Thema: Kritik/Rezensionen für Bekannte/Verwandte

[El God]

Ich finds immer schwierig, ne ehrliche Meinung zu Büchern zu bringen, wo ich die Leute kenne, die sie geschrieben haben. Solange ich die Bücher toll finde, ist ja alles tutti. Aber Kritik kommt meistens eher nich so gut an. Hab einige schreibende Verwandte und deren Bücher gefallen mir nicht unbedingt. Nur - wie sag ich sowas, ohne denen aufn Schlips zu treten?

Finde ich einen interessanten Ausgangspunkt. Wenn man in der Szene gut vernetzt ist, lernt man nämlich sicher einen ganzen Haufen Leute kennen, die sehr aktiv sind und daher auch selbst kreativen Output haben. Und *natürlich* fragt man auch Bekannte oder Verwandte, was sie von dem eigenen Werk halten. Ich selbst habe zum Beispiel auch meine Spielgruppe als Testleser missbraucht und erwartungsgemäß kam da quasi ausschließlich bestes Feedback. Das schmeichelt natürlich. Aber die beste Kritik habe ich von einem ehemaligen Schulkameraden erhalten, der tatsächlich einige Punkte fand, an denen ich Dinge noch besser machen kann. Das ist für einen Autoren wirklich wirklich wichtig. Das ist Gold wert! Irgendwann hat man denk Punkt erreicht, ab dem man werksblind ist und selbst nichts mehr findet, was sich schleifen und verfeinern lässt. Und ab da ist man auf Hilfe von außen angewiesen, um Unebenheiten zu finden und auszumerzen.
Wenn du deinen Bekannten/ Verwandten also einen Gefallen tun willst, dann gib ihnen kritisches Feedback.

[Achamanian]

Ist tatsächlich schwer ... ich habe auch viele Autoren im Umfeld (selbst aber lange nichts mehr geschrieben) und kann sagen, dass ich glücklicherweise die Sachen der meisten einfach mag. Wenn mir etwas nicht gefällt, habe ich meistens aber auch kein Problem mit dem halbwegs diplomatischen: "Sorry, nicht mein Ding."
Ernsthafte, kleinteilige Kritik gebe ich wirklich nur auf sehr direkte Anfrage, auch, weil die einfach extrem viel Arbeit macht.

Bei meinen eigenen Sachen kann ich übrigens mit negativer Kritik aus meinem Umfeld irgendwie besser umgehen als mit Verrissen von Fremden Leuten irgendwo im Internet. Meine Frau war z.B. nicht so begeistert von meinem Storyband und hat ihn auch nicht zu Ende gelesen, das fand ich zwar ein bisschen schade, aber okay. Andererseits hat irgendwer eine Übersetzung von mir (noch dazu von einem Buch, das mir sehr am Herzen lag) auf Amazon lapidar als schlampig und grottenschlecht bezeichnet, und da war ich am Boden zerstört ... meine schönste Erfahrung war aber, dass jemand, mit dem ich online ansonsten spinnefeind bin, meinen Storyband lobend mit Ray Bradbury verglichen hat, da war ich ganz hingerissen vor Glück!

[Huhn]

Kommt halt unterschiedlich an, solch kritisches Feedback und ist auch unterschiedlich hilfreich.

Eine ehemalige Freundin von mir hat mal an einem, meiner Meinung nach, wirklich miesen Buch rumgeschrieben. Da hab ich zwar durchaus kritisches Feedback und Vorschläge gegeben zu Stellen, von denen ich dachte, dass die sich gut verbessern ließen. Das hätte aber vermutlich das Gesamtwerk trotzdem nicht über die Mittelmäßigkeit hinaus gehoben. Und ihr rundweg zu sagen, dass ich das Buch irgendwie schon vom Ansatz her total lame fand, wollte ich dann auch nicht, weil ich das nicht produktiv fand und sie auch nicht beleidigen wollte. Ihr Vater (den sie für einen sehr kritischen Leser hielt) hat ihr hingegen immer wieder gesagt, wie unfassbar gut er das Buch fand. 

Andererseits hat zu mir ein Verwandter gemeint, ich könne ihm ruhig sagen, wenn ich seine Bücher super-kacke finde. Mir müsse ja auch nicht alles gefallen. Bei ihm ist die Lage aber eine andere, denn der hat die Bücher bereits verlegt (und sie sind zudem schon älter) - dem kann mein Feedback also wirklich locker egal sein. Zudem geht es bei ihm wirklich um Geschmackfragen und nicht darum, dass ich die literarische Qualität seiner Bücher anzweifle.

Bei einem anderen Verwandten hingegen stellt es sich so dar, dass ich wirklich Vieles an seinen Büchern einfach nicht gut gemacht finde. Und das ist eine Art Kritik, die ich nur ungern austeile - zumal auch hier die Bücher bereits fertig und raus sind. Es geht also um die Bewertung fertiger Werke und nicht von Sachen, die sich in der Mache befinden und wo ein solches Feedback zur Verbesserung beitragen kann.

Allgemein halte ich mich auch nicht für eine wirklich gute Kritikerin - dazu hab ich dann doch selbst zu wenig gelesen und kenne mich auf einer professionellen Ebene nicht gut genug damit aus. Ich kann immer nur davon ausgehen, was ich als Leserin gern hätte. Und das ist ja auch nicht immer die Art Feedback, die gerade gebraucht wird.

[ErikErikson]

Also ic hab mal gelesen, mal soll als Autor seine Freunde um Kritik bitten, wenn man nen Boost fürs Selbstbewusstsein will, und Fremde, wenn man echte Kritik will. Das halt ich für vernünftig.

[KhornedBeef]

Also ic hab mal gelesen, mal soll als Autor seine Freunde um Kritik bitten, wenn man nen Boost fürs Selbstbewusstsein will, und Fremde, wenn man echte Kritik will. Das halt ich für vernünftig.

Ich finde, da fehlt noch ein engagierter Feind, der unbeirrbar deine größten Schwächen findet.

[ErikErikson]

Ich finde, da fehlt noch ein engagierter Feind, der unbeirrbar deine größten Schwächen findet.

Aber wer hat heutzutage noch einen ordentlichen Erzfeind?

[El God]

Meine wurden ja konsequent aus dem Forum vertrieben