6) Das Herz der Finsternis ist einsam und hungrig. Es beseelt die Gegend um das Dorf, verschleiert die Fenster, verglast die Seen und macht die Stimmen sichtbar. Jede Schneeflocke sucht nach Wärme - menschlicher Wärme. Man versucht sich zu erinnern, wie es vor dem Winter war. Jeder Schritt eine knirschende Überwindung - eine Qual - eine Last. Jeder Atemzug ein ätzendes Stechen in den Lungen. Abermilliarden kleinster Diamanten lassen die Augen fast erblinden und wischen das Gefühl für Raum und Orientierung hinfort, machen die Umgebung konturlos, bis kein Horizont mehr erkennbar ist. Die Winde fauchen, winden sich über Berge und durch Täler, stets auf der Suche nach dem Traum des Sommers. Und sie lassen mit jedem Hauch ihrer eisigen Finger die Spatzen tot aus dem Geäst fallen. Selbst die weissen Wölfe schweigen, um kein Gramm der kostbaren Wärme zu verschwenden. Die Haut juckt und kribbelt, wird erst warm dann heiss, errötet, wird erst blass, dann schwarz. Schwarz wie das Herz der Finsternis. Der Weg führt ins Leere, in eine Sackgasse, windet sich im Kreis und endet. Das Weiss bliebt ruhelos, hallt an den Wänden des Nichts wider und sucht weiter. Ein Schneemann mehr.
Ein Schneemann, den die Kinder gebaut haben. Eine Zierde des Winters.
Doch noch fehlen ihm Mohrrübe, Hut und Schal.