Autor Thema: Faszination Krieg und Kampf  (Gelesen 1622 mal)

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Offline ZSV

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Faszination Krieg und Kampf
« am: 1.10.2012 | 22:00 »
Warum haben Krieg, Kämpfen und bewaffnete Konflikte im weitesten Sinne so eine seltsame Anziehungskraft? In vielen Spielen machen sie einen großen, teilweise gar den größten Teil aus, und die Vorstellung eines Ritters ohne sein Schwert, des Söldners ohne sein MG usw. ist einfach unvorstellbar.

Ich behaupte selbst von mir, ziemlicher Pazifist zu sein: im realen Leben halte ich rein gar nichts von bewaffneten Auseinandersetzungen, ekele mich teilweise vor Kriegsdarstellungen und finde es ganz allgemein einfach überhaupt nicht toll, wenn Menschen Gliedmaßen, sonstige Körperteile oder gar ihr Leben durch Schwerthiebe, Messerstiche oder Gewehrfeuer verlieren.

Dennoch kann ich z.B. von Militärtechnik nicht ablassen. Ich könnte mir stundenlang Panzer anschauen (was ich auch schon regelmäßig in Sinsheim gemacht habe :)), finde Waffen irgendwie "faszinierend" (was daran??) und liebe jegliche Kunst, Filme usw. betreffend Schlachten, insbesondere Raumschlachten und Space Marines in aller couleur. Ach ja, und Computerspiele mit Panzern und viel Feuerwerk usw.

Jetzt liegt da ja vordergründig irgendwo ein Widerspruch vor: auf der einen Seite Abscheu, auf der anderen Faszination. Nun ist es tatsächlich so, dass ich z.B. beim Sehen eines Panzers nicht denke: "geil, wie man mit der Kanone Menschen in der Mitte zerteilen könnte". Dennoch lausche ich gespannt, wenn man mir erzählt, wie man mit Kaliber X die Panzerung Y durchschlagen kann (mit der logischen Folge, das derjenige hinter der Panzerung sein Licht ausmacht).

Ich komme dabei immer wieder an den Punkt, wo ich mich selbst frage: ist das irgendwie in Ordnung, dass ich so auf diesen Militärscheiß stehe oder müsste ich meine ganz reale Einstellung auch ins (fantastische Hobby) übertragen?

Wie seht Ihr das? Ich gehe mal davon aus, dass viele mein Schicksal teilen und ein ähnlicher Wertungswiderspruch zwischen Reallife Überzeugung und Hobbyvorlieben besteht.

Was macht die Faszination also aus? Das gewaltige daran (Explosionen, Geballer, martialisches männliches Gekloppe)? Die Ästhetik (Stichwort: Kunst der Zerstörung, Fotos von Nuklearexplosionen, Form und Verzierungen einer Schwertklinge, ..)? Verborgene menschliche Gelüste (Zwang, sich messen zu wollen usw.)?

Die Autorin Maike Hallmann hat im Mephisto Interview z.B. mal gesagt: "ich mag es gern kaputt. Der Zerstörung wohnt eine besondere Ästhetik inne, die ich in meinem eigenen Leben fast so wenig schätze wie die meisten anderen Leute, die mich aber beim Schreiben regelrecht aufsaugt." Fand ich recht interessant zu lesen.


Taschenschieber

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #1 am: 1.10.2012 | 22:21 »
Und ich dachte schon, mit diesem Problem alleine da zu stehen  ~;D

Letzten Monat habe ich Call of Duty: Modern Warfare und CoD World at War gleich hinterher gespielt. Beide Teile haben mir saumäßig Spaß gemacht (wenn auch unter anderem deshalb, weil diese Spiele Krieg nicht wirklich glorifizieren, sondern schon gelegentlich mal einen ziemlichen WTF-am-I-doing-here-Moment erzeugen). Seit einem halben Jahr spiele ich World of Tanks. Davor hatte ich mit Militär und Militärtechnik keinerlei Berührungspunkte, ich wurde ausgemustert, hätte ansonsten Zivildienst gemacht und bin ziemlicher Pazifist.

