Autor Thema: Reiz bzw. Spaßquelle bei freiem Spiel (Setting und System)  (Gelesen 1617 mal)

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Just_Flo

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Ich will hier niemandem seinen Spaß absprechen, ganz im Gegenteil ich will verstehen warum manchen Spielern (nichtwertend gemeint) ein Spiel Spaß macht, bei dem es sehr wenige Vorgaben bezüglich des Settings und des Systems gibt und diese gemeinsan während des Spiels entstehen und sich evtl. stark ändern bzw. beides aus einem gemeinsamen Vorstellungsrahmen entstehen/ gespeist werden.

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Das sind zwei unterschiedliche Fragen. Setting ist leichter zu beantworten: Man hat, je nachdem ob man leitet oder spielt, viel größere Freiheiten der Ausgestaltung. In Settings mit Metaplot, also sehr stark definierten Settings, verbieten sich im Grunde schon kleinere Änderungen, wie der Tod eines publizierten NSCs. In Settings ohne Metaplot, aber dafür sehr vielen Details, bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder ist das Setting so überladen, dass jede von Spielern (inkl. SL) eingebrachte eigene Idee schon irgendwo in leicht veränderter Form steht (bei klassischen Kitchen-Sink-Fantasywelten der Fall), oder die eigenen Ideen vertragen sich überhaupt nicht mit dem Setting.

Beispiel 1 wäre vielleicht ein Ritterorden mit besonderem Ehrenkodex. Gibt es in der Spielwelt etwas ähnliches schon, wird man entweder redundant, oder man bekommt eine bereits ausgearbeitete Ordensstruktur vorgesetzt, die eigentlich nicht das ist, was man bespielen wollte.  Beispiel 2 wären in vielen Fantasywelten Schwarzpulverwaffen. Angenommen ich fände sowas cool (und ich tue das) - will ich mich dann durch ein vorgeschriebenes Setting davon abhalten lassen, Piratenabenteuer zu spielen, in denen Bordkanonen krachen?

Natürlich haben vorgefertigte Settings auch ihre Vorteile, gerade für Spielleiter/Gruppen, die keine Zeit oder Energie zum Selberbauen haben, aber je höher der Grad an Vorbestimmung, desto weniger spielt man sein "eigenes" Spiel.

Regeln sind wieder ein anderer Punkt. Man muss unterscheiden, ob die Regeln viele Inhalte verregeln, oder ob die Regeln ihre Inhalte sehr detailliert verregeln. Beispiel D&D 3.x (oder auch 4) - da ist Kampf sehr ausführlich geregelt - aber sonst nicht sonderlich viel. Savage Worlds regelt dagegen sehr viele Sachen - aber nicht sonderlich detailliert. Fate ist ein ähnlicher Kandidat: Man kann (bei Legends of Anglerre z.B.) vieles mit den Regeln machen, Länder verwalten, Fahrzeuge, Reisen usw., aber der Mechanismus ist immer gleich.

Der Vorteil eines einfachen, einheitlichen Mechanismus ist, dass er oft Zeit spart und Regelbuchwälzen reduziert. Er erleichtert es, spontane, kreative Beschreibungen der Charakterhandlungen durch die Spieler schnell in Würfel zu fassen, und entbindet den Spielleiter von langer taktischer Vorplanung. 
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Offline Xemides

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Metaplot hat nichts mit stark definiert oder nicht zu tun. Es gibt auch stark definierte Settings, die keine Metaplot haben sondern nur einen Status Quo fest schreiben und die Zeit nicht weiter schreiben. Harnmaster oder Midgard zum Beispiel, wo die fortlaufende Zeit kaum bis gar nichts verändert oder gar nicht weilerläuft.
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Offline Oberkampf

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Metaplot hat nichts mit stark definiert oder nicht zu tun. Es gibt auch stark definierte Settings, die keine Metaplot haben sondern nur einen Status Quo fest schreiben und die Zeit nicht weiter schreiben. Harnmaster oder Midgard zum Beispiel, wo die fortlaufende Zeit kaum bis gar nichts verändert oder gar nicht weilerläuft.

