Rahmenbedingungen
Ich habe nur sehr wenig Erfahrung mit Unknown Armies. Da ich das Szenario als Semi-Larp geleitet habe, ließ ich nur würfeln, um physischen Handlungen zu simulieren, die nicht darstellbar waren: Entfesseln und Kämpfen.
Ich habe die Würfel explizit nicht entscheiden lassen, ob die Charaktere von den Ereignissen erschüttert werden. Stattdessen überließ ich es den Spieler* ihrem Ermessen nach, die Obsessionen und Tugenden und schrecklichen Ereignisse in ihr Spiel einzuflechten.
Zum Spielen stand uns eine Wohnung mit drei Räumen zur Verfügung. Die Spieler hielten sich fast ausschließlich im Wohnzimmer auf, da die Charaktere ihre Zeit ebenfalls fast nur im Wohnzimmer der Krazmerskys verbrachten. Einige Erkundungstouren durch das Haus, habe ich dann mit den Spielern vor der Tür besprochen.
Spielbericht – Kurze Fassung
Die Geiselnahme läuft größtenteils im Wohnzimmer ab. Die Geiseln sind die meiste Zeit gefesselt und versuchen über die Behandlung von von Officer Spundies Verletzung in Kontakt zu kommen. Uder zeigt einem neugieriegen Steve bereitwillig das gesamte Haus. Einzige Ausnahme: der Lagerraum. Ella und Uder behaupten bis kurz vor Schluss erfolgreich den Raum nie geöffnet zu haben. Das einzige was den Spielern am Haus irgendwann Angst macht, ist das Gerumpel von Bors, der sich aus seinem Koffer befreit, als er hört, wie Leute versuchen die Tür zum Lagerraum mit einer Axt einzuschlagen. Ich hatte festgelegt, dass Uder Augenkontakt braucht um Bors Befehle zu geben. Also flieht Borst aus dem Fenster und fordert die Geiselnehmer außer Sichtweite auf, den Uhrmacher zu töten. Ansonsten würde er alle Anwesenden töten. Die Ablenkung nutzt Spundie um an seine Pistole zu kommen. Am Ende des großen Scharmützels, hat der Officer Steve überwältigt, die Geiseln haben alle überlebt und Morton wurde von Bors getötet nachdem er Uder ein Messer in den Bauch gerammt hat (um Bors aufzuhalten). Juan und Eispickel fliehen in die Felder und Bors bekommt nur den Befehl, sie zu schnappen. Nachdem er das in den Felder getan hat, geht er mit ihnen weg vom Haus.
Spielbericht – Lange Fassung
Die Gruppe stürmt in das Haus der Krazmerskys, die völlig überrascht auf ihren Sofas hocken. Mit vorgehaltener Waffe regelt Steve schnell, dass sich alle Geiseln inklusive der Katzmerskys auf den Sitzmöbeln einzufinden haben. Der Hund Tristan bellt zwar, wird aber von Ella und Uder ruhig gehalten.
Steve beginnt sich das Obergeschoss anzusehen, findet die Violinenpuppe und trägt sie nach anfänglicher Irritation in das Wohnzimmer. Die Puppe fragt die Anwesenden, ob sie ein Lied spielen soll, aber niemand zeigt Interesse. Morton wird die Sache zu bunt und er schneidet ihr mit einem Küchenmesser die Kehle durch. Zahnräder und Federn springen aus der “Wunde” hervor. Uder erklärt, dass er Uhrmacher sei und die Puppe seine Schöpfung. Auf die Frage an mich als Spielleiter, ob die Puppe seltsam wäre, antwortete ich nur: “Ihr könnt euch nicht erklären wie sie funktioniert.” Diese Aussage rief kein großes Unwohlsein bei den Charakteren hervor.
Steve möchte den Rest des Obergeschosses begutachten, will dafür erst Ella mitnehmen, aber Morton fährt ihm dazwischen. Also nimmt er stattdessen Uder mit. Dieser erklärt ihm freudig alles was er wissen möchte. Die Ausnahme: Der verschlossene Lagerraum mit Bors Koffer. Ella und Uder werden es bis kurz vor Ende schaffen, ihren Besuchern vorzulügen, dass sie keine Ahnung haben, was sich in dem verschlossenen Raum befindet.
