Allgemein zum Thema:
Das Problem liegt darin, dass es viele Spiele mit wahrnehmungs- oder Informationsbeschaffungsfähigkeiten gibt, und man sie aus irgendwelchen Gründen nicht so behandeln will wie Kochen und Töpfern, also als reine Fertigkeiten zum Ausschmücken des Charakters.
Das kann dann zu idiotischen Doppelungen führen, wonach Spieler erst allgemein sagen, dass sie einen Raum durchsuchen, dann Wahrnehmung schlecht würfeln und dann im Old School Stil jeden einzelnen Schritt der Untersuchung haarklein nochmal beschreiben. Oder dass alle Spieler würfeln, auch die mit lausigen Wahrnehmungswerten, und dann eine potentielle Gefahr oder hilfreiche Info zu 99% sowieso gefunden wird, weil irgendwer schon hoch würfelt.
Momentan lasse ich mich von zwei Spielsystem in meinem Umgang mit Wahrnehmung inspirieren, nämlich Gumshoe und Cortex+.
Gumshoe sagt klar, dass alle fürs Abenteuer notwendigen Infos den Spielern offen mitgeteilt werden, wenn sie bemerkt werden können, ohne dass gewürfelt wird. Die Info erhält dann der Spieler, der eine zur Info passende Fertigkeit hat. Um eine Verkleidung zu durchschauen braucht man dann Schauspiel oder Menschenkenntnis, um eine Vergiftung zu entdecken Medizin oder Giftmischen usw., aber es gibt so gut wie keine allgemeine Wahrnehmungsfertigkeit. Kostenlos gibt es aber nur die absolut notwendigen Informationen. Weiterführende Informationen, die den Hintergrund tiefer beleuchten, neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen oder strategische Vorteile bringen, kosten bei Gumshoe ein Budget an Punkten, über das die Spieler verfügen können, wie sie es für richtig halten.
Cortex+ unterscheidet zwischen Action- und Erholungsszenen. Recherche, Untersuchung usw. findet in Erholungsszenen statt, wo - bis auf wenige Ausnehmen wie Heilung - nicht gewürfelt wird. Das Prinzip eignet sich aber auch für andere Rollenspiele. Was Wahrnehmung angeht, so versuche ich mittlerweile auch zu unterscheiden, ob es in einer Action oder Erholungsszene stattfindet. In einer Erholungsszene frage ich den Spieler, welche Fertigkeit er einsetzt, um Infos zu bekommen, und dann gibt es kostenlos Infos abhängig vom Fertigkeitswert. Wenn beispielsweise ein Tatort untersucht wird und einer der Spieler sagt, dass er mit Spurensuchen den Boden absucht, oder ein anderer Spieler mit Medizin den Leichnam überprüft, dann frage ich nach den passiven Werten/Fertigkeitsstufen und gebe entsprechend Informationen weiter. In einer erholungsszene gibt es keinen Konflikt, um den gewürfelt werden muss.
In einer Actionszene hat die Frage, ob etwas wahrgenommen wird oder nicht, konkrete Folgen, die oft ziemlich unmittelbar eine Rolle spielen. Beispielsweise dann, wenn sich jemand anschleicht oder eine Falle droht. Wichtig ist einfach, dass die Wahrnehmungswürfe, egal ob gelungen oder misslungen, in Actionszenen konkrete Konsequenzen haben. Ein leerer Wurf mit der Reaktion "Du findest nichts" bringt das Spiel nicht weiter.
In dem Fall unterscheide ich, ob Wahrnehmung eine Aktion ist, oder eine Reaktion, aber selbst dass könnte ich mir grob schenken, denn oft ist es einfach ein vergleichender Wurf mit Konsequenzen für eine oder beide Parteien. In Cortex+ lassen sich die Konsequenzen ganz gut durch Vorteile oder Nachteile in Würfelmechaniken übersetzen, aber das geht in FATE mit Aspekten oder in d20-Systemen mit +2/+5 Modifikatoren usw. im Grunde auch. Wenn Wahrnehmung eine Reaktion ist, lasse ich den Spieler einen Fertigkeitswurf als Abwehr machen.
Beispielsweise greift eine Falle mit Heimlichkeit d20+15 an, und der Spieler wehrt mit Fallen finden d20+12 ab. Hat der Spieler Erfolg, bemerkt er sie - hat die Falle Erfolg, löst er sie aus. Der Folgekonflikt ist dann entweder Falle entschärfen vs. Fallenmechanik (wenn der Spieler gewinnt) oder Angriffswurf vs. Reflexwurf (wenn die Falle gewinnt).
Wenn die Wahrnehmung eine Aktion seitens des Spielers ist, findet eigentlich der gleiche Wurf statt, lediglich die Konsequenzen werden modifiziert. Hat beispielsweise der Spieler gewonnen, erhält er einen Bonus auf den Folgekonflikt um die Frage, ob er die Falle entschärfen kann. Hat die Falle gewonnen, enthält sie einen Bonus auf den Angriffswurf gegen den Spieler. Auf jeden Fall haben die Wahrnehmungswürfe unmittelbare Konsequenzen und können deswegen schamlos offen gewürfelt werden.
In gemischten Szenen versuche ich mich danach zu orientieren, ob gerade eine Actionsequenz mit Konflikt und Konsequenzen am wirken ist, oder nur Recherche und Informationsbeschaffung betrieben wird.
Nochmal zusammengefasst:
Fürs Abenteuer Notwendige Informationen gibts kostenlos (ohne Wurf). Das vermeidet Flaschenhälse.
Fürs Abenteuer Hilfreiche Informationen gibts für ein Punktebudget (Gumshoe) oder anhand eines Wertevergleichs in ungefährlichen Situationen (Cortex+). Das gilt für vertiefende Hintergrundinformationen ebenso wie für Infos mit langfristigen strategischen Vorteilen für die Charaktere.
Informationen, an deren Kenntnis unmittelbare Konsequenzen geknüpft werden können, gibts nach vergleichenden Würfen. Das findet vor allem in Actionsequenzen statt.