Hallo zusammen.
Ich bin grundsätzlich kein Mensch, der seine Probleme gerne nach außen trägt und eigentlich auch der Meinung, dass gewisse Dinge intern bleiben sollten. Sascha hat mich jedoch mittlerweile überzeugt, dass wir die Ereignisse der letzten Jahre nicht annähernd erklären können, ohne mehr Interna preiszugeben. Es fällt mir wirklich schwer, nicht zuletzt, weil es teilweise auch sehr persönlich ist. Also seid bitte nicht zu hart, wenn es ein wenig konfus ist. Das hier ist wirklich nicht leicht.
Was ist mit dem Geld aus den Crowdfunding-Kampagnen passiert?
Eine der häufigsten Fragen ist „Gehen die Projekte so langsam voran, weil ihr kein Geld mehr habt?“, meistens verbunden mit dem mehr oder weniger direkten Vorwurf, die eingenommenen Gelder irgendwie verjubelt zu haben. Da den meisten Backern die internen Einblicke fehlen, ist das nur zu verständlich. Es tut dennoch weh. Und Geld ist bekanntlich ein Thema, über das in Deutschland nicht gerne geredet wird. Die Menschen urteilen bei kaum einem anderen Thema so hart über einen wie bei diesem, und kein oder wenig Geld zu haben, ist eine soziale Ächtung und Schwäche, die man vermutlich nur nachvollziehen kann, wenn man sie persönlich erfahren hat. Was ist also mit den Geldern passiert? Die Antwort ist einfach: Sie sind für die Projekte ausgegeben worden. Zum einen sind die tatsächlich eingenommenen Summen oft ein wenig niedriger als öffentlich bekannt. Bei den Dresden Files beispielsweise konnte Stripe um die 1000 Euro gar nicht einziehen. Dann kommen KS-Gebühren und andere Ausgaben dazu. Abgesehen von der Vorauszahlung an Feder&Schwert und den Beteiligungen der Personen, die die Kampagne erstellt haben (Video, Grafiken etc.), kommen auch Steuern dazu. Nicht nur Umsatzsteuern, sondern – da wir eine GbR sind – auch beachtliche Einkommenssteuern. 2015 (im Jahr der CF-Kampagne) standen den Einnahmen relativ geringe Kosten gegenüber, was dann auf dem Papier zu hohen Einnahmen und zu entsprechenden Steuern und Nachzahlungen geführt hat. Mit den Ausgaben in den Folgejahren korrigiert sich sowas natürlich, aber erstmal reißt das ein hübsches Loch in den Beutel. Auch haben wir ja für Anfang 2016 mit den Ausgaben für den Druck gerechnet. Und dazu auch noch mit Mehreinnahmen aus dem Verkauf der Bücher. Beides blieb aus. Und egal, ob die Bücher erscheinen oder nicht, Lizenzgebühren sind dennoch fällig. Ich kann aber auch beliebige andere Beispiele nehmen. Wie damals in einem Update mitgeteilt, hat PayPal wegen Verdachts auf Geldwäsche mehr als 10.000 Euro aus dem Symbaroum-Crowdfunding eingefroren. Das Geld ist bis heute nicht komplett wieder freigegeben und die Kommunikation mit PayPal ist äußerst einseitig. Beim Deadlands-Crowdfunding haben von den sieben verkauften Goldschürfer-Editionen im Nachhinein nur zwei (2!) Leute den Pledge bezahlt. Das sind 1665 Euro weniger Einnahmen, als das Projekt anzeigt. Ich habe das nicht bis ins Kleinste nachgerechnet, aber ich schätze, dass rund 10% der Summen gar nicht bezahlt sind. Wenn dann noch Fehler passieren, Produkte teurer als geplant werden, mehrere Versandwellen notwendig sind oder andere ungeplante Ereignisse auftauchen, dann braucht es keine heimlich finanzierten Eigenheime, um die eingenommenen Umsätze rapide schrumpfen zu lassen. Und wenn dann noch im großen Stil Stornierungen dazu kommen, geht das natürlich noch schneller.
Du rauchst Zigarre? Echt jetzt?!
Nein, tue ich nicht. Ich habe eine Weile in das Hobby hineingeschnuppert, vor allem in Gesellschaft, dann aber Abstand davon genommen, da mein Magen das nicht verträgt. Die teuerste Zigarre, die ich probiert habe, hat um die 15 Euro gekostet, die günstigste 1 Euro. Mich dafür rechtfertigen zu müssen, wie ich mein Privatleben gestalte, war mit das Demütigendste, was ich je erlebt habe. Die Tatsache, dass Freunde mich in privaten Situationen fotografieren und fremde Menschen mein Verhalten diskutieren, kann ich bis heute nicht abschütteln.
