizite und explizite Vereinbarungen über Ausgangspunkte und Methoden genauso wie die Prozesse die dazu führen daraus neue Bedeutungen der Fiktion zu entwickeln. CA kann man als den Zweck sehen den Techniken (die Mittel) haben können.

Einigen kann man sich nur wirklich wenn die gemeinsamen Grundlagen dazu ausreichen und alle Spieler ein ähnliches Interesse daran haben. Wenn dabei alles funktioniert ist das Spiel kohärent, ansonsten inkohärent*. Kohärentes Spiel hat immer eine CA, die man in eine der drei Bereiche einordnen kann.
*Dazu vielleicht später noch ein paar Gedanken

Da kommt natürlich sofort die Frage auf: Warum drei CAs? Warum ausgerechnet diese drei? Gute Fragen auf die ich nicht wirklich gute Antworten habe. Ich nehme an, dass die drei CAs so eine Art minimale Komplexität der Beschreibung sind, mit der man Rollenspiel als ganzes fassen kann.
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Vor einiger Zeit habe ich mal versucht mir für GNS eine zugrunde liegende Systematik zu überlegen. Was haben einzelne CAs gemeinsam? Was trennt sie? Gibt es zugrunde liegende Dimensionen? Wenn ja was sind die anderen (interessanten) Punkte in diesem Raum? Sowas ähnliches hat sicher jeder schon mal versucht der sich damit beschäftigt hat.
Folgendes ist dabei bis heute raus gekommen:

Je zwei CAs liegen auf entfernten Punkten einer Achse, das ist die Gemeinsamkeit die sie haben. Orthogonal zu so einer Achse, also unabhängig davon, verläuft eine weitere, innere Achse, auf der die andere der drei CAs liegt. Das ganze ergibt das bekannte Dreieck. Die äußeren Achsen müssen solche Grundlagen und Methoden sein, die einerseits in jedem Rollenspiel vorkommen können, andererseits in mindesten zwei von drei CAs eine wesentliche Rolle spielen und quasi das Gegenteil der jeweils dritten CA bezeichnen. Vielleicht sollte ich mal ein Bild machen, habe gerade keins in digitaler Form.
Nebenbei: Ich sage nicht dass man sich als Spielgruppe oder gar als Spieler irgendwo an einem beliebigen Punkt in diesem aufgespannten Raum (oder auf dem Dreieck) wiederfinden kann, oder dass eine Angabe wie 10% GAM, 30% NAR und 60% SIM sinnvoll wäre. Erstmal sind nur bestimmte Punkte von Bedeutung um sich Konzepte zu verdeutlichen.

Die drei inneren Achsen zu identifizieren, die jeweils eine CA mit der gegenüber liegenden orthogonalen Achse verbinden, ist die eigentliche Neuerung. Ich habe die drei Kategorien, die in jedem Rollenspiel in irgend einer Form vorkommen können, Modellierung, Konflikt und Darstellung genannt. CAs unterscheiden sich nun darin ob der jeweilige Aspekt des Rollenspiels gemeinsamer Ausgangspunkt des Spiels ist, oder ob es gerade darum geht diesen Aspekt offen zu halten und  im Spiel zu entwickeln (Creative Void).


Modellierung ist das Beschreiben eines Verhaltens in Regeln und die Abbildung eines Sachverhaltes auf das Modell. Im Rollenspiel wird fiktionalen Inhalten ein Modell zugeordnet (z.B. ein Spielwert) das bestimmt wie es weiter geht, welche Möglichkeiten sich ergeben.

Die CAs GAM und SIM setzen ein Modell voraus auf das man sich einigen muss, während dieser Aspekt bei NAR gerade die Aussage ausmacht, die jeder Spieler im Spiel selbst treffen darf. Wie die Welt funktioniert ist bei NAR gerade offen, die Spieler machen eigene Aussagen darüber im Spiel, durch ihr Spiel und während des Spiels und müssen darin frei sein.

