OT:
Ich hab das Gefühl, dass es bzgl. Handfeuerwaffen in den USA nur schwarz und weiß gibt. Von daher mag er zwar "Recht haben", aber trotzdem steht er im Großen und Ganzen klar auf der einen Seite und argumentiert gegen die andere Seite.
Das ist insofern ein Wahrnehmungsfehler, weil sich natürlich nur diejenigen mit klarer Meinung öffentlich äußern - die schweigende Mehrheit sagt definitionsgemäß nichts dazu. Sprich: Klar hört man fast nur die beiden Extrempositionen, aber das heißt nicht, dass jeder einzelne Ami eine dieser beiden Positionen vertritt.
Den Rest meines üblichen Sermons dazu sondere ich gerne auf Wunsch per PN ab, aber ich kann auch nachvollziehen, dass man sich nicht in epischer Breite darüber unterhalten will, was Leute auf der anderen Seite des Planeten so machen...
In der Sache gibts da für mich aber gar keinen Zweifel, da hat er trotz Schwächen in der Präsentation ganz eindeutig Recht mit seinem technischen Blickwinkel und den 1,5 anderen Gründen, die er ganz am Ende mal eben aus dem Handgelenk mit ins Rennen wirft und die eigentlich noch wichtiger sind.
Man muss beim Schreiben von Gesetzen eben schauen, was die tatsächliche Situation ist und in welcher Weise man darauf Einfluss nehmen will und
kann, statt sich in eigenen Wunsch- oder Alptraumvorstellungen zu verrennen - und gerade in dem Kontext gibt es ja nicht nur reine Theorie, sondern recht eindeutige Erfahrungswerte aus anderen Ländern oder anderen Zeiten bzw. vergleichbaren Konstellationen im eigenen Land.
Eigentliches Thema: (Praktische) Feuerrate(n) in klassischen Rollenspielen.
Ich fange mit der technischen Unterteilung von Waffen an (eher im Schweinsgalopp); von da gehts über diverse weitere Einflüsse und der Frage nach den "richtigen" Daten- und Vergleichslieferanten dazu, was das alles für die Abbildung im Rollenspiel bedeutet bzw. was man daraus stricken kann und vielleicht sollte - auch im Hinblick auf die dabei nicht ganz irrelevante Tödlichkeit.
Bei der Technik möchte ich das Ganze auf halbwegs moderne Waffen begrenzen; wenn jemand Fragen zu irgendwelchen Exoten hat, immer her damit.
Einzellader wie z.B. klassische Kipplaufbüchsen oder-flinten fallen direkt aus der Betrachtung raus - da stellt sich die Frage nach der Feuerrate nicht, sondern nur die Frage nach der Nachladezeit.
Sonderfall wären mehrläufige Einzellader, die sind natürlich auf ihren paar Schuss recht flott (was die meisten Systeme gerade bei Doppelflinten löblicherweise auch so abbilden).
Mehrlader / Repetierer sind für das Wiederherstellen der Feuerbereitschaft auf den Schützen angewiesen. Dementsprechend ist das Repetieren ein wichtiger Teilbereich des Schießens bzw. der Handhabung.
Diese Kategorie ist die vielseitigste und am Schwersten sauber einzuordnende, weil es nicht nur sehr verschiedene Repetiermethoden gibt, sondern innerhalb dieser Methoden auch deutlich suboptimale Konstruktionen.
Hier gibts z.B.
Vorderschaftrepetierflinten,
Revolver, Unterhebelrepetierer (
1 und
2), Kammerstengelrepetierer
1,
2 und
3),
Geradezugrepetierer und einige mehr.
Hier hängt die "technische" Feuerrate ausschließlich davon ab, wie schnell (und für den gesamten Schießvorgang zweckmäßig) der Schütze repetieren kann. Wie gesagt: es gibt hier große Unterschiede zwischen konkreten Konstruktionen innerhalb der selben Waffenart - sogar so groß, dass eine pauschale Sortierung nach Waffenart nicht sinnvoll ist.
Halbautomaten sind Waffen, die den Rückstoß oder die Gasentwicklung der Patrone dazu nutzen, die nächste Patrone zuzuführen und bei denen für jeden Schuss der Abzug einzeln gedrückt werden muss - etwa Selbstladepistolen (
1 und
2) oder -büchsen (
1 und
2).
Halbautomaten haben zumindest da, wo sie technische "Klone" von Vollautomaten oder auch auf Halbautomatik gestellte Vollautomaten sind, logischerweise identische Verschlusslauf- und Schlosszeiten (s.u.). Andere Halbautomaten unterscheiden sich davon auch nicht großartig.
Hier ist der offfensichtliche technische Bremsklotz der Zeigefinger des Schützen. Wie man bei Mr. Miculek sieht, sind 7 Schuss pro Sekunde menschlich machbar - das entspricht 420 Schuss pro Minute und ist damit immerhin etwa so schnell wie sehr langsame Vollautomaten und ungefähr halb so schnell wie ein durchschnittlicher Vollautomat.
