Der Generationen-Theorie kann ich mich nicht anschließen, da es schon vor Urzeiten Storyteller-Systeme gab - Paradebeispiel Call of Cthulhu. Darüberhinaus gibt es Storyteller-Systeme wie diejenigen aus der WoD-Reihe, die zwar weniger Regeln haben als meinetwegen der Regelkracher GURPS, aber irgendwie gar nicht so abgespeckt an Regeln sind, dass ich hier von einer neuen Form des Rollenspiels reden würde. Abgespeckte Regeln gab es schon zu anderen Zeiten, man vergleiche die Komplexität von DSA1 mit der Komplexität der WoD-Spiele.
Zwischen Spielstil und Regeln gibt es m.E. durchaus einen Zusammenhang, da Regeln bestimmte Spielstile fördern und stützen können, während Anhänger bestimmter Stile wahrscheinlich dazu passende Regeln bevorzugen. Ich würde mich z.B. als "Classic Gamer" bezeichnen, weil ich klassische Systeme á la RuneQuest oder DSA mag. Ich will meine Proben würfeln können, ich will Werte auf meinem Charakterbogen, die ich verbessern kann. Aber ich will nicht mit Regeln für jeden Scheiß zugetextet werden - irgendwo ist eine Grenze. Und letztlich will ich vor allem eines: Spielen. Das kann ich besser, wenn ich die Regeln gut beherrsche, da ich mich dann nicht mit Regelfragen, Diskussionen oder auftauchenden Logikproblemen beschäftigen muss.
Freies Rollenspiel ist eine tolle Sache, ich verehre Daidalos geradezu, die Idee hinter Window ist großartig. Aber offenbar sind sie für die Mehrheit ungeeignet - in meinem derzeitigen Rollenspieler-Bekanntenkreis stoße ich mit diesem Systemen eher auf Unverständnis und Kritik, denn schließlich "wird da nichts geregelt" oder die Spieler "haben keinen Bock auf ständige Meisterwillkür". Hinken die Spieler den Spielen etwa hinterher? Von wegen. Die Storyteller gab es vor 20 Jahren genauso wie heute, nur saßen sie damals nicht in den Spieleverlagen. Jetzt tun sie es und jetzt können sie ihre Systeme raushauen - das bedeutet aber noch lange nicht, dass wir hier eine Entwicklung beobachten, die so geschehen musste oder überhaupt so geschieht. Tatsache ist, dass es die DungeonCrawlker, Powergamer und Munchkins von damals auch heute noch gibt und dass sie zocken, wie sie lustig sind.
Die verschiedenen Systeme würde ich daher nicht als "Generationen" betrachten (auch wenn z.B. die Autoren verschiedene Systeme quasi in Generationen gespielt haben), sondern einfach als parallele Erscheinungen. Genauso wie es unter den Spielern Storyteller oder Gamisten, Method Actors oder Casual Gamers gibt, wird es auch unter den Spielen welche für Storyteller und Gamisten, welche für Powergamer und welche für jedermann geben.
Keinesfalls würde ich hier von einer "Evolution" sprechen, dazu müssten wir erst einmal Kriterien anlegen, was denn "gute" Merkmale eines Rollenspiels sind und was "schlechte". Die Evolution können wir m.E. nur an äußeren Dingen festmachen: Layout, Bebilderung, Papierqualität. Niemals aber an Inhalten, da es hochgradig Geschmackssache ist, ob man lieber das 3-Pfund-Regelwerk oder das dünne Heftchen von 16 Seiten aus dem Internet wählt.
Vielleicht ist es derzeitig besser, von Trends und Mode zu reden.-