Und genau diese Frage "ist das denn okay" stelle ich mir auch immer wieder mal. Mittlerweile habe ich mich damit ziemlich gut abgefunden - schließlich kann ich zwischen Realität und Fiktion trennen, bin ja kein CSU-Politiker. Wieso das denn so ist, kann ich dir auch nicht wirklich beantworten. Ein Stück weit liegt es wohl daran, dass Kampf und Krieg ziemlich effektive Adrenalinpumper sind (siehe "warum sind beim Kampf alle aufmerksam").

Offline YY

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #2 am: 1.10.2012 | 22:49 »
Ich verweise zuerst mal auf einen ähnlich gelagerten älteren Thread - der mag stellenweise schon etwas beitragen können.


Ansonsten:
Ich komme dabei immer wieder an den Punkt, wo ich mich selbst frage: ist das irgendwie in Ordnung, dass ich so auf diesen Militärscheiß stehe oder müsste ich meine ganz reale Einstellung auch ins (fantastische Hobby) übertragen?

Gegenfrage: Was heißt denn hier "irgendwie in Ordnung" - wieso soll es denn nicht okay sein?

Solange derjenige welche noch alle Latten am Zaun hat...wo ist das Problem?


Beim Rollenspiel geht es ja "sogar" noch um rein fiktive Inhalte.

Ich sehe da selbst für ähnlich gelagerte Konstellationen kein Problem, wo die zwei Ebenen deutlich näher beisammen liegen.
Z.B. Kampfkünstler, die schwerpunktmäßig Messerkampf trainieren oder Sportschützen, bei denen bisweilen sogar das konkret verwendete Exemplar einer Waffe im Fronteinsatz war.

Die Frage ist immer: Welche Absicht steht dahinter?

"Nur zum Spaß" darf man mMn erst mal alles, was nicht ganz konkret jemandem schadet.
Und moralinsaure Entrüstung zählt nicht als Schaden  :P ;)
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Offline Naldantis

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #3 am: 1.10.2012 | 23:22 »
..weil man es im echten Leben gerade nicht erlebt oder erleben möchte?

Offline D. Athair

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #4 am: 1.10.2012 | 23:50 »
... Technik, Möglichkeiten, Machtpotential. Das sind jedenfalls meine Gründe.
Vielleicht noch ergänzt um die Aura der Gefahr und des Verbotenen.
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Offline Stonewall

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #5 am: 2.10.2012 | 00:01 »
Eine Teilidee von mir wäre, daß Waffen ein sehr handfester Ausdruck der Fähigkeit des Menschen zur Naturbeherrschung durch Technik sind.

An sich betrachte ich Waffen, um einen theologischen Ausdruck zu gebrauchen, als Adiaphoron. Auf den beabsichtigten Zweck beim Einsatz kommt es an.

Offline Skele-Surtur

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #6 am: 2.10.2012 | 03:17 »
Ich glaube, dass der Drang zur Gewalt in uns steckt, oder zumindest in den meisten von uns (bei einigen stärker, bei anderen schwächer). Wir wollen Gewalt ausüben, Gegner besiegen, stark sein, kämpfen, in Konflikten bestehen.

Das können wir natürlich nicht, denn gesellschaftlich ist physische Gewalt geächtet - zumindest unkontrollierte Gewalt. Teilweise verleugnen wir vor uns selbst diesem inneren Drang. "Stellvertretergewalt" übernimmt dann eine Ventilfunktion. Wie gut tut es doch, wenn im Film der mutige Held dem fiesen Rowdy die Fresse poliert, dem kriminellen Geschäftsmann die geliebte Karre in die Luft gejagt wird oder der korrupte falsche Prophet in seine eigene Opfergrube geworfen wird. Besonders gern wird erst ein Feindbild aufgebaut, etwa der Bully, der "unschuldige" grausam angreift. Der wird dann mit "gerechter" oder zumindest "gerechtfertigter" Gewalt besiegt. Charles Bronsons Selbstjustizverherrlichungsfilme (z.B. "Ein Mann sieht rot") sind da ein Paradebeispiel, aber im Kern findet man das in fast allen Filmen. Spontan fällt mir z.B. auch Braveheart ein. Natürlich mussten da alle Engländer brutal, bösartig, heidnisch, feige oder abnorm sein, verweichlicht und hinterhältig oder lüstern und verroht.

