Ja, würde ich tatsächlich so sagen. Ich versuche dies mal anhand eines Beispiels darzulegen, vielleicht kennst du es ja. Es handelt sich um eine Szene aus einem Computerspiel, Baldur's Gate 2. Recht bekannt, basierend auf modifizierten AD&D 2nd Edition Regeln.
In unserer Szene reisen die Helden dem Bösewicht hinterher und gerade als sie ihn finden stellt sich heraus: Ein Verräter mit dem sie zusammen gereist sind hat sich an ihnen zu schaffen gemacht und sie vergiftet, alle fallen in Schlaf und wachen gefangen wieder auf. Die Geschichte geht weiter nachdem der Bösewicht mit ihnen sein dunkles Ritual durchführen konnte.
Wir können uns sicher darauf einigen, dass dies Railroading darstellt, oder?
Nun lass uns das mal auf eine PnP runde übertragen mit 4 verschiedenen Szenarien.
Kein Railroading: Zuerst mal eine Variante ohne Railroading. Die Spieler machen ihre Aktionen und Entscheidungen - und das sie am Ende Gefangen werden ist nur eines von mehreren möglichen Szenarien. Nur weil sie von Punkt A nach Punkt F gekommen sind ist es noch kein Railroading. Vielleicht hatten sie Gelegenheit mit dem Verräter zu sprechen und haben sie verpasst? Vielleicht seinen Verrat sogar erst herbeigeführt? Es sind ihre Entscheidungen die zu der Situation führten.
Railroading durch den SL: Hier ist es der Spielleiter der dies entscheidet. Die Gefangennahme ist etwas was er in seiner Story so vorgesehen haben kann. Darum ignoriert er welche Entscheidungen die Spieler vorher getroffen haben und verweigert ihnen im Zweifel auch Einfluss auf den Ausgang dieses Szenarios.
Railroading durch das Abenteuer oder Regelwerk: Lustigerweise muss es gar nicht der SL sein der dies gerne möchte. Es gibt auch noch Dinge wie Kaufabenteuer. Wenn dort drin steht: Die Spieler werden gefangen, fallen in Schlaf und müssen zusehen wie mit ihnen ein Ritual gemacht wird so ist dies nichts was vom SL kommt. Möglicherweise will dieser das auch gar nicht und versucht dagegen zu arbeiten, das Abenteuer und dessen weitere Story auch ohne diesen Fixpunkt spielbar zu machen? Auch das Regelwerk kann dort eine Rolle spielen wenn faktisch nicht verhinderbare Aktionen darin enthalten sind.
Zuletzt gäbe es diese Variante aber natürlich auch noch mit
Railroading durch Spieler: Wie man bei den letzten 2 Szenarien gesehen hat zeichnet sich Railroading dadurch aus, dass die Spielercharaktere keinen Einfluss haben ob sie an einen bestimmten Punkt der Geschichte kommen. Es passiert auf jeden Fall. Das gleiche könnte man auch durch Spielercharaktere umsetzen. Egal was vorher war - Max wird die anderen verraten. Sie können ihn nicht überreden. Nicht vorab von dem Verrat etwas erfahren oder seine Einstellung beeinflussen. Egal was in der Geschichte zwischen A und F passiert - das Geschehen wird bei F das gleiche sein und davon unbeeinflusst. Ob Max ein vom SL gesteuerter Charakter oder ein von einem Spieler gesteuerter ist - völlig egal solange er ohnehin genau das macht was vorherbestimmt wurde.
Und genau dies ist der Punkt. Wer bestimmt ob dies so ist macht keinen Unterschied. In jedem Fall ließe sich anschließend auch etwas ändern und miteinander reden, Railroading ist ja kein Zwang. Wenn der SL das vorgibt kann man mit ihm sprechen, wenn das Abenteuer das vorgibt kann man dies ändern. Und falls die Spieler sagen "egal was da passiert, wir springen zu Punkt F in der Story - der passiert genau so auf jeden Fall, egal was dazwischen passieren würde" ist dies letztlich auch nicht anders als wenn der SL dies sagen würde, man kann dann immer noch miteinander reden.
Genau das würde ich da auch dem Threaderöffner sagen. Ja - das kann Railroading sein weil mögliche Entscheidungen zwischen Start und Ziel nicht zum tragen kommen, weil die (möglichen) Aktionen dort nicht ins Spiel kommen. Darum red mit deinem SL warum er dies für Railroading hält und welche Optionen auf der Reise euch offenstünden die ihr so verpasst.
Man muss sich dies halt auch mal anders herum vorstellen. Nimm mal an, es wäre der SL der im Szenario oben sagt: "Ok, ihr kommt am Ziel an". Zwei Runden später finden die Spieler raus, sie hätten auf der Reise ja etwas tun können was die aktuelle Situation beeinflusst. Durchaus denkbar, dass dann der Vorwurf käme: Moment mal, da hast du uns ja ganz schön gerailroaded - eigentlich hätten doch unsere Charaktere noch X, Y und Z machen können und dann wäre es gar nicht zu diesem Schlamassel gekommen! Und sie hätten recht. Nicht weil in diesem Fall der SL die Entscheidung traf, sondern weil eben tatsächlich noch diese Optionen offen standen und nicht genutzt werden konnten.