Konflikt umschreibt wie die Spieler ihre unterschiedlichen Ansichten von den Möglichkeiten der Fiktion integrieren. Führen die Spieler absichtlich problematische, widersprüchliche Situationen herbei die nur durch äußere Entscheidung aufgelöst werden können, oder versuchen die Spieler gleich untereinander auf eine Synthese von Ansichten hinzuarbeiten?

Letzteres ist typisch für SIM-Spiel. Die Spieler dürfen sich dabei letztlich nicht wirklich uneins in Bezug auf die Fiktion sein. Es gibt keinen Mechanismus der einem Spieler "Recht" geben kann, zumindest nicht als Teil des Spiels selbst. Bei NAR und GAM hingegen geht es darum im Konflikt der unterschiedlichen Interpretationen der Fiktion seine eigene oder die interessanteste durchzusetzen.

Darstellung bezeichnet die Gewichtung der Fiktion und welche davon man wie erleben möchte. Was ist interessant und was ist uninteressant? Was bedeutet die Fiktion für den "Zuschauer"?

Im GAM spielt das keine Rolle. Es zählt nicht Darstellung sondern Leistung. Etwas anderes darzustellen ist immer weniger relevant. Bei SIM oder NAR hingegen müssen die Spieler selber wählen was sie wie darstellen. Die Qualität die sie hervorheben ist Teil ihres Spiels.
***

NAR liegt damit am Schnittpunkt von Konflikt und Darstellung. Es geht darum Konflikte zu erzeugen und zu bewerten. So entsteht eine Aussage. Das schließt eine feststehende Modellierung meist aus.

GAM liegt am Schnittpunkt von Konflikt und Modellierung. Es geht darum Konflikte zu bewältigen, deshalb muss es eine möglichst objektive Grundlage dafür geben (das Modell). Die Darstellung muss sich dem unterordnen. Was im Spiel wichtig und unwichtig ist steht schon fest.

SIM liegt am Schnittpunkt von Modellierung und Darstellung. Einfach nur ein Modell nachzuspielen reicht nicht aus. Es muss dargestellt und bewertet werden. Wie fühlt es sich an? Was daran ist interessant und warum? Das ist aber nicht im Konflikt der Spieler möglich. Man muss sich einig sein was Spieler mit der Fiktion tun dürfen.
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So das war mein Versuch. Später vielleicht mehr. Jetzt aber erst mal Kommentare.

Taschenschieber

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Re: Mein GNS revised
« Antwort #1 am: 6.03.2012 | 19:17 »
Das klingt auf den ersten Blick durchaus vernünftig. Allerdings hat ja z. B. FATE durchaus Modellierung, die sich aber nicht auf die Welt, sondern den Plot bezieht. FATE "modelliert" bestimmte Plotstrukturen (Komplikationen auf dem Weg zum Ziel) und gerade DFRPG kann man dafür imho als Paradebeispiel nehmen - es modelliert die Strukturen der DF-Romane.

Daher wäre noch zu klären: Was genau ist Objekt der Modellierung?

Offline Dr.Boomslang

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Re: Mein GNS revised
« Antwort #2 am: 6.03.2012 | 21:13 »
Daher wäre noch zu klären: Was genau ist Objekt der Modellierung?
Gute Frage. Objekt der Modellierung sind konkrete Elemente der Fiktion, wie sie gerade im Spiel geschaffen wurden (deshalb kann das ein Regelwerk auch immer nur teilweise vorweg nehmen).

Mit Modellierung meine ich die Bindung zwischen einem konkreten fiktionalen Inhalt und einem System aus Regeln (dem Modell). Je offener diese Bindung ist und je autonomer also ein Spieler darüber entscheiden kann, umso weiter geht das ganze in Richtung persönlicher Aussage und weg von einem objektiven Modell.
Wenn es sowas gibt wie ein Plot-Modell, bei dem erst im Spiel entscheiden wird welche Elemente der Fiktion welche Rolle im Modell übernehmen, dann ist das ein eher "schwaches" Modell in meinem Sinne.
Im GAM und SIM braucht man feste, verlässliche Modelle, was nicht zwingend heißt dass sie alle vorm Spiel feststehen müssen. Aber das Prinzip der Bindung an Fiktion muss für jeden klar, verbindlich und nachvollziehbar sein und ist eher keine Spielentscheidung. Modellierung ist hier eher "Ruling", in anderen Spielen kann sie hingegen einen gültigen "Spielzug" darstellen.