Wichtig ist, dass man sich mit dem "Helden" identifizieren kann, damit man sich irgendwie auch als Sieger fühlt.

Wir kompensieren unseren unerfüllten Drang zur Gewalt beispielsweise im Sport, besonders wenn es darum geht, den Gegner zu besiegen. In fanatischem Fandom kann sich der Wunsch, den "Feind" zu "vernichten" manifestieren. Wenn "Sechzger" und "Bayernfans" aufeinander losgehen (nicht mal körperlich, sondern schon rein verbal), nicht nur den eigenen Verein feiern, sondern auch den anderen Verein übel beschimpfen.

 Auch die verbissene Art, wie versucht wird in Diskussionen "Recht" zu haben, wenn es nicht mehr darum geht, in der Sache zu einer befriedigenden Lösung zu kommen, sondern wenn der "Gegner" angetrollt, mehr oder weniger subtil diskreditiert oder "disqualifiziert" wird, ("mit diesem Satz hast du dich völlig disqualifiziert" => "Ha! Ich hab gewonnen! Dodge this, bitch!") dann ist das eine Form von Gewalt (zgg. Maßen im weiteren Sinne, aber darum geht es ja bei Stellvertretergewalt).

Die Gewalt in fiktiven Szenarien ist dabei wohl eine eher harmlose Form dieser "Stellvertretergewalt".

Die Faszination für Waffen hat ebenfalls damit zu tun. Natürlich haben Waffen häufig einen ästhetischen Wert. Aber beim betrachten von Waffen geht es ja auch um die Vorstellung, was man damit machen könnte. Man will so ein Stück nicht nur an der Wand hängen haben und es ansehen - man hat auch das Verlangen, das Ding mal in die Hand zu nehmen und vielleicht mal zu schwingen oder probeweise auf einen Punkt zu zielen - und natürlich stellt man sich in diesem Augenblick einen Gegner vor, den man schlägt und ins Visier nimmt.

Die einen spielen Egoshooter, die anderen verklagen ihre Nachbarn, weil der Knallerbsenstrauch durch den Maschendrahtzaun wächst und die nächsten schreiben Wall of Text, weil jemand eine divergierende Meinung geäußert hat - wer stört da am ehesten den Frieden? Die Faszination von Gewalt ist mMn gesund und unbedenklich. Ja, man sollte dieser Faszination sogar nachgeben, denn die Mehrheit der Menschen benötigen solch ein Ventil. Also wenn jemand Vergnügen an Actionfilmen, Sportschießen, Kampfsport und "Gewaltspielen" hat, dann sollte er das ohne jedes schlechte Gewissen tun. Natürlich ist es trotzdem gut, sich damit auseinanderzusetzen. Unreflektierte Freude an Gewalt ist zumindest nicht besonders sympathisch.

Damit soll nicht behauptet werden, dass exzessive Gewaltphantasien nicht eskalieren und sich in physischer Gewalt manifestieren können. Das ist mit Sicherheit möglich. Aber ich halte es nicht für die Regel. Die gedankliche Vergegenwärtigung, warum Gewalt in unserer Gesellschaft nicht als adequates Mittel der Problemlösung im Alltag betrachtet wird, ist mindestens ebenso wichtig für ein gesundes Verhältnis zum eigenen "Gewaltpotential" - und für einen vernünftigen, sprich gesellschaftstauglichen, Umgang damit.

