Autor Thema: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?  (Gelesen 1357 mal)

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Offline blut_und_glas

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Mich beschäftigt das zwar gerade konkret für die nächste Beutelschneiderüberarbeitung, aber letztlich ist die Fragestellung eine allgemeinere:

Wenn die Anwendung einer Regel eine Information liefert, die sowohl in eine kleinschrittige als auch in eine weitreichendere Erzählung umgesetzt werden könnte (SChlagworte Handlungs- und Konflikt-/Szenenauflösung), wo liegen für euch die Vor- und Nachteile dabei, eine solche Regel entweder so auszugestalten, dass eine dieser Möglichkeiten exklusiv im Fokus steht, oder beide gleichberechtigt nebeneinander zu stellen, oder aber diesen Punkt offen zu lassen (also je nach Lesart letztlich eine unvollständige Regel/Spielanweisung zu liefern)?

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Minion

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #1 am: 18.04.2015 | 10:08 »
Zunächst ein kleiner Disclaimer: Ich habe nicht den Eindruck Deinen Post in Gänze so kapiert zu haben, wie Du es beabsichtigt hast. Insofern: Falls irgend ein Teil meiner Antwort nicht hilfreich oder einfach falsch ist, wäre es prima, wenn Du noch ein Wenig mehr ins Detail gehen könntest.

Mir scheint, dass Du da zwei grundlegend unterschiedliche Fälle an der Hand hast, und das System kann kaum im Vorhinein festlegen, welche "erzählerische Tragweite" die konkrete Regelanwendung haben wird (außer wenn es ein sehr fokussiertes System ist, das sich beispielsweise komplett auf Szenenauflösung beschränkt). Ich persönlich habe mich nie so recht wohl gefühlt mit Systemen, die da beides unter einen Hut bringen wollten - als SL hatte ich dann oft sehr viel Entscheidungsgewalt, die ich fast nur in willkürlicher Form ausüben konnte, als Spieler hatte ich das Gefühl, keine ausreichende Kontrolle über die Wirkung und Bedeutung meiner Handlungen zu haben.

Mir scheint es plausibel, dass man zwei getrennte Mechanismen für kleinteilige und weitreichende Auflösung anbieten könnte, so dass sich die Spieler (und sofern vorhanden SL) vor der Anwendung über die Bedeutung der Handlung und ihrer Konsequenzen einigen müssen. Aber wie sich das in der Praxis auswirken würde, kann ich nicht sagen (ich kenne kein Spiel, dass das wirklich so macht).

Offline blut_und_glas

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #2 am: 18.04.2015 | 10:29 »
Zunächst ein kleiner Disclaimer: Ich habe nicht den Eindruck Deinen Post in Gänze so kapiert zu haben, wie Du es beabsichtigt hast. Insofern: Falls irgend ein Teil meiner Antwort nicht hilfreich oder einfach falsch ist, wäre es prima, wenn Du noch ein Wenig mehr ins Detail gehen könntest.

Eigentlich hast du das ganze ziemlich exakt erfasst. ;)

Trotzdem fische ich mir einen Punkt noch einmal heraus:

Zitat
(außer wenn es ein sehr fokussiertes System ist, das sich beispielsweise komplett auf Szenenauflösung beschränkt)

Eben - die Frage lässt sich deshalb vielleicht auch so stellen: "Sollte" sich ein System in dieser Art beschränken? Warum? Warum nicht?

Im konkreten Fall sitze ich gerade da, und frage mich, ob ich bei einem Spiel, bei dem ich solche Fragen bisher eigentlich absichtlich ausgeklammert habe (weil sie mich für das, was ich dort realisieren wollte nicht interessiert haben), in der nächsten Version nicht doch dazu übergehen sollte, diese Punkte in irgendeiner Form zu konkretisieren.

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Offline 1of3

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #3 am: 18.04.2015 | 10:31 »
Ich habs auch nicht so recht verstanden.

Der Vorteil, wenn du nicht so genaue Regeln schreibst, wird sein, dass Leute, die sich (a) von den Regeln nichts vorschreiben lassen wollen und (b) schon eine Idee haben, wie Rollenspiel funktioniert, glücklicher werden.

Wenn du beide Möglichkeiten aufführst, freut das Leute, die einen hohen Reflektionsgrad bezüglich ihres eigenen Spiels haben.

Wenn du eine Möglichkeit vorschreibst, freut das Leute, die gerne Neues probieren.

Minion

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #4 am: 18.04.2015 | 11:08 »
Das bringt es eigentlich ziemlich genau auf den Punkt: Es geht meines Erachtens nicht wirklich um objektive Vor- und Nachteile. Keiner der verschiedenen Ansätze ist "empirisch" besser. Sie bedienen unterschiedliche Erzählstile, Bedürfnisse, ergo: Zielgruppen.
Ich persönlich mag Spiele, die einen sehr engen Fokus haben und deren System darauf spezialisiert ist, die entsprechenden Erzählstrukturen abzubilden. Aber ich kenne viele Spieler, die sich in solchen Spielen unfrei fühlen (weil ihre Charaktere eben nicht einfach tun und lassen können , was und wie sie wollen). Ich sehe da nichts als "besser" - ich weiß nur, was "besser für mich" ist.

