Autor Thema: Rollenspiel und Cultural Studies  (Gelesen 5722 mal)

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Offline Bad Horse

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Re:Rollenspiel und Cultural Studies
« Antwort #25 am: 15.12.2003 | 18:50 »
Ich schätze, es ist für die Erfinder von Rollenspielen einfach simpler, wenn sie den Charas schon von vorne herein irgendwelche Gegner präsentieren. Und wie stellt man am einfachsten sicher, daß die Charas was gegen die Gegner haben? Man macht sie "böse".

Das funktioniert nicht nur in Fantasy-Rollenspielen, sondern auch bei Real-World-Systemen: In Vampire gibt´s den Sabbat und die Baali, in Werwolf den Wyrm, in Mage die Technokraten und die Nephandi, bei Ars Magica irgendwelche Dämonisten.... die Reihe läßt sich fortsetzen. Abenteuer lassen sich nun mal besser strukturieren, wenn ein klarer Gegner vorhanden ist. Zumal nichts die Gruppe besser eint...  ;)

Solche Klischees aufzuweichen, ist nun Sache des Spielleiters. Sind die Dämonisten wirklich böse, oder versuchen sie nur, zu retten, was zu retten ist (egal, welchen Preis sie persönlich dafür zahlen müssen)? Liegen die Sabbat-Vampire so falsch, wenn sie ihrer vampirischen Natur freien Lauf lassen? Sind die Orks einfach böse, oder überfallen sie Dörfer, weil die sich auf den traditionellen Jagdgründen ihres Stammes angesiedelt haben?
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Offline Alrik

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Re:Rollenspiel und Cultural Studies
« Antwort #26 am: 15.12.2003 | 22:14 »
Dann gelangt man wieder zu der alten Frage: Was ist eigentlich Gut und was ist Böse?
Oder besser: Gibt es überhaupt Gut und Böse?
Meiner Meinung nach ist das nämlich natürlich alles nur eine Sache der Einstellung. Für manche Personen ist etwas Böses halt etwas vor dem man Skrupel hat und wovon man weiß, dass viele Personen es nicht gut fänden. Dass dabei der menschl. Egoismus eine große Rolle spiel, brauche ich sicherlich nicht erwähnen.

Mir fällt auf, um wieder zum ursprünglichen Thema zurück zu kommen, dass in den moderneren Welten der Faktor Egoismus eine immer größer werdende Rolle spielt.
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Re:Rollenspiel und Cultural Studies
« Antwort #27 am: 15.12.2003 | 22:39 »
Zitat
Das funktioniert nicht nur in Fantasy-Rollenspielen, sondern auch bei Real-World-Systemen: In Vampire gibt´s den Sabbat und die Baali, in Werwolf den Wyrm, in Mage die Technokraten und die Nephandi, bei Ars Magica irgendwelche Dämonisten.... die Reihe läßt sich fortsetzen. Abenteuer lassen sich nun mal besser strukturieren, wenn ein klarer Gegner vorhanden ist. Zumal nichts die Gruppe besser eint...  

Herr Bush und seine demagogischen Kollegen haben das auch recht gut begriffen.

Ersetze "Abenteuer" durch "Krieg", den Namen des Spielsystems mit "die Achse des Bösen" und die Namen der Bösewichter mit Kommun-/Nationalsozial-/Terror-/Islamisten und schon wissen alle woran sie sind.

Es ist wohl wirklich ein Grundbefürfniss des Menschen sich einwickeln zu lassen, wenn wir uns wirklich so sehr danach sehnen..

Offline Lord Verminaard

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Re:Rollenspiel und Cultural Studies
« Antwort #28 am: 15.12.2003 | 23:07 »
Ich muss (mal wieder) eine Lanze für politische Unkorrektheit brechen. Klar kann es sehr interessant sein, das Rollenspiel als einen Spiegel gesellschaftlicher Probleme und unlösbarer Konflikte zu instrumentalisieren. Wahre Tragödien, Identitätsverlust, moralisches Dilemma, das wahre Gesicht der Gewalt, diese Dinge können ein sehr intensives und stimmungsvolles Rollenspielerlebnis formen.