Wieder unten angekommen ist Juan von Tristan immer mehr beunruhigt. Steve sorgt dafür, dass der Hund im Schlafzimmer eingesperrt wird – Uder befiehlt Tristan ruhig zu bleiben, woraufhin er keinen Mucks mehr von sich gibt. Während Steves Ausflug haben die Geiselnehmer dem verletzten Cop einige Schmerzmittel verabreicht und den Rest der Geiseln mit Geschirrtüchern Hände und Beine gefesselt. (Es wird den ganzen Abend immer wieder Verwirrung geben, wer zu welchem Zeitpunkt wo gefesselt ist, weil immer wieder Leute rumlaufen sollen und dafür befreit werden, ohne sie nachher erneut zu fesseln. Idealerweise hat man etwas parat, mit dem das Gefesseltsein visuell dargestellt werden kann.)
Der Cop geht mit Juan aufs Klo. Juan hat ein zu schlechtes Gewissen und nimmt Officer Spundie die Handschellen ab. Als er sie nachher wieder befestigt, lässt er sie wesentlich lockerer, als nötig, weil Spundie so sehr darunter zu leiden scheint. (Später kann sich Spundie deswegen aus ihnen befreien.)
Auf der Suche nach einer Axt (ich hatte sie in der Garage und nicht im Werkraum untergebracht) machen sich Juan und Eispickel auf den Weg nach draußen. Sie finden das Auto, Wäscheleine und die Axt. Als sie gerade ins Wohnzimmer gehen, sehen sie noch Scheinwerfer eines Autos in der Ferne.
Das Auto ist ein Polizeiwagen. Uder wird auf das Klopfen hin an die Tür geschickt, die er nur einen Spalt öffnet und den Polizisten abwimmelt. Als Polizist versuchte ich stumm zu fragen, ob Uder Hilfe bräuchte, aber der Spieler konnte meine Lippen nicht lesen. Ich entschied den Polizisten abziehen zu lassen. Er hätte ausreichend Verdachtsmomente gehabt, um ihn später noch einmal mit Verstärkung auftauchen zu lassen, sollte ich mehr Action von außen benötigen.
Eispickel macht sich mit der Axt an der Tür im Obergeschoss zu schaffen. Steve setzt seine Reise durch das Haus fort: dieses Mal soll es in den Keller gehen. Die Übrigen verbringen ihre Zeit weiterhin im Wohnzimmer. Donna gibt vor, Officer Spundie durch Meditation mit den Schmerzen helfen zu können. Eigentlich möchte sie nur in seine Nähe kommen, um gegen die Entführer zu intrigieren. Als ich zu den Spieler von Uder und Steve komme, hat der Uderspieler der Keller schon beschrieben. Keine Gelegenheit mehr für gruseliges Ambiente. Ebenso hat Uder es vorgezogen den dunklen Keller mit all seinen Instrumenten und dem Spinnenwerkregal nicht gegen Steve einzusetzen.
Die Werkeleien am Lagerraum bringen die Metallverkleidung hinter der Tür zu Tage. Bors wird vom Lärm aufgeschreckt und beginnt an seinem eigenen Gefängnis zu rütteln.
In der darauf folgenden Zeit versuchen Steve, Juan und Eispickel erfolglos in den Lagerraum zu kommen. Die Geiseln halten sich bedeckt. Ich lasse Bors immer wieder laut im Lagerraum rumpeln. Als Juan vor die Tür geht um zu rauchen (eigentlich zu höflich für einen Entführer; der Spieler ging zum Rauchen und deswegen auch Juan), beschreibe ich ein metallisches Ächzen – Bors biegt die Metallgitter vor den Fenstern des Lagerraums auseinander.
Im Haus wundern sich alle über die seltsamen Geräusche. Juan rennt hinter das Haus und sieht wie Bors aus dem drei Meter hohen Fenster springt. Der Latino sprintet zurück ins Wohnzimmer, um davon zu berichten. Ella und Uder leugnen weiterhin etwas über den Lagerraum zu wissen.
Bors bricht durch die Garage in die Küche. Aus dem Wohnzimmer ist die Küche nicht einsehbar. Die Aufmerksamkeit der Geiselnehmer richtet sich auf den Gang in Richtung Esszimmer und sie hören Bors sagen: „Tötet den Uhrmacher und ich lasse euch leben!“
Um die Situation spannender zu gestalten, hatte ich schon vorher bestimmt, dass Uder Augenkontakt braucht, um Bors Befehle zu geben. Deswegen hält sich Bors in der Küche auf und hofft, dass andere ihn von Uder erlösen. Officer Spundie, der sich schon seit einiger Zeit aus seinen Handschellen befreit hat, nutzt die Ablenkung und stürzt sich auf Steve.