Insofern ist die Frage: Was für ein Spiel willst Du machen und : für wen?

Offline blut_und_glas

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #5 am: 18.04.2015 | 11:28 »
Ich mache meine Spiele für mich.

Und mir war dieser Komplex bei diesem Spiel bisher bestenfalls gleichgültig (im Entwicklungsprozess sogar eher störend/lästig).

Allerdings ist Beutelschneider im Moment dabei in einer Iteration anzukommen, in der ich ohnehin die bestehenden Texte wohl größtenteils ersetzen werde.
Und in diesem Zusammenhang stelle ich mir die Frage, ob ich die neuen Texte dann nicht auch gleich in diesem Belang umstelle. Fragt sich bloss, wie? Denn eine echte Präferenz habe ich selbst im Zusammenhang mit diesem speziellen Spiel nach wie vor nicht.

Deshalb schrieb ich im Eingangsbeitrag ja auch:

wo liegen für euch die Vor- und Nachteile dabei

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Offline 1of3

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #6 am: 18.04.2015 | 11:39 »
Ich kenne leider dein Spiel nicht. Fass doch mal zusammen, worum es da geht, was man spielt und wie man spielt. Letztlich ist das Spiel ja ein Gesamtpaket. Ohne Kontext also schwierig.

Offline blut_und_glas

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #7 am: 18.04.2015 | 12:01 »
Wenn ich Systemvorstellungen machen wollen würde, hätte ich vermutlich eine gemacht. ;)

Die Frage war schon absichtlich eher allgemein gehalten. Deine erste Antwort war insofern schon ganz in meinem Sinne. :)

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Offline Maarzan

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #8 am: 19.04.2015 | 16:05 »
Die grobe Auflösung übergeht eben einen Haufen kleiner Instanzen ihrer selbst und abstrahiert dabei eine Menge, was in der höheren Auflöäsung Teil des Spiels direkt geworden wäre.

Die große Frage ist dann eben: Will man das im Detaisl ausspielen - und das ist dann eine Frage, welche wohl verschiedene Leute zu verschiedenen Themen und manchmal auch nach Tagesform unterschiedlich beantworten.

Etwas im Detail zu lösen ist erst einmal immer ein (Mehr-)Aufwand, wird aber halbwegs brauchbar realisiert eben mit einem mehr an Entscheidungsbeteiligung und Informationen belohnt. Gegebenenfalls wird im Rahmen der Abstraktion auch das Verhalten gleich mitgeändert, sei es dass z.B. Stakes das Risiko begrenzen oder man sich erhofft innerhalb der Auflösungsunsicherheit mehr Raum dazu zu haben den Spielleiter zu bequatschen oder umgekehrt als Spielleiter seine Handlung bei weniger klar durch Regeln verankerten Kontrollpunkten durch zu setzen. 
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Offline 1of3

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #9 am: 19.04.2015 | 16:54 »
Unter den Möglichkeiten im Eingangsbeitrag fehlt als weitere übrigens: Ein formales Verfahren, um das weitere Vorgehen festzulegen.

In The Shadow of Yesterday ist z.B. jedes Problem ein einzelner Wurf. Es sei denn, der Verlier will sich nicht geschlagen geben. Dann wird ein erweiterter Konflikt gestartet.


Offline Nørdmännchen

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Re: Handlungen/Konflikte - und, oder oder gar nichts?
« Antwort #10 am: 20.04.2015 | 11:19 »
An 1of3's Beitrag anknüpfend, möchte ich diese Methode nochmals hervorheben. Es handelt sich sozusagen um einen mechanisch definierten Weg, um die Granularität im Moment des Spiels zu erhöhen. Eine Regel die also nicht als präskriptiv die Entscheidung verlangt: "Dies wird in Einzelhandlungen abgehandelt," oder: "Wir nutzen jetzt nur einen Wurf für den ganzen Konflikt." Die klare Verfügbarkeit und Kommunikation als Regel-Mechanik vereinfacht uU die oben angesprochene Reflektion des eigenen Spiels.

Keiner der verschiedenen Ansätze ist "empirisch" besser. Sie bedienen unterschiedliche Erzählstile, Bedürfnisse, ergo: Zielgruppen.
Ich bin voll dabei, dass Detaillevel über den Stil der Erzählung entscheiden. Bezüglich der Zielgruppe, gehöre ich zwar auch zu den Freunden eines engen Fokus, bin aber gern in der Lage die "Feinkörnigkeit" im Spiel ad hoc zu erhöhen. Quasi in die Handlung hinein zu zoomen. Ganz subjektiv stehe ich auf Systeme, die mir beide Möglichkeiten bieten, bzw. einen fließenden Übergang ermöglichen. Da ich auch das Verhältnis zwischen detailliert und generalisiert nicht als binär wahrnehme, sondern eher für die gedachten Pole einer Skala halte.

Neben "bringing down the pain" (aus TSoY), mag ich da Smallville (Cortex Plus Drama) sehr gerne und im gewissen Rahmen diverse PbtA-Spiele. Übergreifend ist der Ansatz, dem Unterlegenen einer Konfrontation (ein Wurf) die Entscheidung zu übertragen, ob er die Einsätze erhöhen / mehr riskieren möchte, um die "Auflösung" des Konflikts zu erhöhen.
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele