Darf ich den Mörder in einem Krimi ändern?
Der Grundsatz der World-Spiele ist: Play to find out. Das bedeutet, dass in diesem Fall Spieler und GM gemeinsam herausfinden, wer der Mörder war. Der GM ist tatsächlich angehalten, möglichst wenigst Sachen zu fixieren und möglichst viele Dinge offen zu lassen. Das Regelwerk funktioniert dann so, dass Spieler und Spielleiter sich permanent gegenseitig die Bälle zuspielen, um die Geschichte zu erschaffen.
Am Anfang gibt es einen Mord. Der GM beschreibt die Situation, dass die Heldengruppe in einen Tempel gerufen werden, wo ein Priester tot am Boden liegt. Mehr gibt es nicht, und alles weitere wird jetzt durch das Spielen selber entstehen. Der Kleriker will zum Beispiel wissen, ob er den Ermorderten kennt und macht einen Wurf, der erfolgreich ist. Da sagt der GM: Ja, den kanntest Du. Wer war das denn genau, und welchem Gott diente er? Welches Geheimnis verbarg er, von dem nur Du wusstest? Diese Fragen muss dann der Spieler beanworten.
Der Schurke kann herausfinden, dass es in dem Tempel einen Geheimraum gibt. Der Magier findet heraus, wie der Mord gegangen wurde - auf eine Weise, die nur er hätte entdecken können. Und so verfestigen sich nach und nach bestimmte Dinge, wie ein mögliches Motiv, ein Tathergang, verschiedene Verdächtige.
Durch dieses ständige Antwort-und-Frage-Spiel entsteht der Fall erst. Es gibt also keine übergeordnete Ebene, die man "ändern" darf. indem man Meta-Ressourcen ausgibt. Es wird alles jetzt und hier aus dem gemeinsamen Spielen hervorgebracht, und am Ende sind alle Beteiligten überrascht, was sich daraus ergeben hat.
Wenn Du in einem klassischen System einen Raum voller Gefahren vorbereitest, platzierst Du vorher schon alles, was Du brauchst: Die Fallen, die Monster, die Rätsel, die Artefakte.
In Dungeon World beschreibst Du nur den Raum selber, und alles weitere entsteht von selber durch das Spielen. In einem klassischen System bedeutet ein Fehlschlag, dass man etwas gerade "nicht schafft", in Dungeon World verschärft sich gleich die ganze Situation, und neue Elemente können eingeführt werden. In einem herkömmlichen D&D-Spiel schaffe ich es vielleicht nicht, über eine zerstörte Brücke zu springen, und lande im Wasser oder muss einen Umweg nehmen und erleide 2W6 Schaden. In Dungeon World scheitere ich ebenfalls, aber ich hänge jetzt mit den Fingerspitzen an dem Fortsatz auf der anderen Seite. Der Orkbeserker tritt mir auf die linke Hand, und ich hänge jetzt mit einer Hand über dem Abgrund, in dessen Fluten sich jetzt, da ich gerade hinabblicke, ein schäumendes Maul öffnet, aus dem dornenbesetzte Fangarme quellen.
Darf ich eine Situation erschaffen, "Die Stadtwache durchsucht alle Anwesenden auf Drogen."?
Grundsätzlich würde ich bezogen auf die Wold-Systeme sagen, es läuft eher so: Eine Patrouille durchsucht ein paar Leute. Das sehen die Spieler. Der Spielleiter aber fragt jetzt den Schurken: Wonach haben die denn gesucht, als Du das letzte Mal von denen gefilzt wurdest?
Darf ich einen Gegendstand herbeierzählen?
Wenn Du eine Umgebung durchsuchst, kann es sein, dass Du nach einem besonderen Gegenstand Ausschau hältst. Du stellst dem GM die Frage, ob Du etwas findest, indem Du würfelst. Dann kann es sein, dass der Spielleiter sagt: Ja, Du findest eine Art Messer. Wie genau sieht es aus? Was ist so besonders daran? Oder: Du findest ein Geheimfach mit einem blitzenden Gegenstand daran, aber da schnellen schon bräunlich schillernde Schädelschlangen aus der Öffnung, die sich bereit machen, Dir ins Gesicht zu springen!
Darf ich NPCs, etwa Glücksspieler in der Kneipe, herbei erzählen?
Soweit ich das verstanden habe, erschafft man gerade in Urban Shadows eine ganze Menge an NPCs und bringt diese durch Spielen ständig hervor.
In Dungeon World entstehen NPCs durchs Spielen und durch bestimmte Spielsituationen, zum Beispiel, indem die Spieler am Ende eines Abenteuers "zechen" und sich dadurch Freunde schaffen, indem sie es ordentlich krachen lassen.
Es kann aber ständig sein, dass gute Würfe in einer sozialen Umgebung dazu führen, dass der SL sagt: Vorne am Thresen, steht jemand, den Du kennst. Er schuldet Dir ohnehin einen Gefallen. Wer ist es, und warum ist er mit Tabakula verfeindet?
Das Erschaffen von Erzählinhalten ist also fast immer ein kollaborativer Akt zwischen den Spielern und dem GM.