Daraufhin entbrennt eine lange Actionszene, die in Kampfrunden abläuft. Steve, Officer Spundie, Eispickel (mit dem Elektroschocker) und Morton ringen um die Pistole. Donna (die sich durch Yoga ihrer Fesseln entledigen konnte) rennt aus dem Raum und macht das Licht aus. Sie flieht an Bors vorbei in die Garage und setzt zur zusätzlichen Ablenkung das Auto in Brand. Ella ruft nach Tristan, der sich sofort daran setzt seine Leine zu zerreißen und durch die Schlafzimmertür zu brechen. Die Anwältin hat sich vom ihren Versuchen zu schlichten darauf verlegt, panisch zu schreien und sich in eine Ecke zu kauern. Der Rest der Geiseln flieht aus der Vordertür zur Veranda.
Bors rennt Richtung Wohnzimmer und Juan und Eispickel fliehen vor ihm ebenfalls Richtung Veranda. Steve und der Officer sind in einem Gerangel gefangen. Morton erinnert sich an Bors Worte und geht mit dem Messer auf Uder los. Uder dreht sich um, nimmt Augenkontakt mit Bors auf und befiehlt ihm, die Fremden niederzuschlagen. Der wutentbrannte Automat stürzt sich zuerst auf Steve und Spundie, da diese die geringste Gefahr für Uder bedeuten. Unter seinen Schlägen gehen beide schwer lädiert zu Boden und der Officer schafft es, die Gewalt über seine Pistole zurückzuerlangen.
Morton sticht auf Uder ein. Ella stürzt sich auf Morton. Dies wäre eine Gelegenheit, um ihr Geheimnis aufzudecken, aber die Spielerin würfelt nur eine 2 und der Angriff wird nicht übermenschlich. Morton wird von Bors zerquetscht und bohrt vor seinem Tod das Messer noch etwas tiefer in den Körper des Uhrmachers. Juan und Eispickel fliehen auf die Felder. Uder gibt Bors den Befehl, die beiden zu schnappen.
Der Automat holt die beiden auf den Feldern ein, aber Juan weist ihn darauf hin, dass ihm nie befohlen wurde, die beiden zurück zum Haus zu bringen. Also wirft Bors die beiden über seine Schulter und wandert mit seinen neuen besten Freunden in den Sonnenaufgang. Morton ist tot und Steve unter Kontrolle. Donna hatte sich unter der Veranda versteckt und kommt jetzt wieder hervor. Es wird ein Notarzt für Uder gerufen und wir beenden das Spiel.
Schlüsse für den nächsten Ausbruch
Mehr Horror
Ich habe unterschätzt wie viel der Horror zum Antrieb der Charaktere beiträgt. Da die Spieler sich nie vor dem Uhrwerken gefürchtet haben, musste Uder nie Sorge haben, als Adept enttarnt zu werden und konnte sich entspannt zurücklehnen. Auf die Frage: „Finden wir die Violinenpuppe seltsam?“ hätte ich antworten müssen: „Ihr könnt euch nicht erklären, wie einfache Zahnräder so etwas bewerkstelligen können. Ein kalter Schauer läuft euch über den Rücken, als ihr ihre Worte ein letztes Mal hört: ‘Was darf ich für dich spielen?’“
Dadurch versuchen die Spieler idealerweise eine Erklärung zu finden und Uder muss sich überlegen, wie er sie davon abhält.
Mehr Obessionen
Ich habe nie auf Obessionen würfeln lassen, weil ich den Spielablauf möglichst würfelarm halten wollte. Dadurch wurde aber die Konfliktspirale durcheinander gebracht. Einige der Charakteraspekte wurden nicht angespielt und dadurch fanden einige Charaktere weniger gut ins Spiel als andere. Ein stärkeres Anstoßen in eine Richtung, die meinen Vorstellungen entsprach, hätte hier vielleicht abgeholfen. Dabei muss man aber aufpassen, den Spielern ihre Eigenständigkeit nicht zu nehmen. Quintessenz: Mehr auf Obessionen würfeln → den Spielern die Interpretation überlassen.
Mehr Fesselspielchen!
Eine eher kleine Sache, die aber immer wieder für Verwirrung gesorgt hat und die Leute aus dem Spiel gerissen hat. Ein paar (Geschirr-)Tücher die man locker um einen Arm und/oder Bein bindet, hätte hier Wunder gewirkt. Natürlich kann man auch richtig fesseln, aber das muss vorher eindeutig geklärt werden und beim leisesten Unbehagen über Bord geworfen werden.
Gleich viel Big Bad Bors
Bors muss so bleiben wie er war. Der zwei Meter große Mann in ranziger Sowjetuniform hat die Spieler richtig geschockt. Sein Rumpeln war mit das Einzige, was sie richtig aus der Fassung brachte. Ich würde auf jeden Fall die Einschränkung für Uder mit dem Augenkontakt beibehalten. Ansonsten kann er die Situation zu schnell für sich entscheiden. Läuft euer Spiel zu lahm: Bors regelt das.