Aber.

Orks schnetzeln macht Spaß, verdammt noch mal! Von Anfang an wissen, wer der Böse ist, und mit ihm den Boden aufwischen. Einen coolen Spruch klopfen, bevor ich jemandem das Hirn wegpuste, ohne mir Gedanken zu machen, ob er vielleicht Familie hat. Sexistisch sein (natürlich nur, wenn keine Frauen am Spieltisch anwesend sind). Oder wenigstens in dem festen und berechtigten Glauben in die Schlacht reiten, für das Gute einzutreten und im Falle meines Todes in die Halle der Helden einzugehen.

Ich steh drauf. 8)
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Offline Alrik

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Re:Rollenspiel und Cultural Studies
« Antwort #29 am: 16.12.2003 | 15:42 »
Da stimm ich dir völlig zu:
Letzten Endes ist Rollenspiel reinstes Entertainment!

Doch ist es in diesem Zusammenhang sehr interessant zu beobachten, wie diese Personen gewisse klischees aufgreifen. Und die bestehen nun oft einfach aus banalen Dingen, die nicht allzu viel mit gesellschaftlicher-humanität zu tun haben, weil es eben unterhalten soll.
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Re:Rollenspiel und Cultural Studies
« Antwort #30 am: 17.12.2003 | 20:13 »
Sexistisch sein (natürlich nur, wenn keine Frauen am Spieltisch anwesend sind).

Öh... darf ich jetzt keine sexistischen Bemerkungen mehr machen?  ;)

Und prinzipiell hast du natürlich recht - manchmal ist ein bißchen Hack & Slay oder heroisches Rollenspiel sehr lustig. Aber es spricht ja nix dagegen, sich ein paar Gedanken darüber zu machen, welche modernen Topoi man auch in einer Fantasy-Kampagne verwenden kann. Und Rassismus ist nun mal der augenfälligste...

Es gibt sicherlich noch andere - verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt zum Beispiel (siehe "Prinzessin Mononoke"). Oder die Macht, die Propaganda haben kann (frag mal den Barden Hugo, der in unserem Magierbund die neuen Rekruten gegen einen der Magier aufgehetzt hat, nur weil der ihm vor 20 Jahren mal eine Frau vor der Nase weggeschnappt hat).

Ich finde, solche "modernen" Einschübe machen das Rollenspiel durchaus interessanter. Auf Dauer spiele ich lieber auf dieser Schiene, anstatt ständig nur heroisch und episch zu sein.  ;D
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re:Rollenspiel und Cultural Studies
« Antwort #31 am: 18.12.2003 | 00:46 »
*argh* müsst ihr auch immer soviel schreiben wenn ich mal ein, zwei Wochen nicht hier vorbeischaue.

So - ich hab nun nicht alles durchgelesen. Aber ich möcht dem Eingangsbeitrag beipflichten, ich habe bei mir auch beobachtet dass ich bei Fantasy Settings stets 'moderne Themen' reingebracht habe. Ich meine damit nicht bloss die, wohl schon fast zum Standard gehörende, als Magie verkleidete Technologie. Sondern halt Fragen und Themen welche nur in der moderne Sinn machen - zB Umweltverschmutzung und Zivilisation gegen Wildnis, oder die Menschenrechte und der ganze Rattenschwanz hintendran mir gleichen Rechten für alle, Sklavenbefreiung oder Gleichberechtigung oder wie schon genannt moderen Kriminologie und überhaupt die moderen Vorstellung von Strafvollzug. Ecetera. Die eigentlichen Grundprämissen der Fantasy also Gut-vs-Böse und Ordung-vs-Chaos haben mich nie interessiert, ich finde sie langweilig. Und den offensichtlichen Rassismus und Apartheid welcher dem Fantasygenre mit seinen Orks und den verschiedenen Rassen eigen ist, den mag ich nicht ausstehen - ich find das wiederwärtig.