Es gibt eine klare Grenze, die ist bekannt und solange sie nicht überschritten wird, gibt es kein Problem.

Natürlich ist das ganze jetzt sehr allgemein formuliert. So monokausal ist es vermutlich nicht, aber ich schätze schon, dass das ein Aspekt des Themas ist.
« Letzte Änderung: 2.10.2012 | 03:28 von Surtur »
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

Offline rettet den wald

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #7 am: 2.10.2012 | 07:16 »
Ok, ich rede hier jetzt einfach mal über mich selbst, ohne eine allgemeingültige Erklärung aufstellen zu wollen. Ich finde fiktive Gewalt aus einem ähnlichen Grund interessant, aus dem ich Magie interessant finde: Es ist etwas, was ich in der realen Welt nicht erfahren kann, daher versuche ich mir das Themengebiet durch verschiedene Medien (wo auch Rollenspiel dazuzählt) näherzubringen. Ich vermute, dass meine Faszination für Gewalt und Krieg deutlich geringer ausfallen würde, wenn ich im Real Life ständig mit Gewalt und Krieg konfrontiert wäre.

Bei Gewalt und Krieg kommt da allerdings noch der historische Aspekt dazu: Ich bekomme ständig erzählt, wie grausam und schrecklich Krieg ist, aber ich kann mir das nicht wirklich vorstellen, weil ich eben keine Erfahrungen aus erster Hand zu dem Thema habe. Um diese Lücke zu füllen, gibt es Medien, die Schrecken des Krieges aufzeigen sollen. Siehe auch die Unterscheidung zwischen Kriegsfilm und Anti-Kriegsfilm: Ersterer glorifiziert den Krieg, letzterer versucht die menschenverachtende Natur des Krieges darzustellen, um zu verhindern dass Leute wie ich, die das Glück hatten ohne Krieg aufzuwachsen, vergessen welche Konsequenzen hier involviert sind.

Dann gibt es natürlich noch den obligatorischen Punkt der Aggressionsauslebung und des (plump gesagt) Schwanzvergleichs: Ich mag es, das Gefühl zu haben, dass ich mächtig bin, dass ich stark bin und dass ich intelligent bin. Diese Phantasien kann ich im Rollenspiel ausleben.
"A game should be a system of rules that allow the player to explore. If the player finds loopholes, then the game developer should fix them. It's never, ever the player's fault: it's the game developer's fault."

"Look, that's why there's rules, understand? So that you think before you break 'em."

Offline Wyrδ

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #8 am: 2.10.2012 | 07:36 »
Dann gibt es natürlich noch den obligatorischen Punkt der Aggressionsauslebung und des (plump gesagt) Schwanzvergleichs: Ich mag es, das Gefühl zu haben, dass ich mächtig bin, dass ich stark bin und dass ich intelligent bin. Diese Phantasien kann ich im Rollenspiel ausleben.

Ich würde es etwas anders ausdrücken, aber darauf läuft es letztlich hinaus. Im Rollenspiel oder auch über andere Medien erfahre ich etwas, was ich im alltäglichen Leben nicht habe (auch gar nicht haben will) und ich bin definitiv mächtiger, auch durch Waffen. Zudem kommt eine gewisse technische Begeisterung hinzu, die man gerade am Ausgangsbeispiel des Panzers gut erkennen kann, denn dort wird der Panzer über den Status den reinen Mordwerkzeugs erhoben und zu einem beeindruckenden, technischen Objekt "verklärt".

