Guten Morgen,
Häufig hören wir ja, dass jemand sagt, Charakterklassen seien doof, oder jemand anders, sie erleichterten Balance, oder schafften Nischen oder irgendwie so etwas. Ich möchte hier für etwas Klarheit sorgen und diese Begriffe sauber erfassen.
Kapitel 1: Nischen
Fangen wir zunächst mal mit dem Begriff der Nische an. Das Wort "Nische" soll zumeist bedeuten, dass ein bestimmter Charakter in der Party für eine bestimmte Sache zuständig ist, zum Beispiel Fallen entschärfen oder das Schiff zu steuern. Was hier passiert, ist gewissermaßen eine indirekte Form von Spotlight-Management.
Spotlight-Management bedeutet, dass jeder Charakter mal im Mittelpunkt stehen soll. Das lässt sich natürlich relativ gezielt erreichen, indem man etwa Elemente aus der speziellen Hintergrundgeschichte des Charakters aufgreift.
Die Idee von Nischen versucht etwas ähnliches. Wir nehmen zunächst an, dass eine Party von Charakteren auf Abenteuer zieht. Daraufhin wird diese Party mit gewissen Problemen konfrontiert. Wenn jetzt ein Charakter besonders qualifiziert ist, das Problem zu händeln, erhält dieser Charakter Spotlight. Wir lassen zunächst mal hingestellt, ob das so funktioniert und schauen uns an, was diese Nische ausmacht.
Folgerung 1: Die Nische ist nicht direkt, was der Charakter tut, sondern das vorliegende Problem. "Zaubern" ist keine Nische. "Über große Entfernungen eine Nachricht versenden" kann eine Nische sein. Und womöglich lässt sich das mit Zauberei erreichen. Jedes andere Mittel würde aber auch helfen.
Folgerung 2: Der Charakter muss nicht global gut sein, sondern nur innerhalb der spezifischen Party. Die Zusammensetzung der Party kann also, die Nischen verändern.
Folgerung 3: Nischen können beliebig geschnitten sein. Letztlich kommt es auf die spezifische Passung von Kompetenzen an.
Was bedeutet das letztlich? - Nischen müssen in der Party ausgehandelt werden. Ich erinnere mich an ein Ereignis, wo es in D&D darum ging, auf Untote Jagd zu machen. Der Kleriker (das ist eine Klasse) dachte laut darüber nach, dass er sich wohl zusätzlich zu der Schriftrolle "Lesser Restoration", den Zauber auch noch einprägen sollte, also einen Zauber, der gewisse schwächende Effekte entfernt, wie sie von Untoten häufig ausgelöst werden. Ich versicherte ihm: "Bitte Freund, mach dir keine Gedanken. Ich werde mich dieses Problems annehmen." - Der Spieler schaute sehr verwundert, denn mein Charakter sollte das eigentlich nicht können: Arkane Zauberwirker tun sowas nicht. Ich versicherte ihm: "Doch, ich kann das mehr als 10 mal am Tag und abends mit Beleuchtung." Das überzeugte ihn und machte ihn glücklich, denn er hatte gar keine so große Lust das zu übernehmen.
Was war nun meine Nische: "Negative Statuseffekte von Untoten entfernen". Ich war nicht, "die Heilerin", denn ich konnte zum Beispiel keine verlorenen Trefferpunkte wiederherstellen. Wahrscheinlich gab es auch in keiner D&D-Runde vorher oder nachher eine explizite Nische für das Entfernen negativer Statuseffekte von Untoten.
Was haben Nischen also mit Klassen zu tun? - Nicht so viel. Wir müssen Nischen explizit aushandeln. Klassen können diesen Aushandlungsprozess möglicher Weise abkürzen, weil bestimmte Klassen typischer Weise bestimmte Fähigkeiten haben. Dieses Verfahren stößt aber an Grenzen, wenn innerhalb einer Klasse verschiedene Möglichkeiten bestehen, Fähigkeiten auswählen, denn Nischen operieren letztlich auf der kleinst möglichen Ebene von Fähigkeiten (eben "Restorations").
tl;dr: Klassen könnnen helfen Nischen auszuhandeln. Das hilft umso weniger, je mehr Anpassungsmöglichkeiten innerhalb der Klasse existieren.
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Ich werde das bei Gelegenheit fortsetzen.