Schöner Grundsatz für alle möglichen Rollenspiele, aber warum sollte man es sich überhaupt schwer machen und dafür einen eher undurchschaubaren Regelsatz verwenden?
Im Vergleich mit Shadowrun, 3.5, DSA oder den meisten anderen Spielen sind OSR-Spiele mMn alles andere als undurchschaubar. Gerade weil die Komplexität ziemlich niedrig ist. Nur Indies/Storygames und möglicherweise diverse W100-Spiele (RuneQuest, Rolemaster, WFRP) spielen da in einer vergleichbaren Liga. Was das alte D&D halt nicht bietet: Eine einheitliche Regelsystematik.
Da bin ich wieder an dem Punkt über die OS-Regeln, den ich schwer in Frage stelle: Dass sie leicht an die eigenen Bedürfnisse anzupassen wären. Das meiste davon ist doch eher starr und wie gesagt schlicht undurchschaubar, d.h., wenn ich da irgendetwas ändere, habe ich schlechte Chancen, die Auswirkungen auf den Rest des Spiels zu kapieren. Soll ich einem Krieger, der Zaubern können will, einfach mal auf Level 3 einen Spruch zugestehen und ihm im Ausgleich einen Trefferwürfel wegnehmen? Oder ist das völlig blödsinnig? Was mache ich, wenn ich den Minotaurus als Race-Class einführen will? Und wenn ich's dauerhaft Gritty will und die HP nach unten modifizieren, wie muss ich dann die Monster anpassen, damit nicht zweimal pro Sitzung ein TPK rauskommt?
Gerade starre Regeln sorgen dafür, dass Grenzen relativ klar sind. Klassen sorgen für Nischenschutz, ...
@ Krieger, der Zaubern kann: Da kann man sich z.B. am Elfen orientieren. Anders gesagt: Das löst man am besten über XP. Wobei man da schauen müsste: Magierzauber oder Klerikerzauber? Es wäre auch grundsätzlich die Frage zu stellen ist: Macht es Sinn, dass wie bei klassenlosen Systemen, jede Figur in der Kompetenz der anderen wildern kann? Und: Warum baut man nicht gleich ne Hybrid-Klasse? Also nen Paladin oder Sword-Mage oder, ... Sollen die Zauber nur sehr geringe Wirkungen haben, also eine Frage des Styles sein?
@ Minotaurus: Wenn du ne neue Klasse baust, hast du grundsätzlich die Stellschrauben "Waffen- & Rüstungskompetenz", TW, Rettungswürfe, Sonderfähigkeiten und XP. Da du das aber eine neue Klasse nur als Gesamtpaket anbietest, ist es nicht so essentiell, dass du alle Elemente gut ausbalanciert hinbekommst. Und: Du kannst das Paket, das du schnüren magst, mit vielen anderen, die es schon systemseitig gibt, vergleichen. Dabei stößt man dann schon auf die "Designregeln", die dahinterstehen.
Wenn ich die Spezies Minotaurus für Savage Worlds bauen will, muss ich (theoretisch) berücksichtigen, dass sie grundsätzlich mit allen fertigkeiten, Nachteilen und Talenten des Spiels kombinierbar ist. Das, was zu berücksichtigen ist, geht weit über die reinen Spezies-Generierungsregeln hinaus. Anders gesagt: Das, was du effektiv bei OSR-Spielen breücksichtigen musst, wenn du ne neue Klasse einführst, ist verhältnismäßig wenig.
Grundsätzlich gilt: Je mehr Wahlmöglichkeiten man in die Charaktergenerierung einbaut, desto mehr muss das System (und/oder die SL) auf Spotlight-Schutz achten. Und: Desto eher wird "Spotlight-Klau" ein Problem. In RuneQuest (das einer ganz anderen Systemphilosophie folgt) hat man viel eher ein systemimmanentes Problem mit dem Spotlight, als in OSR-Spielen. Die pbtA-Spiele (vielleicht außer DungeonWorld, das ich zu wenig kenne) benutzen ja auch wieder ein relativ rigides Klassensystem. Anders gesagt: Je mehr differenzierte Wahlmöglichkeiten prinzipieller Art Spieler auf der Generierungsebene haben, desto verwaschener wird das mit Flags, die das System auch klar bedienen kann. Entsprechend fällt das dann wieder alles letztlich auf die SL zurück.
Wogegen ich mich aber sträube, ist es, OSR als die Systemfamilie zu bewerben, die regelseitig irgendwie diesem "Mach, was du denkst" entgegenkäme.
Die Spiele, die du genannt hast, folgen vielleicht weitgehend einer "stringenten Regelidee", die mal mehr mal weniger gut durchgehalten wird und die sich letztlich auf den Spielprozess selbst beziehen. Der Regelansatz des alten D&D ist da anderer Art. Mehr eklektisch, von Kriegsspiel-Kategorien beeinfluss und Freiformiger. Gemeinsam ist all diesen Spielen (und damit stehen sie Pathfinder, D&D5, DSA, Vampire, ... gegenüber): Du musst den Ansatz "kaufen". Wenn du bei pbtA nicht daran glaubst, dass es sinnvoll ist, wenn Erzählung Regelmechanismen auslösen oder bei Fate, dass Spieler in Autorenperspektive ständig Fakten einbringen dürfen, dann wird das Spiel nicht funktionieren. Und ich hab ein bißchen den Eindruck, dass dir der "buy-in" noch fehlt. Ich hab dafür Spielberichte und Artikel (v.a. im O.R.K.) und einige Spielsitzungen gebraucht, bis das auch am Spieltisch vernünftig lief. Meine Stolpersteine waren Hit-Points & HD, Saves, Mapping und v.a. Wandernde Monster.
Lesen hilft auch. Wobei die beste Lektüre da mMn das Heft "Tutorial" aus der LotFP-Box ist. Die Tipps und SL-Hinweise von Newt in Crypts & Things können auch was. Ich hoffe er hat die in "Remastered" nochmal ausgebaut. In der ersten Ausgabe waren die nämlich schon recht knapp geraten (und ganz charmant als "Privatmeinung" in die Anhänge gepackt).