Mich faszinieren seit je her Klingenwaffen, ganz besonders Schwerter. Warum das so ist, kann ich nicht wirklich sagen. Die Faszination fußt aber am wenigsten darauf, dass man damit Menschen umbringen kann, obwohl das unzweifelhaft der Zweck einer Waffe ist. Es geht viel mehr um Formen, unterschiedliche Varianten und ihre Ursprünge, Herstellung und deren technisch/handerwerklicher Aspekt, Symbolik des Schwerts, usw. Allein die Tatsache, dass es angesehen Historiker, Archäologen, etc. gibt/gab, die ganz offensichtlich diese Faszination mit mir teil(t)en, gibt mir ein beruhigendes Gefühl, dass alles mit mir in Ordnung ist, solange ich nicht auf die Idee komme, mit einer scharfen Waffe durch den nächsten Supermarkt zu rennen.
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LöwenHerz

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #9 am: 2.10.2012 | 07:52 »
Für mich geht es im Rollenspiel unter Anderem darum, über mich hinaus zu wachsen. Dinge tun zu können und zu wollen, die ich im RL niemals täte. Und Krieg, bewaffnete Konflikte, Waffen und Co fallen für mich als ultimative-exzessiver 'Superlativ' darunter.
Dabei geht es nicht um infantile Allmachtsphantasien. Vielmehr spielt der Aspekt der Grenzerfahrung und dem Einfühlen in andere Konfliktlösungen eine immense Rolle.

Offline גליטצער

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #10 am: 2.10.2012 | 08:11 »
Ich stimme  Surtur eigentlich in allen Punkten zu. Hinzu kommt meines Erachtens noch, dass Gewalt eine sehr einfache und sichere Lösung ist. Ausser in Fantasysettings (bei denen aufgrund dessen wahrscheinlich eine durchaus andere Mentalität zu Gewalt entstehen könnte) braucht man sich um eine toten Gegner keine Sorgen mehr machen. Wie heißt das so schön: "Der steht nimmer auf". Das ist ein Sicherheitsaspekt, der durchaus nicht zu vernachlässigen ist.

Waffen - gerade die historischen Nahkampfwaffen - haben auch noch etwas "reines, ursprüngliches".
Ein Totschlag mit dem Schwert ist halt noch "handgemacht" im Gegensatz zu sagen wir mal Artilleriebeschuss. Vielleicht liegt das auch daran, dass eine Auseinandersetzung mit Hieb- und Stichwaffen als "fair" empfunden wird (als ob der arme Schlucker mit dem Messer wirklich eine Chance gegen den Krieger in Platte mit Schwert hätte).
-X-"Der Kluegere gibt nach" fuehrt nur zur Herrschaft der Dummen -X-

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Offline Hector

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #11 am: 2.10.2012 | 11:36 »
Wenn man sich einmal die Filme anschaut, die ins Kino kommen oder im Fernsehen zu sehen sind, wird man feststellen, dass in sehr vielen davon Gewalt in irgendeiner Form thematisiert wird. Krimi, Western, Action, Horror, Fantasy, SciFi, Märchen – in all diesen Genres stellt Gewalt einen zentralen Aspekt dar. Jede Geschichte, die in irgendeiner Art spannend sein soll, benötigt einen Konflikt. Selbst in Liebesromanen gibt es den Konflikt zwischen dem guten Helden und seinem bösen Nebenbuhler, bei dem es irgendeine Art von physischer oder psychischer Gewalt gibt. Ohne Konflikt keine Spannung, und ohne Spannung kein Erfolg – abgesehen vielleicht von Sachbüchern oder Dokumentationen (obwohl es auch viele Dokus über den Krieg gibt, manchmal habe ich den Eindruck, es gibt mehr Kriegsdokus als sonst etwas).

Neben der Gewalt als spannungsbildendem Element scheint der aktive und passive Hang zur Gewalttätigkeit auch eine menschliche Grundveranlagung zu sein. Wie sonst lässt sich die Welle von Gewalt, die unseren Planeten überzieht, erklären? Konflikte neigen dazu, zu eskalieren, wenn es keine übergeordnete Instanz gibt, die die Wogen glättet. Selbst Nachbarschaftsstreitigkeiten um den bereits zitierten „Maschendrahtzaun“ können in Gewalttätigkeit ausarten. Ich sehe es auch an meinen Zwillingen (23 Monate). Obwohl die beiden noch nie mit Gewalt konfrontiert waren, verdreschen sie sich gegenseitig mit wachsender Begeisterung mit ihren Sandkastenschaufeln, ziehen sich an den Haaren oder beißen sich. Man will dominieren, man will Recht haben, man will siegen, und um das zu erreichen, übt man auch Gewalt aus. Das scheint in uns drinzustecken, und wir halten den Deckel (Zivilisation, Erziehung, Indoktrination) mehr oder weniger erfolgreich drauf.

