Auf Anfrage ein paar Erfahrungen zu Greg Stolzes DG-Szenario
The Star Chamber:
Eine Operation in Myanmar ist katastrophal schiefgegangen und Delta Green muss wissen warum. Eine Gruppe von Agentinnen und Agenten wird damit beauftragt, das extrahierte Team zu verhören, um herauszufinden, was im Dschungel wirklich passiert ist. Das Problem: Die Aussagen der Überlebenden widersprechen sich...
The Star Chamber ist Akira Kurosawas 'Rashomon' mit Anti-Göttern und automatischen Waffen.
Grundsätzlich ist The Star Chamber super, wenn man sich darauf einlassen kann. Ich habe das Szenario bisher dreimal geleitet. Als SL ist man in erster Linie angehalten, den vorgegebenen Szenen zu folgen und an den entsprechenden Stellen zu schneiden, d.h. in den "Gerichtssaal" bzw. in den Dschungel zu springen. Man muss definitiv mehr steuern als sonst.
In den Gerichtsszenen geht es darum, den Konflikt anzuheizen und klar zu machen, dass es grundsätzlich verschiedene Versionen der Geschichte gibt. Kann man als SL sowohl in der Rolle eines Primary machen, indem man gezielt nach Widersprüchen fragt, die sich idealerweise aus den gespielten Dschungel-Szenen ergeben, als auch in der Rolle eines Secondary, indem man die SC-Primaries unterbricht oder gegen die eigenen Teammitglieder auskeilt.
Die Dschungel-Szenen werden erzählt, sind also nicht objektiv, sondern haben eine Agenda. Die Spieler(innen) bekommen Rollenkarten um das anspielen zu können, aber auch als SL sollte man nicht vergessen, die Szenen entsprechend einzufärben.
Der zentrale Punkt:
Consistency is not necessary. For maximum fun, it may not even be desirable.
Was die einzelnen Szenen angeht, hatte ich in der letzten Runde das Problem, dass Mona und Rick in Szene Nr. 2 direkt ihre jeweiligen konspirativen Treffen (Mona: Militär; Rick: U Hlaing) angespielt haben statt brav mit dem Rest der Gruppe im Dorf rumzufragen wie von der Szene vorgesehen. Ich habe da ein bisschen verzögert, um ihnen genug Spotlight zu geben und die Spieler dann beiseite genommen, um mir sagen zu lassen, wie der jeweilige Deal ausgeht - das wissen schließlich die anderen nicht. Im Nachhinein hätte ich die Treffen direkt und vor allen ausspielen lassen sollen, um dann in Szene 3 die beiden Spieler getrennt vom Rest zu fragen, was sie jetzt *wirklich* mit dem Militär/U Hlaing vereinbart haben. Sicher nicht das, was gerade in der gemeinsamen Befragung rausgekommen ist. Oder?
Ansonsten sind zumindest die Dschungel-Szenen ziemliche Selbstläufer. Ein wichtiges Detail, das man als SL leicht vergisst, weil es in keiner der Szenen vorkommt sind Ricks Aklo-Narben. Die kann man entweder im Dschungel ins Spiel bringen oder im Gerichtssaal falls ein Arzt sich die Befragten mal näher anschaut, beim Abtasten nach Waffen oder so.
Für das Ende: Geschmackssache, aber ich habe mir keine "objektive" Lösung überlegt, d.h. entschieden wer jetzt Verräter(in) war oder nicht. Würde für mich das Szenario konterkarieren, zumal die SC in einem oneshot ohnehin keine Chance haben das rauszufinden. In einer Kampagne vielleicht schon eher.
Die größten
allgemeinen Probleme sind:
Die Handouts sind extrem dicht gepackt und es dauert recht lange bis alle da durch sind. Und nicht jeder Spieler/jede Spielerin hat das alles immer im Kopf. D.h. als SL sollte man mit den Dingern vertraut sein und auch regelmäßig dazu auffordern, mal wieder ins Handout zu schauen.
Die Spieler(innen) in allen drei Runden haben - nachvollziehbar - versucht, eine vernünftige Ermittlung auf die Beine zu stellen, d.h. viel überlegt, wer wie wann was getan hat und so weiter. Da muss man als SL immer wieder zusammenfassen und aufs Wesentliche drängen. The Star Chamber ist kein Ermittlungsszenario und der "Fall" nicht objektiv zu lösen, d.h. wenn man da nicht aufpasst kommen die Spieler(innen) vom Hundertsten ins Tausendste. Zumal sie ja auch noch das Wissen aus den "objektiven" SC-Handouts haben.
Mein Eindruck: Spieler(innen), die Drama und SC-Konflikt nicht mögen, haben es schwer und gerade sie - aber auch die anderen - setzen die Rollenanweisungen/die ziemlich drastischen SC-Hintergründe zu zögerlich um. Da muss man sie als SL anhalten, ihre SC wirklich am Anschlag und gegeneinander zu spielen.
Letztlich ist es aber weniger schlimm als es aussieht und das Szenario hat allen drei Runden sehr gut gefallen. Wie in Rashomon stehen am Ende von The Star Chamber auf jeden Fall die verschiedenen Versionen der Geschichte nebeneinander ohne dass eine objektive Erklärung oder Lösung gefunden werden könnte. DG-typisch natürlich mit einer Menge Paranoia und moralisch fragwürdiger Entscheidungen. Hervorragend und definitiv auf einer Stufe mit den besten Szenarios, die DG so hervorgebracht hat.
Wer auf Deutsch übersetzte Handouts möchte, kann mir gern eine PM schreiben.