Stimmt im Prinzip. Ich wollte Metaplot nur beispielhaft als eine Besonderheit aufführen, die nunmal gerade mit DSA auf eines der am dichtesten vorgegebenen Settings zutrifft. Midgard sehe ich übrigens nicht als sonderlich vordefiniert an, von einzelnen Landstrichen mal abgesehen (Eschar, KanThaiPan). Ich würde es eher auf der mittleren Ebene anordnen, genau wie Earthdawn, das einen Metaplot hat(te), aber trotzdem noch recht viele weiße Flecken auf der Karte zuließ.
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El God

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Ich glaube, so im Prinzip zu verstehen, was du meinst. Aber ich würde mich freuen, grade von dir (der du ja sehr gern freeformst) ein bisschen mehr zu hören.
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El God

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Beim freien Spiel kommt der kreative Input völlig ungefiltert ins Spiel. Es gibt kein Regelwerk, mit dem man sich auseinandersetzen muss, keinen Settinghintergrund, den man beachten muss. Es ist das Beispiel mit dem Buch oder Film, in dem man die Hauptrolle spielt - und zwar die Rolle des Autoren. Man spielt nicht in einem Buch mit, dessen Autor sich eine Welt ausgedacht hat, auf der man dann spielen darf, man schreibt das Buch selbst und wenn es einen Punkt im Hintergrund gibt - erstmal unabhängig von dessen Wichtung - kann man ihn einbringen. Plausibilitätsüberlegungen gelten nur für das, was die anderen Spieler eingebracht haben, selbst auf realweltliche Bezüge kann man vollständig verzichten. Es gibt keinerlei Meta-Überlegungen im Spiel, bei denen man sich damit auseinandersetzen muss, inwiefern Aktionen vom Regelwerk *erlaubt* sind, es gibt keine Spielwerte, die starre Vorgaben liefern.

Mit Selbstwirksamkeit meine ich vor allem, dass es kein vorgefertigtes Abenteuer, nicht mal ein Szenario gibt: Totalimprovisation ermöglicht es, die Konsequenzen der Handlungen der Spieler bis ins "Finale" der Runde zu tragen. Es gibt keine Flaschenhälse, keine insgeheimen Festlegungen zu Anfang, die eine bestimmte Richtung der Handlung erzwingen können. Die Spieler können wirklich etwas bewirken - und das Ausmaß dieser Wirksamkeit kann die Gruppe völlig frei bestimmen (ob mit oder ohne SL).

Aber: Diese Spaßquelle laugt erfahrungsgemäß alle Beteiligten ziemlich schnell aus, es verbrennt imho unheimlich viel kreative Energie. Lange Kampagnen sind nur schwer möglich und die Hilfestellung, die Regelwerk und Setting vorgeben, fehlen auch. Meiner Meinung nach kann man Selbstwirksamkeit auch in anderen Spielweisen erreichen, Freeforming ist für mich schlicht der bequemste Weg dahin. Hauptproblem ist die Moderation der Gruppe - am einfachsten ist es mit einem autoritären SL, der Aktionen bewertet, Spotlight halbwegs balanciert und Entscheidungen trifft, schwieriger wird es, wenn der SL sich auch im Hintergrund halten will und die Spieler ihre Setzungen unkommentiert bzw. unreguliert machen lässt und am allerschwierigsten ist es ganz ohne SL. Spätestens dann ist man aber soweit beim kooperativen Geschichtenerzählen, das imho schon andere Überlegungen und Ansprüche gestellt werden müssen als beim Rollenspiel.

Offline Oberkampf

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Aber: Diese Spaßquelle laugt erfahrungsgemäß alle Beteiligten ziemlich schnell aus, es verbrennt imho unheimlich viel kreative Energie.