Darüber hinaus ist in vielen Menschen offenbar eine Lust am Betrachten von Gewalt, Leid und Tod verankert. Wie sonst erklären sich die täglichen Verkehrsbehinderungen durch Gaffer, die Menschenaufläufe, wenn die Feuerwehr, der Krankenwagen oder die Polizei kommen oder die Menschentrauben um Schlägereien?

Auch und besonders im Rollenspiel benötigen wir, um überhaupt Spannung zu erzeugen bzw. erleben zu können, Konflikte. Das, gepaart mit der uns angeborenen Faszination an Gewalt und Tod, bringt die Notwendigkeit, Waffen und Gewalt in einem Rollenspiel zu thematisieren, zwangsläufig mit sich. Ich habe durchaus Rollenspielsitzungen ohne jegliche Gewalt erlebt, die großen Spaß gemacht haben. Da wurde die Spannung dann auf andere Weise erzeugt. Aber die größte Faszination übt auch auf mich stets der bewaffnete Konflikt  zumindest als Teil des Ganzen aus. Und wenn es dazu passende Werkzeuge – am besten in üppig illustrierte Form – gibt  um so besser.
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Offline Thot

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #12 am: 2.10.2012 | 11:59 »
In den Worten des unsterblichen Garribaldi (der von Babylon 5): "Weil Krieg interessant ist."

Ist doch auch logisch: Rasante dynamische Veränderungen, die Möglichkeit, durch Glück und Kompetenz richtig wichtig zu sein (und sei es nur für einen Augenblick), großes Verlustrisiko, aber großer potentieller Gewinn. Und das Ganze vor dem Hintergrund eines Konfliktes von in jedem Fall epischem Ausmaß.

Ist doch alles drin, was spannend ist.

Offline ZSV

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #13 am: 4.10.2012 | 11:58 »
Wenn ich es so durchlese, geht also die Tendenz ganz klar in die Richtung, dass Gewalt im weiteren Sinne einfach eine Art Trieb ist, der eben in unterschiedlichen Ausprägungen zum Vorschein kommt (bzw. kommen muss). Dabei scheint das Phänomen ganz klar kulturunabhängig: in allen Teilen der Bevölkerung ist diese Veranlagung präsent, es wird nur unterschiedlich damit umgegangen (eben durch unterschiedliche Erziehung, Bildung, Tradition, Religion usw.).

Ich denke zudem auch, dass von Gewalt eine gewisse Spannung und Faszination ausgeht. Dies insbesondere gerade im fiktiven Bereich: je größer der Konflikt, umso größer auch das Erfolgserlebnis für die Beteiligten, wenn der Konflikt erfolgreich gelöst wird (d.h. der Gegner besiegt wird, der Krieg gewonnen, usw.). Und da man für den Fall des negativen Ausgangs des Konflikts in der Realität keinerlei Konsequenzen fürchten muss, eignen sich solche Konflikte geradezu für fiktive Geschichten.

