Delta Green hat das ja gemacht, ist aber irgendwie ein Kinde der 90er mit grauen Männchen und wiedergeborenem Hitler.
Wobei das entscheidende Verdienst weder der UFO-Kram noch die Karotechia waren, sondern dass Lovecrafts xenophobe Obsessionen in den Hintergrund gerückt und stattdessen das ubiquitäre Misstrauen gegenüber der US-Regierung, Verschwörungstheorien und gefährliche Kulte für eine zeitgemäße Umdeutung des kosmischen Grauens in den Blick genommen wurden. Und das ohne den Rechtsdrall der X-files.
Das neue DG beantwortet, soweit man das bisher sagen kann, deine Frage nach Cthulhu 2016 einmal mit der Terror-Paranoia post 9/11 und Edward Snowden, d.h. dem
unkontrollierten Aufblähen der Geheimdienste, also im Prinzip einer Umkehrung des Zeitgeists der 90er Jahre. Außerdem wird die murderhobo-Tradition von CoC ausgehebelt, indem die Protagonistinnen und Protagonisten in ein soziales Netz gewickelt werden. Eine Mischung aus Familienideal und "Die Hölle, das sind die anderen." Man merkt, dass die Autoren älter geworden sind. Wie das Setting endgültig aussieht, wird sich zeigen.
Ganz aktuell ist dann natürlich spätestens mit Trump die Angst vor einem Auseinanderbrechen unserer Gesellschaft(en), dem eigenen Bedeutungsverlust, Relativismus und Isolationismus. Es scheint als hätten wir die Welt nie so viel und so wenig verstanden wie heute. Kein schlechter Ausgangspunkt für cosmic horror.
Mir fällt jetzt immer nur Laird Barron ein, aber da ich bei den Zeitgenossen nicht so belesen bin, vermute ich stark, dass es noch zahlreiche weitere gibt, deren Namen ich auf die Schnelle nicht nennen kann.
Von Barron habe ich jetzt mal die ersten short stories gelesen, nachdem du den hier so oft lobst.
"Old Virginia" (DG lässt grüßen), "Shiva, open your eye" und "Proboscis." Wirklich gut, aber radikal umdeutend würde ich das jetzt nicht nennen. Naja, vielleicht kommt das noch.