Autor Thema: Das alte Thema Tödlichkeit  (Gelesen 11380 mal)

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Offline Mann ohne Zähne

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #75 am: 27.08.2012 | 20:00 »
Oder man arrangiert sich als Spieler mit dem Fleischwolfcharakter des Spiels, was dann dazu führen dürfte, dass man keinerlei Mühe mehr in seine Charaktere investiert, sondern sie wie Pöppel in einem Brettspiel betrachtet. Beisst Joe, der Fighter ins Gras, kommt als Ersatz eben Joe II, dann Joe III, usw.
Bindung, Tiefgang, Immersion, alles Fehlanzeige.

Das ging uns so, als wir vor nach vielen Jahren Freeform wieder mal "was mit Regeln" ausprobierten und uns dabei auf OD&D einigten. Alleine in der ersten Sitzung starben fünf oder sechs Charaktere -- und tatsächlich, folgerichtig wurden ihre Nachfolger zur Ressource ohne jeglichen Tiefgang. Das mag sich alles ändern, wenn der Charakter ein paar Stufen überlebt hat -- mir persönlich ist das zu lange. Ich will das Eintauchen, und ich will es sofort, beginnend in dem Augenblick, wo das Spiel losgeht.
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Just_Flo

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #76 am: 27.08.2012 | 20:22 »
Hm, statt dem WegwerfCharakter auch noch den Hintergrund zu nehmen könnte man den WegwerfCharakter ja auch so spielen, wie er sich nach dem Hintergrund verhalten würde ...

Nichts gegen Wegwerf Charaktere, aber Charaktertod vs. Immersion sehe ich nicht.
Wird der Charakter immersiv gespielt, so verhält er sich so wie es stimmig ist und geht so auch die stimmigen Risiken (ob hoch oder niedrig) ein und überlebt so (oder nicht).


Offline Feuersänger

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #77 am: 27.08.2012 | 20:28 »
Was heisst hier "Hintergrund nehmen"? Der Hintergrund kommt ja nicht von der frischen Luft, den muss man sich selber in kreativer Arbeit _ausdenken_ und dem Charakter erstmal _geben_. Und die Mühe mach ich mir nicht, wenn die Charaktere ständig ins Gras beißen und der Zirkus alle drei Stunden von vorne losgeht.
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Offline Boba Fett

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #78 am: 27.08.2012 | 21:16 »
Wesentlich negativer als die mangelnde Tiefe bei einer hohen Sterblichkeit ist doch ein stetig wachsender Pessimismus und eine lähmende Paranoia.
Und zwar nicht der Charaktere (denen steht Paranoia ggf. ganz gut) sondern der Spieler.

Irgendwann glauben die stetig, nicht genug Informationen für Entscheidungen oder Pläne zu haben.
Es kommt das "wenn wir mit den aus der bisherigen Beinarbeit erwirtschafteten Informationen einen Plan schmieden und den umsetzen, gehen wir alle drauf" Feeling auf. Und das sogar mit Recht, denn es gehen ja andauernd die Charaktere drauf.
Das führt dazu, dass irgendwann gar nicht mehr losgelegt wird, sondern krampfhaft geschaut wird, ob man nicht irgendwo noch ein paar Hinweise sammeln und einige Eventualitäten einbeziehen kann.

Und das lähmt das gesamte Spiel.
Dann entsteht weder eine spannende erlebte "Story" und die Taktiker erleben auch keine interressante Situation, an der sie meinen knobeln zu können.

Davon abgesehen verleitet das stetige Versagen die Spieler dazu, ihre Charaktere zu Teflon-Billies zu gestalten, also Charaktere ohne Ecken und Kanten, aalglatte aber konturlose Rollen, damit einem der Spielleiter bloß keinen Strick aus ihrgendeinem Wesenszug drehen kann.
Denn logischerweise enden die Stricke dann oft tödlich und darauf hat kein Spieler Lust.
Um es mit Homer zu sagen: "LAAAAAAANGWEILIG!!!!"

Die Grundvoraussetzung für ein Shadowrun-Abenteuer, dass die Gruppe zufrieden zurücklässt, ist ein gesunder Optimismus bei den Spielern.
Die müssen das Gefühl haben, dass die den Run mit guter Wahrscheinlichkeit überleben und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch erfolgreich abschliessen können.
Die Charaktere sind die Mover & Shaker.

Es geht nicht darum, dass die Charaktere gar nicht sterben können. Absolut nicht!

Es geht darum, dass die Spieler nicht das Gefühl bekommen, dass die präsentierte Opposition ihnen in der Regel Niederlagen bereitet, dass sie ständig als "die Looser" dastehen und ewig aufs Maul bekommen, egal, was sie machen. Und dabei auch ständig das Personal wechseln müssen.
Wenn ein Charakter verreckt, dann muss ein "Au, scheisse!" Gefühl entstehen und kein "naja, halt wieder mal". Dann muss echt was schiefgegangen sein, die Würfel voll daneben liegen oder eben jemand voll in den Drek gegriffen haben.
"Charaktertod an der Tagesordnung" macht jedenfalls kein gutes Shadowrunspiel aus.
Nur "Scheisse fressen" demotiviert doch!
Und es ist auch nicht wirklich plausibel, dass Runner immer wieder Jobs annehmen, wenn sie sich ausrechnen können, dass sie wahrscheinlich in Kürze tot sein werden.