Neben der trieblichen Veranlagung zu Konflikten glaube ich übrigens in der Tat, dass - jetzt mal allein bezogen auf Gewalt in Form von Waffen, Kriegsgerät, bildgewaltige Zerstörung usw. - auch der Ästhetik-Aspekt eine ganz erhebliche Rolle spielt. So wie man stundenlang ins Lagerfeuer blicken kann und davon fasziniert wird, so stellen auch Explosionen und Co. schlicht optische Hingucker dar. Und ebenso z.B. Fahrzeuge, Flugzeuge usw. Ich meine, Sportwagen finden auch viele toll, warum dann nicht auch eine (sportliche) Mig-29? :)

Es ist auf jeden Fall interessant zu lesen, dass sich schon viele andere darüber Gedanken gemacht haben und ich sehe es auch nicht als verwerflich an, wenn man Gewaltfantasien - oder nennen wir es besser: Konfliktfantasien - hat und diese fiktiv auslebt. Es war mir eben einfach nur fraglich, was die Motivation dahinter ist, wenn der Verstand doch in der Realität überhaupt nichts davon hält.

Shield Warden

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Re: Faszination Krieg und Kampf
« Antwort #14 am: 4.10.2012 | 14:45 »
Ich stimme Surtur auch größtenteils zu, aber ich möchte mal beim Wort "Trieb" einhaken, weil man mich diese Klassifizierung ein wenig stört. Das hat vor allem den Grund, dass aus vermeintlich "zivilisatorischer" und "kultivierter" Perspektive natürlich gerne die triebgesteuerten Verhaltensweisen als zu unterdrücken und zu kontrollieren betrachtet und damit einer Gesellschaftsordnung zugeschrieben werden, die generell eher .. sagen wir mal niedrig angeordnet wird.

Diesen "Trieb" im Rollenspiel auszuleben hat mit Sicherheit eine Art befreienden und kathartischen Effekt, ähnlich wie bei Filmen und Videospielen (wenn nicht sogar noch stärker) .. der innere Drang dazu ist in meinen Augen aber ein sehr wichtiger Teil unserer Natur und in keiner Weise ein lästiger, antiquierter Trieb, der zurecht aus der Gesellschaft verbannt wurde.

Ich bin kein Pazifist. Ich weiß, dass ich zu Gewalt greife, wenn ich gezwungen bin Menschen zu beschützen und ich habe es auch schon getan. Im Bezug auf das Thema habe ich mich schon sehr oft und lange mit einigen Freunden gestritten, die im Grunde die Aussage "I prefer the most unjust peace to the most righteous war" leben. Damit kann und will ich mich schlichtweg nicht anfreunden - es umfasst nämlich auch eine befriedete allerdings auch unglaublich brutale und ungerechte Tyrannei und Oppression als Gesellschaftsform und dämonisiert den Befreiungskampf, der dann gerne mal kriegerisch ist.

Jeder Kampf und jeder Krieg kennt Verfallsformen und hat Grenzen, die schnell überschritten werden. Aus einem Befreiungskampf / einer Rebellion kann eine zweite Oppression werden, aus einem Verteidigungskrieg ein Massaker. Das ist sowieso klar - aus diesem Grund sollte man meiner Meinung nach das gesamte Konzept aber nicht aussondern. Klar, solange wir ohne kriegerische Auseinandersetzungen auskommen, ist es perfekt - aber wenn es sein muss, ist es in meinen Augen nicht falsch (wobei "sein muss" nicht heißt "der Irak hat bestimmt, wir sind uns da fast ganz so halb sicher, Plutonium. Den müssen wir bebomben, ganz ehrlich").

Im kleineren Bezug ist Gewalt eine schnelle, grenzenaufweisende und klärende, teilweise schmerzhafte und gleichzeitig befreiende Konfliktlösung auf der einen Seite, kann jedoch auch Mittel zur Unterdrückung und ungerechtfertigen Machtergreifung auf der anderen sein.

Dazu eine kleine, nur am Rande dazugehörige Anekdote:
Ich traf meinen besten Freund zum ersten Mal ziemlich plötzlich - nämlich als erstes zwischen die Augen und brach' ihm die Nase. Die Prügelei dauerte mehrere Minuten und wir landeten beide mit gebrochenen Knochen im Krankenhaus. Das Schicksal hatte gerade 'nen Clown gefressen und legte uns ins gleiche Zimmer. The rest is history.
« Letzte Änderung: 4.10.2012 | 14:55 von Shield Warden »