Vollautomaten sind Waffen, die den Rückstoß oder die Gasentwicklung der Patrone dazu nutzen, die nächste Patrone zuzuführen und die so lange weiter laufen, bis man den Abzug los lässt - z.B.
Maschinenpistolen und
Maschinengewehre.
Hier sind die einzigen relevanten Größen die Zeit, die der Verschluss braucht, um die verschossene Patrone auszuwerfen und eine neue zuzuführen* (sog. Verschlusslaufzeit) und die Zeit, die das Schloss danach braucht, um die Patrone zu zünden (sog. Schlosszeit).
*oder umgekehrt - es gibt auch Waffen, da löst der Abzug nur den Verschluss, der dann ohne weiteres Zutun nach vorne gleitet, eine Patrone mitnimmt, direkt zündet, die leere Hülse wieder auswirft und dann - sofern der Abzug wieder losgelassen wurde - in hinterer Position gefangen wird.
Die theoretische Feuerrate bewegt sich je nach Verschlussmasse, Gasdruck, Patronenlänge usw. meist irgendwo zwischen 400 und 2000 Schuss pro Minute. Theoretisch deswegen, weil die meisten Vollautomaten nicht so viel Munition zur Verfügung haben und dementsprechend diese Schusszahlen pro Minute nicht erreichen - aber man kann das ja ohne Weiteres auf Schuss pro Minute umrechnen und stellt dann fest, dass sich das für die meisten Waffen im Bereich zwischen 10 und 20 Schuss bewegt.
Anzumerken wäre hier noch, dass der Hersteller sich oft etwas bei der Feuerrate denkt - je nach Einsatzzweck und -kontext der Waffe.
Langsamer schießende Waffen sind z.B. spürbar besser zu kontrollieren. Wenn das Ding also aus der Hand geschossen wird, ist das gar nicht so blöd. Muss es schneller sein, sollte man sich überlegen, wie man sonst mit dem Thema Rückstoß umgeht - das wird an der Stelle wohl aber zu technisch und vor Allem zu sehr hartwurstiger Nebenschauplatz.
So weit, so gut.
Jetzt ist aber bei den Beispielen vielleicht schon dem einen oder anderen der Gedanke gekommen, dass es abseits vom Vollautomaten gar keine neutrale Betrachtung der "technischen" Feuerrate geben kann bzw. der Begriff bei anderen Waffen (genau wie "theoretische Feuerrate") überhaupt keinen Sinn ergibt. Da ist immer die Frage, was der jeweilige Schütze umsetzen kann.
Und an der Stelle muss man auch fragen, wen man sich da überhaupt anschaut:
Gerade die sog. "Gamer" sind eine Kategorie für sich. Gemeint sind damit Wettkampfschützen, die ihre Waffen teils so sehr auf bestimmte Disziplinen ausrichten, dass sie für andere Anwendungen unbrauchbar werden.
Wer z.B. mit seinem Unterhebelrepetierer nur eine Stahlscheibe anklingen will/muss, kann beliebig schwache Munition (bzw. gerade so stark wie vorgeschrieben) verwenden und klammert damit Rückstoß als negativen Einfluss aus. Für Jagdzwecke sieht das schon ganz anders aus, da muss die Murmel auch Leistung bringen und schon ist man damit im Cowboy Action Shooting nicht mehr konkurrenzfähig.
Ähnlich sind möglichst schwere Pistolen mit schwacher Munition und großen Leuchtpunkvisieren z.B. für die polizeiliche Verwendung nicht zu gebrauchen.
Also ist das ganz nett, um mal ein Gefühl dafür zu entwickeln, was mit bestimmten Waffenarten im Extrembereich machbar ist - aber sonderlich praxistauglich ist davon nicht alles und man möge sich hüten, hier einfach die Stoppuhr anzuwerfen und die Zahlen 1:1 zu übernehmen. Zumal man gerade bei Jerry Miculek von einer absoluten Ausnahmeerscheinung sprechen muss, wo man sich sicher keinen Gefallen tut, das als Grundlage für ein Regelwerk zu nehmen und dann den ganzen Rest der Menschheit über spielmechanische Umwege mühsam einzubremsen.
Trotzdem ist es nicht verkehrt, erst mal zu schauen, was wirklich geht und was nicht, bevor man am falschen Ende der Schießfertigkeitsskala schaut und dann über die Kampfregeln und Waffenlisten Sachen kodifiziert, die eigentlich nur auf schlechte Schützen zurückzuführen sind.
Was gibt es noch für Einflüsse, welche die praktische Feuerrate senken?
Rückstoß ist schon angeklungen: der senkt natürlich die Feuerrate nicht, wenn ich das nicht will - aber praktische Feuerrate bedeutet ja gerade, dass ich nur so schnell schieße, wie ich auch mit guter Erfolgsaussicht treffen kann und nicht so schnell, wie ich sinnlos in die Landschaft holzen kann (ist ja im Nahkampf nichts anderes - da geht es praktisch nie darum, mit welcher Waffe man unter Laborbedingungen im gleichen Zeitraum mehr Schläge austeilen kann).
Auch wieder eine recht individuelle Sache - wer Rückstoß
ordentlich verarbeiten kann, kann unterm Strich schneller schießen und vor Allem treffen.