Offline Fredi der Elch

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Re: Mein GNS revised
« Antwort #3 am: 6.03.2012 | 21:35 »
Das geht leider alles ziemlich an der Sache (CA) vorbei. Was du beschreibst ist System. Sieht man hier ganz gut:
Zu einer CA gehören demnach implizite und explizite Vereinbarungen über Ausgangspunkte und Methoden genauso wie die Prozesse die dazu führen daraus neue Bedeutungen der Fiktion zu entwickeln.
Ersetze "CA" durch "System" und die Sache kommt so in etwa hin. Also sag am Besten einfach System. Sonst verwendest du einfach nur dieselben Begriffe mit einer anderen Bedeutung und das ist nur noch verwirrend.
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Zitat von: 1of3
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Mein GNS revised
« Antwort #4 am: 6.03.2012 | 22:06 »
Es geht gerade darum was man damit macht, mit dem System, d.h. speziell wie man der Fiktion Bedeutung verleiht. Ich könnte es auch ästhetische Präferenz nennen (CA).
Aber ja CA und System hängen natürlich zusammen. Wie könnten sie auch nicht? Darum geht es mir ja unter anderem.

PS: Kennst du noch dieses Bild?

[Social Contract [Exploration [Techniques [Ephemera]]]]
-------------------Creative Agenda------------------->

CA ist wie man das System benutzt, was das System zusammen hält. Das meine Ich, deswegen nenne ich es so. Alles andere was du über CA weißt gilt auch hier.
« Letzte Änderung: 6.03.2012 | 22:09 von Dr.Boomslang »

Offline Fredi der Elch

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Re: Mein GNS revised
« Antwort #5 am: 7.03.2012 | 09:38 »
CA ist wie man das System benutzt, was das System zusammen hält.
Eben nicht. CA ist nicht das Wie, sondern eher das Wofür. Welche kreative Zielsetzung ich mit meinem Spiel verfolge. Eben die ästhetische Präferenz.
Wenn du über das Wie sprechen willst, dann redest du über das System. Das System ist (grob gesagt) die Ansammlung von Techniken und dem ganzen Zeug, die bestimmt, wie die kreativen Inputs behandelt werden.
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Zitat von: 1of3
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Mein GNS revised
« Antwort #6 am: 7.03.2012 | 18:57 »
Ok, so kann man das sehen. Die Sache ist halt einfach dass man irgendwo eine willkürliche Grenze zwischen solchen Aspekten wie dem Wie, dem Warum, dem Womit und Wozu ziehen muss, weil die sich natürlich alle beeinflussen. Mich hat das nicht weiter gebracht immer auf dieser Trennung zu beharren (CA haben nichts mit Techniken zu tun). Man kann natürlich eine Trennung machen, die Frage ist einfach wo, und dazu muss man gerade betrachten was CAs mit Techniken zu tun haben, nur eben abstrakt genug.

Die Trennung kann man ja auch in meinem Modell erkennen. Ich habe ja drei weitere Aspekte eingeführt die man als Arten von Methoden (Techniken) sehen kann die mit CAs assoziiert sind. So beschreibe ich die CAs indirekt über die verwendeten Mittel. Mittel und Ziel hängen ja immer bis zu einem gewissen Grad zusammen und ich behaupte die Beschreibung die ich gemacht habe bezeichnet genau diesen Zusammenhang.

Offline Maarzan

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Re: Mein GNS revised
« Antwort #7 am: 7.03.2012 | 19:32 »
Vielleicht sollt eam Anfang stehen, was mit der Theorie beabsichtigt wird. Die Theoriebildung hat sich inzwischen wohl so weit verselbstständigt, dass nur noch rumdefiniert wird, was ohne Ziel doch bald in Beliebigkeit ausartet, da die Definitionen nicht mehr an einem Ziel, sondern nur noch an sich selbst und inzestiösen Referenzen gemessen werden können.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...