Ich habe ja immer so meine Probleme mit der Trennschärfe bei der OSR.
Ich kann mir darunter gut etwas vorstellen, ich nehme einfach mal einen Klassiker: "Horror im Orient-Express".
Jetzt aber zu meinen "Problemfällen":
Wenn wir das System mal außen vor lassen, sind dann klassische Shadowrun Abenteuer "OSR-Stil"? Da der Metaplot weiterläuft, wenn die SC nichts machen. Oder World War Cthulhu/Cthulhu Britannica?
Oder nicht auch ein Großteil "moderner" D&D-Abenteuer, wenn man die Encounterisierung mal außen vor lässt?
In meinem Text eben hatte ich überlegt, ob ich noch schreiben sollte, dass Spieler aus den Richtungen
Shadowrun und
Cthulhu wahrscheinlich nichts besonderes an der OSR sehen würden, weil beide im Kern missionsbasierte, herausforderungsorientierte Abenteuerstrukturen haben, mit ähnlichem Anspruch an Ressourcenverwaltung und Planung.
Dass
Cthulhu in Deutschland dann auch als Stimmungs- und dramaorientiertes Spiel bekannt geworden ist (wo kam der Taschenlampenfallenlasser her?), ist wahrscheinlich eher ein
DSA-Phänomen.
Und bei
Shadowrun sind die Grenzen auch fließend, weil der Spielleiter ja oft doch einen eigenen Plan verfolgt (größtmögliche Überraschung bei der Enthüllung, wer die Runner diesmal hintergangen hat) und manche Runs doch eher als Einbahn-Plots mit logisch folgenden Szenen geplant werden.
Es gibt Abenteuer, die können gar nichts anderes als Railroads sein. Eine Schnitzel-Verfolgungs-Jagd entlang der Haltestellen des Orient Express' ist der Inbegriff des Railroads. Aber auch mein
Midgard-Lieblingsabenteuer
40 Fässer Pfeifenkraut ist aus Gründen des spezifischen Problems, das die Spieler da während einer Händlerkarawane zu lösen haben, eine Einbahnstraße.
Das allein finde ich noch nicht problematisch, wenn es innerweltlich erklärt ist und nicht grundsätzloich alle Abenteuer so aufgebaut sind.
Railroads sind von Übel, wenn z.B. ein Spielleiter
Dragonlance genau so abspulen möchte, wie es in den Romanen geschildert wird, und dabei ignoriert, dass die Module das
in dieser Form gar nicht erfordern oder auch nur nahelegen.
Encount4rdation ist ein "Problem" auf einer anderen Ebene.
Genaugenommen ist es eigentlich gar kein Problem. Wenn es um "Fairness" geht und das Ergebnis immer noch offen ist, und der Set-Piece-Fight in
D&D4 als (brett)spielerische Herausforderung wahrgenommen wird, ist das ein mehr als valides Spielziel. Tabletops mit Army-Points, halt.
Jonathan Tweets
Rune basierte ja auch auf einem (wechselnden!) Spielleiter, der seine Encounter mit Punkten bauen musste.
Und auch OSR-ler müssen sich fragen, ob Monster-Level nicht auch schon eine Vorstufe zur Encount4rdation darstellt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Dungeon-Level (auf Level y trifft man bevorzugt Kreaturen der Levels x, y und z).
In veröffentlichten Abenteuern kann ich Encount4rdation leicht verkraften - an meinem Spieltisch, in meiner Kampagne kann ich alles ändern. Und ich würde das Thema nicht mal erwähnen, wenn zu Zeiten von 3.x nicht die Anspruchshaltung auf Seiten der (US-)Spieler zum Kippen einer ganzen Spielkultur geführt hätte.
Encount4rdation ist zum Problem geworden, weil es als Vorbild und Modell genommen wurde.
Nach all dieser "Verteidigung" der OSR:
Es ist auch nicht so, dass das Old-School-Spiel nicht auch seine ganz eigenen Probleme hätte, mit denen man sich als DM herumschlagen muss (oder für die man einen blinden Fleck entwickeln muss).
Ich kann z.B. gut damit leben, dass in den meisten Settings die Zahl der eine Stadt umgebenden Siedlungen und Äcker nicht ausreichen, um die Bevölkerung zu ernähren.
Ich kann fantastisch mit der Abstraktion leben, dass gefundene Schätze als Richtwert für bezwungene Gefahren herangezogen werden (gp=xp).
Aber dass die gewaltigen Gold-Mengen, die im OSR-
D&D aus den Verliesen ans Tageslicht geholt werden, nicht dazu führen, dass Helden auf Level 3 sesshaft werden (von dem mangelnden Einfluss auf die Ökonomie einer Region ganz zu schweigen) - das sprengt meinen Disbelief-Suspender und lässt sich auch nicht mit xp-nur-für-versoffenes-Gold schöntrinken (wie es Sword-&-Sorcery-Varianten empfehlen und damit aus Genre-Konventionen eine Regel machen).