Ich habe eine Frau und zwei wunderbare Mädchen. Wir führen ein eher bescheidenes Leben. Bis ungefähr 2016 haben wir mit einem Einkommen um den Hartz-4-Regelsatz gelebt. Wir haben in einer kleinen 50qm-Wohnung gelebt, von der wir einen Raum wegen massiven Schimmelbefalls nicht benutzen konnten (das Kinderzimmer). Eine bezahlbare Wohnung für Familie mit Kind war enorm schwer zu finden. Seit 2012 habe ich drei Urlaube gemacht: eine Woche Winterberg (bezahlt von meinen Eltern) und zweimal eine Woche Holland in einem Landalpark mit den Kindern. Den letzten längeren Auslandsurlaub habe ich 1998 gemacht. Mein Auto ist ein Mazda von 2005, der uns bislang aber gute Dienste leistet. Ich habe ein Macbook, das ich auf Raten bei einem Versandhaus gekauft habe (und noch abbezahle), nachdem mein Medion irgendwann den Geist aufgegeben hat. Seit 2016 hat sich unsere finanzielle Situation übrigens Stück für Stück verbessert. Aus der Schimmelwohnung sind wir zum Glück seit 2016 auch raus.
Warum habt ihr dann Feder&Schwert rausgeworfen?
Wir haben Feder&Schwert nicht rausgeworfen. Wir haben den vereinbarten Vorschuss bezahlt und Ende Dezember – nach der Forderung weiterer Zahlungen – feststellen müssen, dass nicht einmal 10% der vereinbarten Arbeiten erledigt worden waren. Das kann auch jeder selbst nachschauen, da wir den damaligen Arbeitsstand in unserem Download-Bereich veröffentlicht haben. Der Abgabetermin lag bei Februar 2016 und es wäre F&S schlicht unmöglich gewesen, ihren Teil der Abmachung innerhalb von knapp acht Wochen noch zu erfüllen. Das Kind war also bereits in den Brunnen gefallen. Da wir uns über das weitere Vorgehen nicht einigen konnten, und F&S auch nicht noch mehr Geld geben wollten, haben wir den Vertrag wegen Nichterfüllung aufgelöst. Wir haben dann eine gemeinsame Pressemitteilung vorgeschlagen, um die Backer zeitnah zu informieren, wurden dann aber gebeten zu warten, bis die damalige Geschäftsführung Mitte Januar aus dem Weihnachtsurlaub zurück sei. Daran haben wir uns auch gehalten. F&S hingegen nicht.
Warum kommt es bei euch immer wieder zu total widersprüchlichen Aussagen?
Ich kann das ehrlich gesagt gar nicht wirklich beantworten. Es ist meinerseits wohl eine Mischung aus Leichtgläubigkeit, strukturellen Problemen und Dummheit oder nicht den Anforderungen gewachsen sein. Wenn ein Mitarbeiter sagt, dass er mit Projekt X (Layout, Textarbeit etc.) fast fertig ist und nur noch eine Woche braucht, habe ich das erstmal geglaubt. Leider hat es oft nicht gestimmt, und mit der Erfahrung der letzten Jahre im Rücken muss ich sagen, dass man (also ich) das auch hätte erkennen können oder vielleicht sogar müssen. Nachdem ich zwischenzeitlich auch schon einen Lagermitarbeiter entlassen musste, der nach Teillieferungen Bestellungen regelmäßig schlicht als erledigt markiert hat, kontrolliere ich einzelne Arbeitsschritte in der Regel enger und fordere häufiger Zwischenstände ein, aber ich weiß auch, dass wenn ich das zu oft mache, ich den Leuten nur auf die Nerven gehe – und das Gefühl, niemandem mehr vertrauen zu können, ist auch nicht angenehm. Zu manchen Zeiten waren wir auch mehr Personen, die nach außen kommuniziert haben. Da die interne Kommunikation schon unsauber war, hat das natürlich auch zu Fehlern in der Außenkommunikation geführt. Fehler, die man dann einräumen muss und die einen noch dümmer aussehen lassen. Und schlussendlich war es manchmal auch sicher (falscher) überbordender Optimismus. Man ist als Unternehmer ganz grundsätzlich ein risikobereiter und optimistischer Mensch. Andere Mindsets gründen keine Firmen. Ein „Jetzt erst recht, mit ein bisschen Glück packen wir das.“ ist in den meisten Unternehmergenen fest verankert. Es bedarf, zumindest in meinem Fall, echt harter Lektionen, um den Unterschied zwischen notwendigem Optimismus und realistischer Einschätzung zu lernen. Und schlussendlich passieren manchmal auch einfach Fehler. Fehler, die jedem passieren und die normalerweise gar nicht der Rede wert wären, aber in dieser besonderen Situation natürlich peinlich und auch dumm sind.