Vom Rückstoß weg ist ganz grundsätzlich die angestrebte Präzision ein großer Faktor. Auf drei Meter ein Scheunentor treffen kann so gut wie jeder. Wenn ich aber kleine Ziele auf große Entfernungen habe, bin ich so viel länger mit Zielen beschäftigt, dass die technische Feuerrate meiner Waffe ziemlich irrelevant wird (man schaue sich im Stangskyting-Video den G3-Schützen an).
Kleiner Exkurs dazu:
Zielen bedeutet "nur", dass man sich gerade genug Zeit lässt, um einen sauberen Ablauf sicherzustellen. Sprich: Man kontrolliert noch mal ordentlich, ob Visierbild und Haltepunkt stimmen und drückt dann
während des Zielens sauber ab.
Zielen bedeutet nicht, die Waffe ewig und drei Tage auf das Ziel zu richten, wenn ich noch gar nicht mit abdrücken angefangen habe - was soll das bringen?
Im sportlichen Pistolenschießen spricht man übrigens von ca. 7 Sekunden
maximaler Zielzeit, bevor das Auge unscharf wird, der Arm an Kraft verliert und die Sauerstoffschuld durch das Luftanhalten sich auszuwirken beginnt - für den Schützen vielleicht noch unmerklich, aber Ringscheiben lügen nicht
Zielen macht das Ganze nicht automatisch besser/präziser, sondern erlaubt einem nicht ganz perfekten Schützen, seine Fertigkeitshöhe voll auszuschöpfen. Das ist also wieder eine recht individuelle Geschichte.
Obligatorischer Blick zu
Jerry Miculek - der kann alles Wichtige auf Anhieb fast perfekt wiederholgenau umsetzen und braucht deswegen sehr viel weniger "Kontrollzeit".
Aufgepasst: Der hat
nicht "so viel trainiert, dass er gar nicht mehr zielen muss". Der zielt auch nicht schneller. Er muss sich nur weniger darauf konzentrieren, alles richtig zu machen.
Jeder muss die Grundlagen sauber umsetzen und wenn man das schnell kann, kann man es schnell. Trotzdem lässt man dabei nichts weg oder überspringt Elemente. Wer die Grundlagen nicht ganz so sauber verinnerlicht hat wie Mr. Miculek, muss sich eben selbst genauer kontrollieren; das geht nur mit erhöhtem Zeitaufwand und das Ganze nennt man dann Zielen.
Exkurs Ende.
An der Stelle fällt auf, dass die meisten Systeme das Zielen schlecht umsetzen:
Da wird zuerst gezielt und dann davon getrennt geschossen, was oft bedeutet, dass ich nach dem Zielen (was wie beschrieben eine falsche Sichtweise ist) die angegebene Feuerrate voll ausnutzen darf - Zielen müsste aber die Feuerrate unabhängig von der Waffenart senken.
Oder der Bonus zählt nur für den ersten Schuss einer Schussfolge und die anderen sind dann dermaßen unwahrscheinlich Treffer, dass ich sie mir lieber gleich spare (das machen immerhin einige Systeme so).
Nächster Faktor:
Wahrnehmung/Bewertung und Zielkontrolle.
Auf ein statisches Ziel kann ich beliebig lange schießen. Bei sich bewegenden Zielen muss ich dagegen auch mal schauen, was mit dem Ziel gerade so passiert ist und ob ich vielleicht aufhören kann/sollte. Und auch von der Bewegung ab muss ich irgendwann mal schauen, ob ich vielleicht schon erreicht habe, was ich erreichen wollte.
Dann gibt es noch kleinere Nebenschauplätze wie Umfeldgefährdung und Munitionsverschwendung - das ist in manchen Kontexten völig irrelevant, wird in anderen Situationen verständlicherweise über Bord geworfen, aber ist in wieder anderen Situationen der größte Faktor, warum viel weniger geschossen wird, als Waffe und Schütze hergeben würden.
An der Stelle schiebe ich mal das Thema Nachladen ein.
Hier gilt ähnlich wie beim Schießen auch: Wen schaue ich mir an? Der "Gamer", der mit getunten Waffen und komplett auf Geschwindigkeit ausgerichteter Ausrüstung nach einer Million Wiederholungen
mitten in seiner Komfortzone schwebt, ist da genau so wenig der ideale Ausgangspunkt wie derjenige, dem gerade der
Arsch auf Grundeis geht wie noch nie in seinem Leben.
Da sollte man dann wohl die goldene Mitte nehmen...
Immerhin machen viele Systeme richtig:
Waffen ohne Magazin sind im Vergleich unendlich fummelig und zeitraubend nachzuladen und das allein ist ein Riesengrund, Waffen mit Magazin zu nutzen - wenn das im System X überhaupt irgendwie relevant ist.
Kernfrage wieder: Wie lang sind meine Kampfrunden? Bei 20 oder 30 Sekunden interessiert mich das alles überhaupt nicht. Bei 3 Sekunden muss man zumindest bei allem, was keine Magazine verwendet, mal etwas genauer hinschauen.
Ende Teil 1