Das ist eine Beobachtung, die ich bei recht freien Sachen wie Inspectres und Primetime Adventures gemacht habe: Unglaublich intensive Erfahrungen (bedeutet für mich, ich sah die Handlung wirklich wie einen Film vor dem geistigen Auge), aber nach 2 - 3 h hab ich mich als Spieler (nichtmal SL!) ausgebrannt gefühlt wie nach einem Marathonleiten.
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ErikErikson

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Mit einem wenig definierten Setting/System hat man mehr Freiheiten. Wenn man eine Idee oder ein Konzept hat, kann man die gleich einbringen, ohne prüfen zu müssen, obs mit dem Setting/System kompatibel ist. Und Setting/System lenken weniger von anderen Dingen ab (z.B. von Drama), wenn sie eher im Hintergrund bleiben.    

Der Dolge hats sehr schön erklärt.

Offline Khouni

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Offline Xemides

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Re: Reiz bzw. Spaßquelle bei freiem Spiel (Setting und System)
« Antwort #10 am: 6.10.2012 | 10:19 »
Stimmt im Prinzip. Ich wollte Metaplot nur beispielhaft als eine Besonderheit aufführen, die nunmal gerade mit DSA auf eines der am dichtesten vorgegebenen Settings zutrifft.

Aber du schließt von DSA auf alle anderen vordefinierten Settings. Es gibt noch genug andere, bei denen das anders ist. Und du sagstn nicht, das du nur von einem sprichst.

Zitat
Midgard sehe ich übrigens nicht als sonderlich vordefiniert an, von einzelnen Landstrichen mal abgesehen (Eschar, KanThaiPan).


Oh, mittlerweile ist einiges mehr beschrieben.

Albion war das erste
Rahwindra
Teile Aran
Teile Erains
Teile Chryseias
Buluga
Teile Moravods
Waeland auch schon sehr lange
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Abgesehen von den Beschreibungen in Abenteuern und Gildenbriefen.

Midgard hat übrigens kaum Metaplot.
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Re: Reiz bzw. Spaßquelle bei freiem Spiel (Setting und System)
« Antwort #11 am: 6.10.2012 | 11:57 »
Xemides, kann es sein, dass du dich hier in ein Thema verirrt hast, zu dem du eigentlich gar nix zu sagen hast?

Just_Flo

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Re: Reiz bzw. Spaßquelle bei freiem Spiel (Setting und System)
« Antwort #12 am: 6.10.2012 | 14:18 »
Kann man das bisher geschriebene sinnvoll so zusammenfassen:

Setting- und Systemfreies Spiel ist sehr flexibel, intensiv und man weis/merkt danach, dass man gemeinsam wirklich was geschaft hat. Als "Nachteill"/Nebeneffekt kam mehrmals, dass dieses Spiel häufig nach wenigen Sessions seinen Höhepunkt überschreitet.

Könnte man überspitzt bei einem Vergleich zwischen traditionelleren Rollenspielformen und Freeform (Setting+System) aussagen, dass wenn die traditionelleren Rollenspielformen der Sex sind, dass dann die Freeformvariante der Orgasmus ist?

Offline Bad Horse

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Re: Reiz bzw. Spaßquelle bei freiem Spiel (Setting und System)
« Antwort #13 am: 6.10.2012 | 16:04 »
Wenn du das schon vergleichen willst, würde ich eher sagen: Normale Rollenspiele sind halt eine normale Beziehung mit allen Höhen und Tiefen, Freeform sind eher die wilde, kurzlebige, intensive Affäre. ;)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re: Reiz bzw. Spaßquelle bei freiem Spiel (Setting und System)
« Antwort #14 am: 6.10.2012 | 19:08 »
Ja, ich glaube, BadHorse ist näher dran.  :d

Offline tartex

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Re: Reiz bzw. Spaßquelle bei freiem Spiel (Setting und System)
« Antwort #15 am: 6.10.2012 | 20:19 »
aber nach 2 - 3 h hab ich mich als Spieler (nichtmal SL!) ausgebrannt gefühlt wie nach einem Marathonleiten.

So true. Bei klassischen Rollenspielen kann man außerdem immer einen Kampf einwerfen, um die verbrannte Kreativenergie langsam wieder hochzufahren. Bei PtA gibt es keine Gnade, keine Pause und kein Entkommen. Denn auch ein Kampf ist eine rein kreative Leistung.
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