Es kam irgendwann ein Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, dass die Situation nicht mehr beherrschbar ist. Wenn man einen Rollenspielverlag in einer so eng vernetzten Szene führt, dann kann man das nicht mit einer nüchternen Produzent-Konsument-Haltung. Ich kenne viele meine Kunden persönlich und erst recht jeden anderen Verleger, Autor, Übersetzer, Grafiker und sogar die meisten Ladenbesitzer und ausländische Lizenzgeber. Man kennt sich, man sieht sich, trifft sich und ist Teil einer gemeinsamen, lebendigen Gemeinschaft, off- und online, was schlussendlich auch Teil der eigentlichen Belohnung ist. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist das die Motivation fast aller hauptberuflichen Akteure, die ich kenne. Sie lieben die Produkte und sie lieben die Community. Das galt tatsächlich auch für Marcel und mich. Nach dem Desaster rund um das Dresden-Files-Crowdfunding fing das irgendwann an, zu zerbröseln. Irgendwann war einfach die Kraft weg, sich gegen Angriffe, berechtigt oder nicht, zur Wehr zu setzen. Ich kann nichtmal genau sagen, wann das anfing. Irgendwann hatte ich nicht einmal mehr die Energie, den Kontakt zu Leuten zu halten, die uns helfen wollten. Ich habe in Abgründe geguckt, von denen ich nicht glauben wollte, dass die in unserer Community schlummern. Ich habe Fehler gemacht, die ich mir heute nicht erklären kann. Eine Zeit lang kam alles zusammen: Der Druck und die eigenen Existenzangst wurden immer größer, der Vertrieb kam zum Erliegen, was die Finanzen hart in den Boden getreten hat, und ich hatte gar nicht genug Finger, um alle Löcher im Boot zu stopfen. Ich musste Rechnungen schieben, von Leuten bei denen ich wusste, dass sie auf das Geld angewiesen waren, was das Gefühl des Selbstekels nur vergrößert hat. Die Leute reden immer über einen. Das war 2007 so und auch in all den Jahren danach. Irgendwann hat das aber eine Qualität erreicht, die ich nicht erwartet hatte. Selbst Leute, die mich seit Jahren kennen, fingen an sich zu fragen, ob ich nicht doch ein Betrüger war. Die wenigsten haben das so gesagt, aber man konnte es sehen oder spüren. Und schließlich gibt es da noch die Angst, selbst etwas von dem Schmutz abzukriegen. Wer will schon ein Interview mit dir führen, wenn er damit rechnen muss, dass der Inhalt in der berechtigten Kritik untergeht? Oder eine Rezension schreiben? Es geht in kleinen Schritten abwärts, aber es geht abwärts. Es ist immer mal vorgekommen, dass eine Sendung nicht ankommt oder aufgrund eines Bedienfehlers nicht bearbeitet wird, aber während die Kunden früher schlicht nachgefragt haben, schauen sie heute ins Internet und drohen bereits in der ersten Nachfrage mit Anwalt oder bezeichnen einen direkt als inkompetent oder Schlimmeres.
Natürlich ist das nicht nur so. Es gab zwar diese Zeit, als ich dachte, es ist alles vorbei. Wir kommen nicht mehr hoch, wir haben alle enttäuscht, Freunde, Familie, uns selbst und das Beste, was noch auf uns zukommt, ist die Privatinsolvenz. Mir fehlte die Kraft für so ziemlich alles. Ich habe fast alle sozialen Kontakte abgebrochen, mich sogar von meiner Frau und den Kindern zurückgezogen, in einer irgendwie stillen Blase vor mich hingelebt und so gut es ging funktioniert. Das erledigt, was ich bearbeiten konnte, und den Rest einfach ignoriert.
Glücklicherweise ging es irgendwann aber genauso langsam wieder nach oben, wie es vorher nach unten ging. Manche Projekte konnten abgeschlossen werden, nach und nach sind Bücher erschienen, sogar neue und nicht nur Nachdrucke, und viele Fans und Mitarbeiter haben schlicht nicht aufgegeben und mich in einer Mischung aus Tritte in den Hintern und gutem Zureden wieder in den Sattel gehievt. Ich bin so glücklich darüber, dass ich das gar nicht ausdrücken kann. Ich glaube nicht, dass ich diese Zeit alleine hätte durchstehen können.
Und um das noch einmal ganz klar zu sagen: Ich gebe für die letzten Jahre nicht irgendwem die Schuld. Weder Kritikern, noch Hatern oder dem früheren F&S oder dem Tanelorn. Die Entwicklung, die alles schlussendlich genommen hat, war ein Zusammenspiel von so vielen Faktoren, dass einzelne Akteure (ob ich selbst oder Dritte) die Folgen gar nicht absehen konnten. Und schlussendlich hätte ich jederzeit, schon vor fünf Jahren, aus diesem Rad aussteigen und alles beenden können. Das durchzuziehen und sich dem auszusetzen, war meine eigene Entscheidung. Ich bin heute glücklich, dass ich das gemacht habe, aber ich bin nicht sicher, ob ich es noch einmal machen würde. Ich weiß natürlich, dass ich auch hier viele enttäuscht habe und möchte mich vor allem bei euch entschuldigen. Ich kann verstehen, wenn ihr mich hier nicht mehr haben wollt, aber es wäre zumindest schön zu wissen, dass ihr mich nicht bis in alle Ewigkeit hasst.