Zu diesem Punkt kommt als Kombination ein Wahrnehmungsfehler seitens der Spieler.
Die nehmen die Gegner immer (!!!) als stärker wahr, als sie es überhaupt sind.
Ein adäquater Gegner wird als starker Gegener wahrgenommen, ein starker als tödlicher...
Die logische Schlussfolgerung dessen ist, dass man als Spielleiter die Opposition ruhig etwas abrüsten kann, OHNE, dass es für die Spieler uninteressant wird.
Das sollte man nicht bei wirklich entscheidenden Gefechten machen, aber es gibt genug Situationen, wo dieses Hilfsmittel ("Lass den Wookie gewinnen.") greift.

'nough said!
« Letzte Änderung: 30.12.2013 | 10:27 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Feuersänger

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #79 am: 28.08.2012 | 03:06 »
Gut gebrüllt, Löwe.
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Offline blut_und_glas

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #80 am: 28.08.2012 | 07:59 »
Es geht darum, dass die Spieler nicht das Gefühl bekommen, dass die präsentierte Opposition ihnen in der Regel Niederlagen bereitet, dass sie ständig als "die Looser" dastehen und ewig aufs Maul bekommen, egal, was sie machen.

Das ist aber genau das, was ich von Shadowrun will.

Wobei da einerseits das Sterben nicht unbedingt dazugehört - schließlich ist es dann vorbei mit derm aufs Maul bekommen - und andererseits weiß ich wohl, dass ich mit der Ansicht nicht zur Mehrheit gehöre.

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #81 am: 28.08.2012 | 08:10 »
Das ist aber genau das, was ich von Shadowrun will.

Wobei da einerseits das Sterben nicht unbedingt dazugehört - schließlich ist es dann vorbei mit derm aufs Maul bekommen - und andererseits weiß ich wohl, dass ich mit der Ansicht nicht zur Mehrheit gehöre.

Das ist halt der dystopische Anteil an Shadowrun, den man ebenso betonen kann. Leider habe ich soetwas noch nie richtig im Spiel erlebt.
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Offline blut_und_glas

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #82 am: 28.08.2012 | 09:44 »
Das ist halt der dystopische Anteil an Shadowrun, den man ebenso betonen kann. Leider habe ich soetwas noch nie richtig im Spiel erlebt.

Es ist auch schwierig, weil du genug Leute brauchst, die das allesamt wollen. Insgesamt habe ich in meiner Shadowrunkarriere auch weniger lang/oft auf diese Art gespielt als anders.

Außerdem muss, damit es meiner persönlichen Idealvorstellung nahekommt, auch noch die Balance getroffen werden, zwischen einerseits "aufs Maul" und "Looser sein", aber andererseits trotzdem einem (hohen) Maß an Kompetenz - aufs Maul obwohl du hart bist (und nicht "aufs Maul und können tust du auch nix" - weshalb die diversen Low Power/Low Tech-Ansätze mir auch nie gefallen haben).

...

Na, toll. Jetzt habe ich wieder Lust dystopisches Shadowrun zu spielen.

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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #83 am: 28.08.2012 | 10:40 »
Na, toll. Jetzt habe ich wieder Lust dystopisches Shadowrun zu spielen.

Ich bin derzeit auf der anderen Seite: Kompetente Charaktere zeigens den Konzernen. Halt Leverage-Style ohne Tödlichkeit.
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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #84 am: 28.08.2012 | 12:48 »
Na, toll. Jetzt habe ich wieder Lust dystopisches Shadowrun zu spielen.



Dystopie hat doch nichts mit "die SCs werden permanent in den Arsch gefickt" zu tun. oÔ
Dystopie ist eine Sache der Atmosphäre. Es spricht überhaupt nichts dagegen, in einem dystopischen Setting kompetente Profis zu spielen, die sich nicht ans Bein pissen lassen.

Was du meinst, ist meinetwegen "Grim and Gritty". Dazu braucht man nichtmal zwingend ein dystopisches Setting.
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Re: Das alte Thema Tödlichkeit
« Antwort #85 am: 28.08.2012 | 18:16 »
Was du meinst, ist

...das Aufgreifen einer Formulierung von Bombshell zwecks eingänglicherer Antwort.

Übrigens ist die Kompetenz ja durchaus wichtig für meine Vision, die Bombshell da als dem dystopischen Anteil Shadowruns zugehörig klassifiziert hat.

Aufs Maul weil du eh nix kannst ist nicht halb so befriedigend, wie in den Dreck getreten werden, obwohl du hyperkompetent bist. Weil es eben tatsächlich egal ist, wie gut du bist. Weil der Einzelne - unabhängig von seiner Kompetenz, Integrität oder anderer Qualitäten - nichts bedeutet und nichts bewirken kann.

...was so betrachtet (jetzt wo ich das so aufschreibe) nun doch auch wieder als dystopische Interpretation des Settings (oder Zutat zu einer solchen) gesehen werden könnte...

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